laut.de-Kritik
Die Wiedergeburt der Madonna.
Review von Rinko HeidrichSo schön wie ein Botticelli-Gemälde wirkt das Cover von "Ray Of Light". Madonna Ciccone wirft dem Betrachter einen geheimnisvollen Blick zu, fast schon scheu und verletzlich. Ungewohnt für die Künstlerin, die zuvor noch äußerst selbstbewusst und auch gerne provokant auftrat. Die Achtziger und Madonna, das war lange Zeit eine perfekte Symbiose, doch das nachfolgende Jahrzehnt meinte es mit seinen ehemaligen Superstars nicht gut. Seattle-Grunge und der wieder neu belebte Punk-Ethos wollten keine Superstars mehr, und Madonna fiel lange Zeit darauf keine Antwort ein.
Ein bemüht provokantes "Sex"-Buch und langweilige Musical-Balladen sorgten dafür, dass Amerikas Pop-Ikone zwar kommerziell nicht komplett unterging oder aus der Klatschpresse verschwand. Doch in musikalischer Hinsicht verlor sie immer mehr ihre Relevanz. Genau der richtige Moment, erst einmal alles neu zu überdenken. Die Geburt ihres ersten Kindes Lourdes gab Anstoß für eine neue Ausrichtung, auch in privater Hinsicht. Das Bedürfnis, ständig im Mittelpunkt zu stehen, rückte nun für diesen kleinen Menschen in den Hintergrund.
"I traded fame for love without a second thought / It all became a silly game, some things cannot be bought / I got exactly what I asked for, wanted it so badly / Running, rushing, back for more, I suffered fools so gladly / And now I find, I've changed my mind" heißt es in dem ersten Song zu "Ray Of Light". Auf den Alben zuvor waren dort noch knackige Ansagen wie "Papa Don't Preach" zu hören, nun leitete eine Abrechnung mit der eigenen Rolle und die Suche nach wahrer Erfüllung das vierte Album ein.
Nicht nur die Ansichten klangen runderneuert, auch ein ruhiger Downtempo-Sound verdrängte die Erinnerung an ihre quietschbunten Teenager-Hymnen wie "Holiday". Die Stimme klang nun reifer und vor allem nachdenklicher, der fast schon sphärische Sound von Produzent William Orbit so unaufdringlich wie möglich in den Hintergrund gemischt. Die Entscheidung für den kauzigen Briten, der lieber an nerdigen Dance-Ambient-Projekten arbeitete und keine klassische Musikausbildung genoss, erwies sich als großer Glücksgriff. Wie auf dem Nachfolger "Music" holte Madonna sich einen kongenialen Partner ins Studio, der die mutigen Songideen ausarbeitete.
"Frozen" verband die harten Industrial Beats von Nine Inch Nails mit majestätischem Soundtrack-Feeling. Auch wenn die Nummer heute durch Dauerberieselung im Lokalradio extrem an Reiz verloren hat, klang sie 1998 für einen Mainstream-Act sehr progressiv. Die Entscheidung, für das düstere Video einen kontroversen Regisseur wie Chris Cunningham zu beauftragen, passte trotzdem in diese Phase des mutigen Ausprobierens. Der exzentrische Regisseur, dessen verstörende Clips auf MTV ins Nachtprogramm verschoben wurden, hielt die Anfrage erst für einen blöden Witz, war aber dann doch von dem überraschend dunklen Song über Depressionen und Einsamkeit fasziniert.
Selbst Amerika, das Madonna so gerne in seinem wertkonservativen Weltbild schockte, schien nun Ende der 90er auch bereit für elektronische Sounds. Allgemein zeigt sich die Musikszene kurz vor dem Millennium offen für neue Einflüsse. Metallica ließen die Jeans-Kutte im Schrank hängen und arbeiten mit Alternative Rock-Einflüssen, während The Prodigy mit ihrem lauten Rave-Rock weltweit die Spitze der Charts erklommen. Es herrschte ein Geist von Experimentierfreude und Veränderung.
"Ray Of Light" scheint für Rock-affine Hörer, die damals gerade in Amerika in der Überzahl waren, extrem innovativ, aber bildet letztendlich auch nur die Strömungen ab. Die Verschmelzung von Genres hat, bis dahin unbemerkt vom Radiohörer, längst stattgefunden. Doch kommen bei vielen Experimenten nicht zwangsläufig gute Ergebnisse heraus. Die große Stärke von "Ray Of Light" bleibt sein absolut organischer Sound, den das Dreamteam Madonna, Orbit und Marius De Vries nahtlos ineinander fließen lassen. Es folgt eher der Logik eines Dance-Konzeptalbums, das mit geschickt eingestreuten Samples und Beats den Puls langsam antreibt und in die Clubs statt Stadien connecten möchte.
