laut.de-Kritik

Where Maiden and Foreigner collide.

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"There's a stormlamp on the table / Throwing shadows to the gable". Im Kamin brennen die letzten Scheite, ein tapferes Kerzenlicht kämpft gegen die Dunkelheit und wirft sterbende Schatten an die Decke. "There's a chill wind at your back door / And the fire cracks on the damp floor / You hear footsteps but you're not sure". Waren das wirklich Fußtritte auf der Treppe? Die Wolldecke bis zum Kinn gezogen, versinken die Gäste immer weiter in ihren Sesseln und lauschen gespannt wie ein Elbenbogen der warmen, fast sanften Stimme von Magnums Bob Catley: "See the night sky super nova / Chase the cold moon passing over / Start the dragon's fire to smoulder / On a storyteller's night".

"On A Storytellers Night", der Titeltrack des gleichnamigen Meilensteins, ist Ende 1985 Karrierehöhepunkt, Hardrock-Klassiker und Bandrettung in einem. Fast traumwandlerisch sicher wechselt Gitarrist und Bandleader Tony Clarkin im fünf-minütigen Epos zwischen atmosphärischen Keyboard-Klängen, süchtig machenden Riffs, überraschenden Bridges und groovenden Uptempo-Parts. Catley übernimmt die Rolle des Erzählers. Ein Zauberer, der die Geschichten von Clarkin wie einen magischen Mantel um seine Zuhörer webt - auf dem Cover kongenial eingefangen von Rodney Matthews. Charismatisch, bodenständig und vertrauenerweckend zieht er im Gasthaus zum tänzelnden Pony mit kraftvollem, von Dio, Sam Cooke und Robert Plant beeinflussten Timbre selbst die zwielichtigsten Gestalten in seinen Bann: "From the poorhouse chimes indifferent / Seven towers seven sisters / Every blackheart walks the distance / On a storyteller's night".

"On A Story Tellers Night", der Opus Magnum, rockt rückblickend nur eine Stufe unter Jahrhundert-Liedern wie "Stairway To Heaven" oder "Smoke On The Water" und bildet als unsterbliche Ode den Kern vom recht spätem Durchbruch der Gruppe. In den Jahren nach dem Debüt 1978 haben sich Magnum zwar mit melodischen, leicht progrockigen Alltime-Material wie "Sacred Hour" oder "The Spirit" bereits eine treue Fangemeinde sowie einige Charteinstiege erspielt, doch 1983 geraten sie mit "The Eleventh Hour" in eine tiefe Krise.

Auf dem "On A Story"-Vorgänger fehlen die Hits, und so findet sich auf späteren Live-Werken "The Spirit" oder der "Wings Of Heaven"-DVD kein einziger Track des besagten Albums. Dass es trotzdem einmal – dank "The Prize" oder "The Word" - als Geheimtipp unter den Fans gilt, ahnt damals niemand. Platz 38 in den UK-Charts ist jedenfalls zu wenig für die gewachsenen Ansprüche von Jet Records. Das Label löst den Plattenvertrag auf. Die Pleite droht und Sänger Bob Catley sucht bereits nach neuen Engagements: Die neben Motörhead inoffiziell "hässlichste Band der Welt" steht kurz vor der Trennung.

1984 wendet sich jedoch das Blatt. Wie in jeder guten Story folgt auch nach einer vernichtenden Niederlage die Sonne. Keyboarder Mark Stanway, neben Catley kongenialer Gegenpart von Gitarrist Tony Clarkin, kehrt zurück und noch während der anschließenden UK-Tour 1985 feilt Tony motivierter denn je an neuen Songs. "Als wir das Album aufnahmen, waren wir total pleite und hatten nichts mehr zu verlieren. Ein Großteil der Platte wurde gar im Tourbus innerhalb von sechs Wochen geschrieben", so Clarkin im Interview mit dmme.net. FM Records bzw. Polydor beißen an, und da auch Catley glücklicherweise keine neuen Rollen ergattern kann, nehmen sie mit dem letzten eigenen Geld das Album "On a Storytellers Night" auf.

"They are the victims of the night, Ride against the Wind, born to loose the fight", von den ersten Zeile des Openers "How Far Jersualem" an entführen Catley und Clarkin den Zuhörer auf eine Reise zur Mittelerde der Musikwelt. Catley erzählt mit kraftvoller Stimme von fantastischen Abenteuern und Liebesdrama, während Clarkin bombastische mit rockigeren Parts so engmaschig hintereinander spinnt, dass sich die Stücke wie von Zauberhand zu einem magischen Gesamtbild vereinen. Jedes der zehn Stücke fast auf dem Level von "On A Storytellers Night" selbst.

