laut.de-Kritik

Ein Manifest der Post-Pantera-Ära, die Masterclass in Shouting und Lyrik.

Review von

"Unseren Namen darauf zu setzen, ist ein Statement. Das ist Lamb Of God. Hier und jetzt", sagt Randy Blythe. Er hat Recht: Ihr je nach Zählweise achtes oder schon zehntes Studioalbum zeigt den Kern seiner Band. Es bekräftigt ihre Stärken, offenbart aber auch deutlich die Schwächen.

Zunächst schien es, als könne nach "VII: Sturm Und Drang" und den vorangegangenen rechtlichen Turbulenzen etwas Ruhe bei Lamb Of God einkehren. Der ganz große Karriereschub blieb zwar – wieder einmal – aus, aber sie hatten sich in der oberen Mittelschicht des Genres etabliert. Es blieb sogar Zeit für Nebenprojekte und ein Coveralbum ("Legion: XX"). Doch dann brach mit Drummer Chris Adler eine seit Karrierebeginn feste Säule weg.

Die prestigeträchtige Welttournee im Vorprogramm der abdankenden Slayer überschattete für die Band aus Richmond, Virginia ein großes imaginäres Fragezeichen über dem ungewohnt besetzten Drumriser. Anfangs fadenscheinig als verletzungsbedingter Ausfall kaschiert, schwingt in dieser Angelegenheit längst ein bitterer Unterton mit. Sicher auch deshalb beschlossen Lamb Of God, ihre Identität in der öffentlichen Wahrnehmung mithilfe eines selbstbetitelten Werks zu bekräftigen, vielleicht sogar zu erzwingen.

Auf "Lamb Of God" findet keine Weiterentwicklung statt. Lamb Of God gehen lieber ein paar Kreativschritte zurück und fokussieren auf den Sound, für den sie bekannt wurden: eine Mischung aus Groove, Thrash und Metalcore, bei der sich Durchschlagskraft und Griffigkeit gegenseitig ergänzen. Mancher nennt das New Wave Of American Heavy Metal. Lamb Of God beherrschen diese Spielart, keine Frage. Das Problem ist, dass man ihnen auf der neuen Scheibe die Komfortzone anhört.

Die Songs wirken mustergültig umgesetzt, aber generisch. Sie kommen instrumental selten über den Status als Anschauungsmaterial dafür hinaus, wie die gemeine moderne Metalband der Post-Pantera-Ära klingt. Trivium schreiben im Vergleich die spannenderen Melodien und Riffs, Gojira die interessanteren Rhythmen, Testament die besseren Thrash-Updates. Lamb Of God bieten auf "Lamb Of God" von allem etwas, agieren auf hohem Niveau, oft austauschbar. Am überzeugendsten gerät da noch das Neo-Thrash-Werk "Routes", angetrieben von Chris Adlers Nachfolger Art Cruz, der erst in wütendem Galopp seine Kollegen (und Gastsänger Chuck Billy) vor sich hertreibt und am Ende ein erdrückendes Breakdown-Outro dominiert.

Alles steht und fällt letztlich mit Shouter Randy Blythe. Wenn der wie in "Memento Mori" bei gleichzeitig beneidenswerter Varianz und Kontrolle eine stimmliche Urgewalt entfesselt, die ihn auf Augenhöhe mit Phil Anselmo bringt, spielt der Rest eines Songs kaum noch eine Rolle. Wenn er dagegen wie in "Bloodshot Eyes" eher Dienst nach Vorschrift leistet und dem schematischen Unterbau hinterherläuft, bleibt wenig hängen. Letzteres kommt zum Glück selten vor.

Zusätzliche Sprengkraft verleiht Blythe seiner Performance mit seinen Lyrics. Eloquent entrollt er seine Anklageschrift an ein von kapitalistischen Interessen, Populismus, Umweltkrisen und sozialen Abgründen zerfressenes Amerika, wahlweise natürlich auch übertragbar auf die ganze Welt. Zeilen wie "A consequence, we asked for this / Repeat, echo, refrain / No, never again / The American Scream" ("Checkmate") bleiben haften. Mit poetischem, bildhaftem Duktus seziert er ein düsteres Gesellschaftsbild. "Narcotic economics for the miner's sons / The seams went bust so long ago with nowhere else to turn / Strip mine the veins, drill the abscess dry / Incentives for the architects of their genocides." ("On The Hook")

Wie wichtig Blythe diese Komponente des Albums ist, zeigt ein Blick ins Booklet. Dort präsentiert die Band die Songtexte in von der Tracklist abweichenden Abfolge. Blythe erklärt: "Es gibt die musikalische Sequenz, der das Album nachgeht, und dann ist da noch die lyrische Sequenz, nach deren Reihenfolge die Texte im Booklet gedruckt sind. Ich habe damit angefangen, verschiedene eklatante Probleme aufzuzeigen, die nach meinem Erachten wichtigsten, und ihre Wurzeln. Dann geht es über in ein Gefühl, dass du diesem Zeug widerstehen kannst, zu einem Gefühl der Hoffnung."

Der Blick auf und eine Beschäftigung mit "Lamb Of God" lohnt also durchaus. Man sollte sich nur im Klaren sein, was das Album ist und was nicht. Der Band gelingt das Manifest ihres Sounds, gerade für Fans ist das Album deshalb qualitativ eine sichere Bank. Weiterentwicklung und echte musikalische Relevanz sucht man vergebens. Dafür liefert Randy Blythe eine Masterclass in Shouting und stereotypenfreier Metal-Lyrik.

Trackliste

  1. 1. Memento Mori
  2. 2. Checkmate
  3. 3. Gears
  4. 4. Reality Bath
  5. 5. New Colossal Hate
  6. 6. Resurrection Man
  7. 7. Poison Dream
  8. 8. Routes
  9. 9. Bloodshot Eyes
  10. 10. On The Hook

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3 Kommentare

  • Vor 3 Jahren

    Genau das Album, was Future immer machen wollte, aber niemals hinbekommen würde!

  • Vor 3 Jahren

    Der review triffts! Ich bin von Lamb mittlerweile etwas enttäuscht. Man hat imo an früheren Machwerken gesehen, dass Sie mit grandioser Technik überragenden, prägnanten Thrash Metal machen können, in Ihrem ganz eigenen Stil. Aber ich hab das Gefühl sie haben nicht mehr die Ambition sich weiterzuentwickeln, für mich klingt seit Sturm und Drang das meiste eher generisch, also würde man ein 0815 Muster runterknüppeln. Sie haben sichs zu bequem gemacht, imo. Treibender Burner Desolation, der groove von Straight for the sun oder pointiert prägnanter brecher undertow? Epische Riffs wie in walk with me in hell, ein vielseitiger harter Track wie Grace... Checkmate zb, sau langweiliger Track, total unambitioniert... :( auch memento Mori, Gears, meh. New Colossal Hate istn eingänger Kracher mit ner geilen hook, on the hook find ich mega stark, resurrection man hat die lamb typische Lärmkulisse und nen witzigen Einstieg, nice. Aber alles in allem unambitioniert und nicht grade innovativ.

  • Vor 3 Jahren

    Ganz nett, aber eher so ein Album der Marke "Machterhalt". Also auf Nummer sicher.