"Skin" oder "Shanti / Ashtangi", was passend zum Album Ruhe/Unruhe bedeutet, klingen wie Songs von Underworld und saugen alles auf, was genau zu dem Zeitpunkt in der Trendhauptstadt London den Puls der neuen Electronic Music ausmacht. Das Revival von Sixties Musik bringt auch wieder den Sound von indischer Musik in den britischen Musikkanon zurück und gilt wieder als hip. Auch "Swim" verbindet die Psychedelic-Vergangenheit von Swingin London mit dem Sound des ausgehenden Jahrhunderts, ebenso vernimmt man deutlich ein "Strawberry Fields"-Zitat in "Candy Perfume Girl".
Solche Spiele mit Stilen mögen heute komplett normal sein, waren im Bereich des Pop-Mainstream damals aber gewagt und neu. Die Lust am riskanten Spiel vertreibt die verkrampfte Suche nach einem Radio-Hit. Der Musikautor Rob Sheffield behält absolut recht, wenn er diesem Album in der heutigen Zeit kaum noch eine Chance gäbe, auch wenn dank Billie Eilish wieder eine Downtempo im Mainstream einsetzt. "Ray Of Light" ist kein Album für Playlist-Skips und Instant-Hooks, weil es noch aus einer Album-Epoche stammt, in der noch die Hörgewohnheit außerhalb von Streaming-Überforderung so einem Experiment die Chance gab. Fast 45 Sekunden, bis in "Drownded World" überhaupt die Stimme einsetzt, ist im aktuellen Mainstream-Sound kaum noch möglich. Erstaunlich wenige Songs auf "Ray Of Light" waren große Hits, während das Album 16 Millionen mal über den Ladentisch ging.
Den letzten Song "Mer Girl" umhüllt nur noch eine gespenstische Stripped Down-Atmosphäre. In einer meditativen Ruhe reflektiert Madonna fast in Gedichtform über Vergänglichkeit und vor allem den Tod ihrer Mutter. Der vielleicht intimste und reduzierteste Song offenbart die Seelenwelt von Madonna, die bis dahin gerne ewig jugendliche Pop-Illusion als Schutzschild benutzte. "And I smelled her burning flesh / Her rotting bones, her decay / I ran and I ran / I'm still running away." Die Flucht vor sich selbst hielt Madonna mit "Ray Of Light" für einen Moment an. Schade, dass dieser Moment der Erkenntnis nicht lange genug hielt, denn bei den meisten Alben danach holte die Gravitation die transzendente Pop-Göttin in den allzu irdischen Weltenlauf zurück.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
14 Kommentare mit 47 Antworten
Faster than the speed of light she's flying ... Das erste Mal, dass sich die Ciccone komplett neu erfand. Alterslose Musik mit einem überraschenden Ansatz an Tiefgang. Jammerschade, dass sie von diesem Niveau im Moment weit entfernt ist.
Für mich definitiv ihr bestes... allerdings ist es in Foto-Finish... auf Platz 2 drängeln sich für mich "Like a Prayer" und "Confessions on a Dancefloor" ...
Großartige Mischung aus hypnotischen Dance-Nummern und meditativen Ruhepolen. Immer noch richtig tolles, für Pop-Verhältnisse anspruchsvolles Songwriting. Bei "The Power Of Good-Bye" bekomme ich immer noch Gänsehaut.
Jap, mit Abstand ihr bestes und interessantestes Album.
Na toll, haben die Brüllis einen Nachahmer gefunden..
Wer von euch Pfosten hatn Madonna ausgegraben und geliftet?
Touched for the very first time?
hey mördermonstermuschi! schön, dass es dich nach 5 jahren mal wieder an den lautstrand gespült hat.
Wer warstn vor 5 -10 Jahren?
Aber schön, n Altuser. Wie krieg ichn die Fanliste editiert?
Die is ja nu so gar nicht up to date und son bissl peinlich hierund da.
"Wer warstn vor 5 -10 Jahren?"
glaub noch nicht ganz gelegentlicher mitleser ohne eigenen account. dieser hier is noch mein erster account, yeah.
hab in deinem profil gesehen, dass du das letzte mal vor 5 jahren was kommentiert hast...