"How Far Jerusalem", so mystisch und geheimnisvoll wie der Titeltrack, glänzt neben den intensiven Verse zur Pilgerzeit vor allem mit dem grandiosen Gitarrenspiel von Clarkin, das selbst nach Jahrzehnten noch unterschätzt wird. "Just Like An Arrow" fliegt geschmeidiger als Robin Hoods Bogenkunst über die grünen Hügel Englands, und das coole, mit kleinen, aber feinen Tempiwechseln versehene "Before First Light", "Steal Your Heart" und "Two Hearts" könnten sich selbst Jon Bon Jovi und Don Dokken noch für den perfekten Midtempo-Melodic-Rocker zum Vorbild nehmen.

Die melancholische Antikriegshymne "Les Morts Dansant" erzählt bildgewaltig von unsinnigen Stellungskriegen ("Cannons roared, in the valley they thundered / While the guns lit up the night / Then it rained and both sides wondered / Who is wrong and who is right?"). Das majestätische "Endless Love" erinnert mit filigraner Keyboard-Action an die Anfänge der Band, "All Englands Eyes" rollt mit schweren Riffs und Tom-Drums durchs wolkenverhangene, alte England, und die pianolastige Ballade "The Last Dance" schickt dann alle Gäste gebührend zärtlich ins Bett.

Der Sound bläst dabei überraschend wuchtig wie eine Reiterstaffel Rohans durch die Boxen. Mit einer traumwandlerischen Sicherheit, die der damaligen Krisensituation der Band spottet, kombinieren Magnum auf "On A Storytellers Night" zum ersten Mal britisch-metalische Schwere mit der Leichtigkeit des 80er AOR. Where Maiden and Foreigner collides. Selbst Metal-Journalistenlegende Götz Kühnemund verneigt sich vor dem einzigartigen Sound der Band: "Mit 'On A Storytellers Night' befanden sich die englischen Bombast-Rocker, deren Stil bis heute von niemandem auch nur annähernd kopiert werden konnte, zweifellos auf ihrem kreativen Zenit".

1985 auf der Erfolgswelle und dem allgemeinen Hardrock-Trend reitend stürmen Magnum immer weiter in den Mainstream. Das folgende, sechste Album "Vigilante" taucht - deutlich softer – tief in Märchenwelten ein, während "Wings Of Heaven" 1988 auf dem Höhepunkt des Hardrock nicht nur die Charts erklimmt, sondern mit "Don't Wake The Lion" auch einen wahnwitzigen zehn-minuten Monstertune enthält. Keine Frage, Ende der 80er stehen Magnum dank "On A Storytellers Night" auf dem Höhepunkt.

"Man kann sagen, dass 'On A Storytellers Night' der Wendepunkt in unserer Karriere war. Alle Erfolge, die danach kamen, wie 'Vigilante' oder 'Wings of Heaven', die wirklich extrem erfolgreich waren, sie alle fußen auf dem Erfolg dieses Albums. Wenn 'On A Storytellers Night' nicht so eingeschlagen hätte – ich weiß nicht, ob es Magnum dann heute noch gäbe", so Bob Catley 2016 im Interview mit Betreutesproggen.de.

Anfang der 90er, als Grunge und Indie den melodischen Hardrock aus dem Blickfeld und den Charts verdrängen, geht es auch mit Magnum wieder etwas bergab. Die Alben "Goodnight L.A.", "Sleepwalking" und "Rock Art" schielen – wenn auch wieder mit einigen wundervollen Songs versehen – zu sehr nach amerikanischen AOR-Gefilden.

1995 trennt sich die Band nach 20 Jahren, nur um 2002 wieder an neuen Songs zu arbeiten. Die alten Herren brauchen nur wenige Werke, um zu alter Stärke zu finden und erwecken vor allem mit "Escape From The Shadow Garden" (2014) und "Sacred Blood 'Divine' Lies" (2016) wieder die Magie alter Tage. Jene Magie von Geschichten und Melodien, die hoffentlich noch lang Menschen in atemloses Staunen versetzen und durch Träume in stürmischen Nächten führen wird. Magnum hatten es ja auf auch "On A Storytellers Night" einst versprochen:

"Keep your night light burning
I'll come through the wind and rain
Keep your night light burning
I'll be with you once again
"

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. How Far Jerusalem
  2. 2. Just Like An Arrow
  3. 3. On A Storyteller's Night
  4. 4. Before First Light
  5. 5. Les Morts Dansant
  6. 6. Endless Love
  7. 7. Two Hearts
  8. 8. Steal Your Heart
  9. 9. All Englands Eyes
  10. 10. The Last Dance

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LAUT.DE-PORTRÄT Magnum

Magnum bedeutet in der lateinischen Sprache "das Große". Sehr passend, denn die gleichnamige Band aus Birmingham gehört zu den wenigen echten Giganten …

5 Kommentare mit 15 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    hammertext für eine wahrhaft große rockplatte! chappeau, kollege wudo.

  • Vor 7 Jahren

    Habe leider noch nie was von Magnum zuvor gehört. Wird dank dem Meilensteintext sofort geändert. Guter Text!

