laut.de-Kritik

Elegante Chansons, edel und endlos cool.

Review von

Vernuschelt, verwaschen, ein bisschen verschwommen wie das Coverartwork klingen die Worte, mit denen Lary in "Stereo Noir" willkommen heißt. Die "Scheiss Drinks" haben offenbar ganze Arbeit geleistet, obendrein "Scheißdrogen, Scheißstreit", na, das wird ja wohl eine unerfreuliche Angelegenheit ... denkste.

Genau genommen denkst du das noch nicht einmal einen halben Song lang, dann haben dich der Groove und der trügerisch liebliche Refrain schon hineingesaugt, in Larys komplexes Gefühlsgewirr. Sie singt derart faszinierend von entstehenden und (in diesem Fall) vergehenden Beziehungen, dass man erst, nachdem der Song verklungen ist, dazu kommt, sich zu wundern.

Moment: Hat das wirklich irgendwie wie "Be My Baby" aus dem "Dirty Dancing"-Soundtrack angefangen und mit Doors-mäßigem Gedudel aufgehört, und es kam einem kein Stück unlogisch vor? Was ist da los? Alter, was das wirklich erst der erste Track?

So schauts aus, und es geht gerade so weiter: "Junge" tut einen Wimpernschlag lang so, als bewerbe es sich um einen Platz im Soundtrack des nächsten Tarantino-Westerns, wächst sich dann aber zu einem Chanson edelster Schule aus: "Wenn du mit anderen Frauen Liebe spielst, spiele ich das Klavier", lässt da eine verletzte, aber stolze Betrogene ihren so untreuen wie unreifen Lover wissen. Dabei wirkt sie so endlos cool, dass der Trottel, der ihr das angetan haben mag, eigentlich mindestens Erfrierungen zweiten Grades davon getragen haben müsste. Verdient hätte er sie allemal.

Immer wieder kreisen Larys Texte ums Verlassen und Verlassen-Werden, ums Alleinsein, um Einsamkeit und Sehnsucht. Ein recht abgegrabbeltes Themenfeld, möchte man meinen, doch diese Frau findet unentwegt neue, unverbrauchte Bilder. Die mariniert sie in Melancholie und benutzt sie als Mosaiksteinchen, um daraus dunkle Klangkulissen zusammenzusetzen. Ihr (von den ersten Sekunden abgesehen) glasklar artikulierter Gesang trägt darin weit über den Sound. Den wiederum prägen meist schiebende Synthies: alles ausgesprochen stimmig.

Wie sicher Lary alle Fäden in den Händen hält, zeigt sie immer wieder, am eindrucksvollsten vielleicht in "Einzelteile" an der Seite von Jazztrompeter Theo Croker. "Du liebst nur gebrochene Frauen", analysiert sie da ihr imaginäres Gegenüber, mit einer Eleganz und einer Macht in der Stimme, vor der man einfach nur ehrfürchtig auf die Knie sinken möchte.

Außer Croker empfängt Lary noch zwei weitere Gäste. Sie bräuchte zwar keine Hilfe, aber zusammen ist man eben doch weniger allein. Deswegen leistet ihr Ebow in "Krieger" Gesellschaft, in dem Lary mit viel Hall und Echo auf der Stimme erst einmal die "Ode an die Freude" zerhackstückt, ehe sie, begleitet von Uuuh-Chören, über das Wesen von Liebe und Krieg sinniert. Ebow entwickelt zwar keine so starke Aura, drückt sich dafür aber wesentlich unmissverständlicher, weit weniger kryptisch aus: Sie benutzt die härteren, drastischeren Bilder und trifft damit genau so zielsicher mitten ins Herz.

Gleich zweimal schaut Labelchef Patrice vorbei, singt in "Sinn" sogar erstmals auf Deutsch. Seine wirklich sehr eigenwillige Stimme muss man mögen (tu ich). Doch auch, wenn man mit dem quäkigen Ton seine Schwierigkeiten hat, sollte die Art und Weise bezaubern, wie diese Stimmen umeinander herum- und miteinander tanzen.

Apropos tanzen: Gegen Ende dringt doch noch ein Hoffnungsschimmer ins "Stereo Noir" durch. "Planet" entpuppt sich als fast schon leichtfüßiges, eskapistisches Liebeslied mit einer elend eingängigen Hook. Wie auch der Chorus im Überhit "Stella", entfaltet sich hier ein angesichts der topmodernen Produktion komplett absurder 80er-Jahre-Hit-Vibe, der einem fast die Rübe sprengt. Wenn man dann schon den Kopf verloren hat, kann man, falls noch nicht geschehen, eigentlich auch gleich heiraten. "Für Immer Dein Jetzt" als Hochzeitswalzer picken zu können, wäre Grund genug.

"Lass' ma nichts für später sparen", holt Lary am Ende eines ganz wundervollen Albums auf den Boden der Tatsachen zurück. "Die schlechten Zeiten sind da." Ein bisschen Aufschub gönnt sie uns aber noch: Als Zugabe lässt sie "Stella" noch einmal für sich alleine tanzen, diesmal allerdings en français ... als wäre irgendjemand noch nicht verliebt.

Trackliste

  1. 1. Scheiss Drinks
  2. 2. Junge
  3. 3. Weniger Allein
  4. 4. Draussen
  5. 5. Stella
  6. 6. Kein Mensch
  7. 7. Einzelteile feat. Theo Croker
  8. 8. Sinn feat. Patrice
  9. 9. Krieger feat. Ebow
  10. 10. Planet
  11. 11. Für Immer Dein Jetzt
  12. 12. Stereo Noir feat. Patrice
  13. 13. Stella (Version Française)

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