laut.de-Kritik
Führt der Welt vor, mit welchen Mitteln man zur Pop Queen wird.
Review von Michael SchuhGHV2. Geheimnisse um Madonna werden nur gelüftet, wenn die Grand Dame es so will. Das passiert selten. Zur Belohnung wird sie heute als strahlende Ikone der Popkultur angehimmelt. "Greatest Hits Volume 2" ist die einfallsreiche Lösung des kryptischen Codes und diesmal will sie uns. Erinnern an ein Jahrzehnt, in dem sie Grunge überlebte, ein eigenes Label gründete und immerhin vier Studioalben veröffentlichte.
Alles beginnt dort, wo ihre letzte Best Of endete, die 1990 großspurig als "makellose Kollektion" betitelt wurde. "Erotica" heißt zwei Jahre später das erste Werk im neuen Jahrzehnt. Madonna gibt sich düster und groovebetont, was vor allem auf die Beat-Programmierung des 80er Jahre Kult-Remixers Shep Pettibone (Pet Shop Boys, Depeche Mode) zurückzuführen ist, der der Öffentlichkeit schon mit dem '90er Hit "Vogue" eine clubtaugliche Madonna vorstellte.
Das ravige "Erotica" inklusive laszivem Stöhnen und Flüstern wird zum umstrittenen Floorfiller. Bereits geschult im Hauptfach Selbstinszenierung hievt Madonna ihren begehrten Körper vor sämtliche Kameras und macht ihre Intimsphäre zum voyeuristischen Allgemeingut. Zudem erscheint mit "Sex" ihr erster zügelloser Fotoband. Der "erotische" Longplayer platziert sich mit Rang Fünf in den Charts nur einen Platz schlechter als die '94er Scheibe "Bedtime Stories". Mit dem spanisch angehauchten "Secrets" und "Human Nature" sind darauf zwei sehr legere Lounge Bar-Songs vertreten, die die gereifte Madonna bereits ankündigen. Das in Zusammenarbeit mit Björk entstandene "Bedtime Story" darf hier nicht fehlen.
Auf "Don't Cry For Me Argentina" aus dem Andrew Lloyd Webber-Musical "Evita" hätten wohl die meisten gerne verzichtet. Doch bereits hier drängt Madonna zielsicher in den Diven-Kontext, indem sie nicht nur den Titelsong übernimmt, sondern die berühmte Frauenrechtlerin persönlich auf der Leinwand verkörpert. 1998 ködert die wache Pop-Heldin den Produzenten William Orbit (Blur, Prince) für "Ray Of Light". Mit ihm beginnt ihre Von-Null-Auf-Eins-Album-Zeit. Behutsam eingesetzte Elektronik lässt Madonna prätentiös schluchzen ("The Power Of Good-Bye"), modern schmachten ("Frozen"), nur das Rocken ("Ray Of Light") kann ihr auch Orbit nicht beibringen.
Das erledigt 2000 der French Electronic Wizard Mirwais, auf dessen Mist der Knaller "Music" gewachsen ist, Madonnas größter Clubfeger seit "Like A Virgin". Auch wenn die Kollektion kompositorisch nicht so makellos wie ihre 90er Scheibe ist; in einer Zeit, in der sich Jacko wundert, warum er nicht mehr angesagt ist, war sie überfällig. Mit "GHV2" wird der Welt noch einmal vorgeführt, mit welchen Mitteln es Madonna zur umjubelten Pop Queen schaffen konnte. Schließlich wäre ohne sie bis heute Neil Young der einzig coole Cowboyhut-Träger.
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