laut.de-Kritik

Liebloser Pop von den Produzenten von Bieber, Gomez und Co.

Review von

Lukas Rieger = Der deutsche Justin Bieber. Diese Formel wollen uns die Medien weismachen. Immerhin reimt es sich ja! Doch bis der Deutsche den Status des Kanadiers erreicht hat, fließt noch viel Wasser den Bach herunter.

Beim Debütalbum des Casting-Kindes hat man sich immerhin nicht lumpen lassen: Produzenten von Bieber, Selena Gomez und 50 Cent werkelten daran, um es international an den Mann zu bringen. Darum singt Lukas auch auf Englisch, damit er "in UK, Amerika, Worldwide Arenen füllen" kann, wie er selbst so schön sagt.

Der Minz-Tee-Liebhaber versucht sich direkt am Charme des Biebers in "Language" und scheitert an seinem unmotivierten Vortrag. Nicht wirklich der erhoffte Einstieg nach Maß. Die Single "Elevate" wirft im Anschluss daran die Unheil bringenden Schatten voraus mit Autotune, 08/15-Beat und Anbiederung an gängige Pop-Strukturen. Das Video dazu hat bislang schon über 17.000 negative Bewertungen kassiert. Können so viele Menschen irren? Absolut nicht, denn das infantile Acting wie ein fünfjähriger Schulhofgangster ist laienhaft. Das passt nicht wirklich zu seiner Ausbildung bei einer Filmproduktionsfirma.

"Bring Me To Life" überrascht zunächst mit einfacher Akustik-Gitarre und versuchtem Falsett-Gesang, der jedoch gehörig in die Hose geht. Selbst Autotune macht das nur noch schlimmer. Autotune ist sowieso der beherrschende Effekt, findet er fast auf jedem Track seine Verwendung. Das mag mancherorts cool klingen, wie z.B. bei T-Pain oder im Trap-Rap, aber bei Lukas Rieger täuscht es nicht über die schwache Stimme hinweg, sondern verdeutlicht das fehlende Volumen.

Bleibt der androgyne Blondschopf dagegen in seinem Stimmspektrum, hört sich das sogar erträglich an. Die Ballade "Human" distanziert sich vom stupiden Pop-Einerlei mit schlichter E-Gitarre und ruhigem Gesang. Lukas muss sich trotzdem mit "Love Yourself" von Justin Bieber messen, und da hat der Deutsche eindeutig das Nachsehen.

Rieger fehlt wohl die Lebenserfahrung, um über missglückte Beziehungen zu philosophieren, und wenn er es trotzdem macht wie bei "Complicated", wirkt er einfach nicht authentisch. Musikalisch gestaltet sich der Song extrem zäh mit seltsamen Streichern und einer unkreativen Bridge: 20 Sekunden lang säuselt der Mädchenschwarm "Nanana" ins Mikrophon. Etwas peinlich sind zudem die versteckten Großraumjubler in "Let Me Know", die gut besuchte Konzerte suggerieren.

Für Kopfschmerzen sorgt der Titeltrack, der voll von schnulzigen Versen und kitschigen Vergleichen ist: "Don't need my heart unless / imma use it like a GPS / It's gonna be my compass yeah / I need you, ohooo". Bei solchen Texten dürfte jedes Navigationsgerät versagen. Lyrisch so tief wie eine Pfütze nach einem Platzregen ist "All About You": "I come alive / when i look into your eyes / girl nothing else seems to matter / cuz girl, you get all the shine." Generell kommt beinahe kein Song ohne ein Ok Baby, Oh my love, Yeah oder Girl aus.

Die seichten Pop-Gewässer verlässt Rieger nur an zwei Stellen: "Run On My Love" versucht sich an Reggaeton mit Genre-typischer Tröte. Dazu hat man Kyle Massey engagiert, der einen hörenswerten Rap auf den Beat bringt. Schade nur, dass im Booklet lediglich 'Freestyle' steht, anstelle von Masseys Lyrics. "Low Life" von Future feat. The Weeknd steht anscheinend Pate für das Hip Hop-lastige "Find Me". Sowohl die Rap-Melodie als auch der Beat erinnern frappierend daran. Rieger bemüht sich zwar redlich, doch sein monotoner Sprechgesang und die gewollt tiefe Stimme überzeugen in keinerlei Hinsicht.

Ganz zum Schluss erlauben sich die Schreiberlinge sogar einen grammatikalischen Schnitzer: Im finalen "Let It Be" wispert Lukas die Zeilen "Live for the moment / Live it with me", im Booklet steht jedoch "Life for the moment / Life it with me". Das dürfte international agierenden Produzenten nicht passieren.

Eine Stunde Lukas Rieger am Stück ist wahrlich starker Tobak und so hart wie ein Jawbreaker aus dem Automaten. Vom sterilen und lieblosen Booklet, über die langweilige Produktion bis hin zum dünnen Stimmchen stinkt förmlich alles nach einem seelenlosen Pop-Produkt. Vielleicht ist die Zielgruppe mit ihren präpubertären Mädchen befriedigt und vergöttert den dünnen Hänfling, aber letztendlich ist er nur eine weitere Marionette im Musikbusiness.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Language
  3. 3. Elevate
  4. 4. Let Me Know
  5. 5. Echo
  6. 6. Bring Me To Life
  7. 7. Run On My Love
  8. 8. All About You
  9. 9. Complicated
  10. 10. Human
  11. 11. Show Me
  12. 12. Find Me
  13. 13. Compass
  14. 14. Poison
  15. 15. Runaway
  16. 16. Finally Made It
  17. 17. Number One
  18. 18. Let It Be

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