"Wie krieg ichn die Fanliste editiert?"
in fanlist auf den artist klicken und dann, ja ähm ... kann man nur zum hater werden, "entfannen" geht scheinbar nicht? geht halt nur die negation der negation ^^
"dieser hier is noch mein erster account, yeah."
Lüge!
Ein Fall für den Ermittler.
damn, stimmt. nomansrap. wurde ja schon einmal gelöscht. 2. account. touché
aber aufgrund der namensähnlichkeit ist das gefühlt noch mein erster account. :heiligenschein:
Ich bin ja gerne Hater*in aaaaber...
Laut also immer noch fürn Arsch.
die editierfunktion hat gerade angerufen, sie verweilt noch ein bisschen in bielefeld ^^
€dith steht bei Penny und trinkt Adelskrone. Seit nunmehr 11 Jahren. Solange bin ich auf Laut 2.0.
Middm 1. Account btw.
Aaaaalte*r E-mail geht auch nich zu ändern...kotz!!!
Die is von meiner Ex und hoffentlich nicht mehr aktiv...dann liest die den Scheiß hier ja notgedrungen...hi Jana!
MUSCHLI, Allah - ich grüße Dich!!!
Ich hab zwar keine Ahnung wer du bist, aber wenn du dich 2009 angemeldet hast kennst du mich bestimmt noch als lautuser. Kannst gerne ma zum talken in den Chat kommen, ma einladen. Auch nomi ist weiterhin willkommen, sollte eh klar sein.
https://webchat.quakenet.org/
Der Kanal heißt #kahnal
Yo Mördi, Alde! Schön, dass Du da bist.
Bitte obacht beim Fake-Game, der Dödel über mir ist ein anderer altbekannter Fake-User hier
Also immer schön drauf achten:
argeRNongo ist Fake, argeMOngo ist der reale shit. Sieht man ja auch am Anmeldedatum..
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
komm in den Gromkychat nich mehr rein, schon probiert!
Kenn dich als Krautabuser! btw!
#gromky ist überover, yo. Der neue Kanal heißt #kahnal. Komm ran, Jounge!
Mörder, wenn der Kommentar richtig peinlich ist, ist er vom Original. So kann man das kinderleicht unterscheiden.
Was Dadboarder(Garry?) sagt. Dankeschön! :-*
Krig übrigens nichma IRC zum laufen....mIRC is nervig!
Möchte noch kurz hinzufügen, dass bei allem berechtigten Lob an die Beiträge von Orbit und de Vries die Beiträge von Madonnas altem Stamm-Songwriter/Produzenten Patrick Leonard nicht unterschätzt werden sollten. Ich vermute mal, dass der neue Sound eher weniger auf seine Kappe geht, aber einige der besten Songs des Albums stammen immer noch größtenteils aus seiner Feder.
Mit wenigen Ausnahmen (v.a. Candy Perfume girl/Shanti-Ashtangi) wirklich ein fantastisches Album!
Für die damalige Zeit sicherlich ein Bombenerfolg(srezept), passend auf den aktuellen Zeitgeist (Trance/Techno/Eurodance/Ambient) getrimmt.
Wenn ich rückblickend darüber nachdenke, kann ich mich vor allem an "The Power of Good-Bye" erinnern, das - auch Jahre nach 'Ray of Light' - im Radio rauf und runter gespielt wurde und mir bis heute einen soliden Madonna-Hit darstellt. Ich mag zudem die Melodien von "Substitute For Love", "Nothing Really Matters" und "Shangi/Ashtangi". Den Rest finde ich grässlich anbiedernd an die bereits in Klammern genannten, damaligen, "In"-Musikstile, die hier und da mit belanglosem Geklimper oder verzerrten Gitarrenriffs aufgepumpt bzw. deren Sound verändert wurden ("Nothing Really Matters", "Candy Parfüme Girl", "Shangi/Ashtangi").
Würde man mich nach einer Rezension des Albums fragen, fiele diese sehr kurz aus: Madonna hat sicher für den Mainstream, modisch betrachtet, neue Wege eingeschlagen und Performances geliefert, die ein wenig aus dem pop-konformen Rahmen fallen. Doch musikalisch ist, für mich, kein wirkliches Glanzstück dabei. Lyrisch ist Madonna am Tiefpunkt ihrer Karriere angelangt. Glücklicherweise hat sie diese Durststrecke mit 'Music' und 'American Life' wieder schnell aufgeholt. Ich vergebe noch gnädige 2/5 Sternen.