laut.de-Kritik
The Revolution Might Be Televised.
Review von Dani FrommLittle Shalimar hat eine Mission. Er will "Rubble Kings" populär machen. Sicher auch, weil er für die Filmmusik verantwortlich zeichnet, hauptsächlich aber der "Botschaft von Hoffnung und Hingabe" wegen, die wir gut vier Jahrzehnte später noch immer dringend brauchen können.
Die Dokumentation "Rubble Kings" von Shan Nicholson entführt ins New York der 60er und 70er Jahre. Sie rekonstruiert aus Gesprächen mit Zeitzeugen, altem Filmmaterial und neuen Animationen das Leben in einem Umfeld, das sich gewalttätige und noch gewalttätigere Straßengangs Untertan gemacht haben.
Der Film führt vor Augen, wie es überhaupt soweit kommen konnte, wie die Konflikte eskalierten, vor allem aber, wie einige Wenige mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit das Schlimmste verhinderten und so den Boden für eine Kultur bereiteten, die die Welt später als Hip Hop kennen und feiern lernen soll: ein ohne jede Einschränkung sehenswerter Streifen.
"Die Arbeit am Score war ein einziges Vergnügen", so Little Shalimar. "Zum ersten Mal hatte ich den Auftrag, Musik passend zu einem bestimmten Zeitraum zu machen." Operation gelungen. "Rubble Kings - The Album" birgt allerdings nur etwa zur Hälfte Originalmusik aus "Rubble Kings". "Inspired by the documentary", verrät der Untertitel über die Zusammenstellung. "Wir hatten das Gefühl, es sei immens wichtig, Rapper und Sänger ins Boot zu holen, die junge Leute heute auschecken können."
Little Shalimars hervorragende Beziehungen in Kollegenkreise bescheren dem Projekt so unter anderem Gastauftritte von Bun B, eXquire, Ka, Tunde Adebimpe oder Ghostface Killah. Killer Mike mischt sowohl ohne als auch mit Kollabopartner El-P mit: Run The Jewels bescheren der Dokumentation die Titelmusik. "Rubble Kings Theme (Dynamite)" zerrt erst ein bisschen an den Nerven, ehe es mit dem Vorschlaghammer draufhaut: ein fieses Brett, das nach Industrial klingt und zugleich, als wehe gerade der Wind über die Prärie.
Solche Kontraste zeigen Little Shalimars Meisterschaft: Er lässt aus seinen Reglern gleich im ersten Track "War" die Bronx der 70er auferstehen. Fetzen aus den Interviews, die "Rubble Kings" tragen, verwebt er mit Hundegebell, die Gleise entlang quietschenden Zugrädern und Sirenen zu einer dichten, schier greifbaren Atmosphäre.
Funk spielt überall eine tragende Rolle, es klingen in den Beats aber auch mannigfaltige andere Einflüsse durch: psychedelische Rockmusik, Soulvibe, Anflüge von Weltmusik und sogar Country, die Beatles, Sly & The Family Stone und Santana stecken drin. Die Produktionen schlagen trotz der vielen Reminiszenzen völlig unverkrampfte Bögen nach 2016, woran nicht zuletzt die Herrschaften Vokalisten die Schuld tragen. Das Konzept geht voll auf.
"Edge Of The Edge" könnte auch von der Budos Band stammen. Schwüle Dschungelsounds wecken in "Warrior Thang" das "Apocalypse Now"-Gefühl: Little Shalimar gebiert hier einen wahren Godzilla von einem Beat, dessen wuchtige Drums tiefe Fußspuren hinterlassen, während ihm in Form flirrender Tastenspielereien glitzernder Geifer von den Zähnen tropft.
Flöten und Percussion nehmen im viel zu kurzen Intermezzo "Comes With The Territory" Fahrt auf. Ghostface, Boldy James und eXquire lassen mit Raps mit Oldschool-Anstrich die viereinhalb groovy Minuten von "Same Damn Thang" ebenfalls wie einen Wimpernschlag wirken. Ka wirkt in "Delaney Card" zwar einigermaßen resigniert. Irgendetwas in der Stimme warnt aber, dass dieser Eindruck auch täuschen könnte. Vielleicht setzt der schwarze Panther gerade erst zum Sprung an.
Little Shalimar huldigt mit seinem Album "den tapferen Brüdern und Schwestern, die allen Widrigkeiten zum Trotz das Undenkbare taten, um Frieden zu schließen. Es ist außerdem ihren Söhnen und Töchtern gewidmet, die diese Herausforderung erst noch vor sich haben."
"The Revolution Might Be Televised". Zumindest hat ihr Shan Nicholson mit "Rubble Kings" ein Denkmal gesetzt, das nicht zuletzt seiner musikalischer Ausgestaltung wegen so plastisch ausgefallen ist, wie es dem historischen Verdienst der Ghetto Brothers gebührt. Die riefen nach dem Mord an einem der Ihren, den sie als Schlichter ausgesandt hatten, nämlich nicht zu den Waffen, sondern luden die Führungsriegen der relevanten New Yorker Gangs zum Stuhlkreis. Mit Erfolg: Auf dem frisch befriedeten Terrain keimte die Saat von Kool Herc, Afrika Bambaataa und Konsorten, schlug Wurzeln, wuchs und wächst noch heute. Irre Geschichte, irre Doku, irre Musik.
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