laut.de-Kritik
Man hofft beinahe auf die KI-Übernahme des Musikmarktes.
Review von Moritz LinkEs ist keine zu steile These, dass der Emo-Trap mit Lil Peep, XXXTentacion und Juice WRLD gestorben ist. Wer das einsah, verließ das sinkende Schiff, und so fand auch Trippie Redd nach einigen holprigen Gehversuchen ein neues Zuhause in der Rage-Musik. Mit Trip At Knight veröffentlichte er sogar eines ihrer stärksten Aushängeschilder, sein Verhältnis zum Emo-Trap gleicht seitdem einer toxischen On-Off-Beziehung. Im letzten Jahr kehrte er mit "A Love Letter To You 5" erstmals wieder für ein ganzes Mixtape in die emotionale Schiene zurück, vermutlich auch als Fanservice nach dem recht mau aufgenommenen "Mansion Music". Sein letztes Release "Saint Michael V2", der dritte Release aus dem Jahr 2023, stand recht chaotisch zwischen den Genres, weshalb es durchaus unklar war, welchen Sound Trippie in Zukunft ansteuern würde.
Machine Gun Kelly legte einen vollkommen anderen Karriereweg hin, als er von seinem belanglosen und ebenfalls auserzählten Badboy-Rap zu einem mainstreamtauglichen Pop-Punk gewechselt ist. Sein Manöver war deutlich konsequenter und letztendlich auch kohärenter als Trippies Redds hilfloser Versuch, sich von seinem ursprünglichen Sound endgültig zu emanzipieren. Nun treffen beide Entwicklungen zusammen, und es muss ausgerechnet wieder der tote Emo-Trap herhalten, um von den beiden Nekromanten für billigen Gefühls-Sellout ausgeschlachtet zu werden.
"genre: sadboy" ist eigentlich nur als EP angedacht, die zehn Songs mit einer knapp halbstündigen Laufzeit kratzen aber schon hart an der Albumgrenze. Der Titel klingt nach einem Augenzwinkern, von dem lässt das Projekt außer einigen unfreiwillig lustigen Lines aber wenig spüren. Die beiden Protagonisten sülzen sich stattdessen durch ein Geflecht aus generischen Texten auf generischen Beats, die Kommerzialisierung der eigenen Gefühle resultiert in konfusen Zeilen wie: "Have you ever fuckin' cried in a limousine?", "Your petty ass done hurt me to the bone / All this hurt, don't wanna even sing no singy songs" oder auch "Leave me out to dry and rot / Obviously I cry a lot". Vielleicht sind sie ja wirklich psychisch am Ende, dann aber auf eine unglaublich vermarktbare Weise. Es sind glattgebügelte Sad-Vibes, an die an keiner Stelle anecken oder über das hinausgehen, was man seit fast einem Jahrzehnt vorgesetzt bekommt.
Und ich könnte schwören, dass ich die meisten Songs genauso schon einmal gehört habe. Hier wurden keine Versuche unternommen, irgendetwas zu produzieren, das über billige YouTube Instrumentals à la "Trippie Redd Emo-Trap Type Beat" herausgeht. Dabei ist der ruhige Opener "Lost Boys" gar nicht so verkehrt, das nachfolgende "Beauty" liefert dann aber die künstlerische Bankrotterklärung, aus der das Projekt nicht mehr entkommt. Der wohl seltsamste Moment findet auf "Who Do I Call" statt, wenn auf einmal Rap-Mastermind JID als uncredited Feature erscheint, doch sogar er schafft es nicht, mgk und Trippie Redd aus ihrem kreativen Loch zu ziehen, vielmehr zerren sie ihn auf ihr Niveau herunter.
Möglicherweise fiel es den beiden nach kurzer Zeit selbst auf, dass der formelhafte Sound keine zehn Songs am Stück verkraftbar ist. Entsprechend gibt es drei Tracks komplett ohne Drums, und mit "Struggles" sogar eine seichte Pop-Rock Nummer. Das wäre vermutlich der stärkste Moment der Platte, würde nicht das nervige Pfeifen, die eindimensionale Produktion und peinliche Zeilen wie "I got drugs I don't need any friends" sämtliche Tiefe herausnehmen. "genre: sadboy" will authentische Gefühle zeigen, läuft aber konstant auf Texte und Beats heraus, die genauso schon millionenfach veröffentlicht wurden.
Man hofft beinahe auf die KI-Übernahme des Musikmarktes. Es wäre ein willkommener Mechanismus, der dieser voraussehbaren und damit generierbaren Art von Musik die kommerzielle Basis raubt, während Künstler mit neuen, eigenen Ideen und Konzepten nur bis zu einem gewissen Grad imitierbar bleiben. Damit wären auch MGK und Trippie Redd gezwungen, sich etwas eigenes auszudenken, anstatt das gestorbene Genre abermals aus seinem Grab zu hieven.
5 Kommentare mit 5 Antworten
MGK nehme ich das sadboy Ding genauso ab wie sein Punk image oder sein Versuch ein talentierter Rapper zu sein.
Also gar nicht, sollte klar sein.
Na ja wie soll das auch glaubhaft sein ?
Wenn ich mir das so anschaue macht man sich mehr Gedanken darum:
1. welche ausgefallenen Klamotten (am besten 3 Nummern zu groß) ziehe ich an. Schaue aber das ich trotzdem viel Haut (wegen der Tattoos) zeige.
2. möglichst gelangweilt schaue.
3. Man ne extrem coole Frisur habe (kurz und weiß oder Rasta Locken) hat
4. habe ich genug Piercings ?
Musik ? Nicht so wichtig und austauschbar. Also wieso sollte irgendjemand ernsthaft glauben das das alles ernst gemeint ist.
Dass es ernsthaft Trottel gab, die MGK als den Retter der Rock/Punkmusik gefeiert haben, sagt viel zu viel über den Zustand der Genres und den Anspruch der Fans aus. Alles, was der Kerl bewirkt hat, ist das irgendwelche Tiktok-Fuckboys, die vor 3 Jahren noch Trap gehört haben sich die Haare bunt färben und denken, Depressionen, Drogensucht und Narzissmus würden sie bei den Mädchen cool und sexy wirken lassen.
Fairerweise muss man sagen, dass es nicht selten funktioniert.
On point.
Naja . Anspruch ? Was für ein Anspruch. Man feiert alles ab egal wie sinnentleert und aufgesetzt es ist.
Also bekommen sie genau das was sie verdienen . Nicht mehr und nicht weniger.
die Poppunktplatten waren keine Meisterwerke, haben aber durchaus spaß gemacht.
Machine gun Kelly, größte Lachnummer.
Trippie sieht aus, wie eine KI-erzeugte Fotomontage von Greta und Lil Wayne und mgk hat sich im Laufe der letzten Jahre komplett verloren, wie die Relevanz, die er nie wirklich bekommen hat. Eine EP die halt da ist, die aber wirklich niemand braucht.
papercuts ist ein unfassbar geiles lied geworden. blink, sum41 und greenday würden einen schwanz lutschen, um so ein lied noch produzieren zu können