  • Vor 7 Jahren

    Für mich kein Meilenstein, vielleicht ein gutes Album, mehr nicht. Drei Tracks die überzeugen (How Farbe Jerusalem, On a storyteller.. ,les morts dansant) reichen leider nicht aus

  • Vor 7 Jahren

    Hab Magnum damals nur als Eis am Stiel auf dem Schirm gehabt, hat bis heute angedauert sorry. Text erste Sahne. Kann es sein das Magnum bei Kritikern etwas besser weg kam und zwar schon immer als bei Fans, siehe einen über mir? Weil 2 Wochen tu ich mir das nicht an, ebenfalls sorry.

    Gruß Speedi

    • Vor 7 Jahren

      Du mussst schon auf Melodic (Hard) Rock oder AOR stehen. Magnum hatten vielleicht immer ein wenig das Problem, dass sie zu hart und ausufernd für die Melodic Rocker musizierten und zu weich für die Hartwurst-Fraktion. :-)

    • Vor 7 Jahren

      und das auch eher hier bei uns. in england und den usa stehen die eins zu eins auf einer stufe mit rock-genies, wie etwa russ ballard.

    • Vor 7 Jahren

      Also doch richtig! Hier in DE ticken bei solcher Musik die Leute anders und nur die die Übersicht haben (Rockzirkus weltweit), die sehen das wirkliche Potential. Dann mach ich da auch gleich eine These raus, nämlich das DE eine Insel ist und „die Insel“ einfach die besseren Musiker hat. Quasi ein eigenes Rockgen. DE = verkopft oft, GB und Rest = Melodie stimmt immer. Auch im Zusammenhang mit deiner These/Beschwerde in DE gibt es keine gescheiten Produzenten bzw. Erosion überall interessant.

    • Vor 7 Jahren

      Das wäre vielleicht interessant, wenn deine These nicht völlig absurd und aus der Luft gegriffen wäre.

    • Vor 7 Jahren

      Mag sein, haben Thesen oft an sich. Liegt in deren Natur. Ich unterstelle dem Anwalt ja auch das was du gerade anmerktest. Doppelter Boden und im Gegensatz zu dir bin ich mir sicher das er mir den nicht übel nimmt. Noch so eine These. ;)

    • Vor 7 Jahren

      Übel nehme ich dir das auch nicht, nur lächerlich finde ich es, wenn unter dem ersten Boden nichts ist außer Luft.

    • Vor 7 Jahren

      Wenigstens ein laues Lüftchen regt sich schon mal und wenn dann der zweite Boden den wahren Inhalt preis gibt. Ist so ähnlich wie Weihnachten, oft sind die netten Geschenke doppelt verpackt und es dauert länger bis die Überraschung zum Vorschein kommt. Du erinnerst dich? War doch schön damals? Wir sind hier auch beim Thema Meilenstein, angemerkt! Der übrigens wirklich diesmal gelungen ist und es wert ist das man da rüber redet.

    • Vor 7 Jahren

      Gelungener Text zu einem Album, das weder gut noch wichtig genug ist, um als Meilenstein durchzugehen.

    • Vor 7 Jahren

      So kann man gleich aufhören zu reden, zu lesen, Thesen aufstellen und überhaupt gibt es überall Klippen über die man sich einfach fallen lassen sollte. Sei es drum, ich danke dir Santiago für diesen wirklich wichtigen Beitrag bzw. die Arroganz sämtliches Wissen für sich allein gepachtet zu haben. Stützt meine These das die Musikliebhaber aus DE halt einfach verkopft sind und Musik als Aufforderung zum Mumientanz verstehen. Aber das ist dir sicher viel zu emotional und heiße Luft. Na wenigstens schön warm hast du es nun.

      Betonköpfe und wehe da kommt Luft dran, dann härtet der Beton schneller aus. Betondecken wenn mal durch gehärtet, halten bis zu 100 Jahre (gibt es eine DE - Norm zu, werden aber durch EU Standards immer weicher). Freue mich, dich also hier im Mai 2116 wieder begrüßen zu dürfen. Mach´s gut alter Freund.

      Das Ganze nach einem Mittagsschläfchen, es ist kein (Alp-) Traum gewesen. Wirklich bitter was aus deutscher (Musik-) Streitkultur geworden ist und von dir Santiago und anderen Gestalten schon längst einer Beerdigung zugeführt wurde. Möglichst eine Anonymengrab, dann spart man sich auch noch die Grabpflege.

      Könnte kotzen gerade...sorry!

    • Vor 7 Jahren

      Könnte auch einfach daran liegen, dass man mit dir eh nicht diskutieren kann. Du bringst keinen geraden Satz heraus und laberst nur Unsinn. Ich streite gern mit Leuten, die auch etwas zu sagen haben, aber nicht mit Affen wie dir, die immer mit dem gleichen Kot nach jedem werfen, der an ihren mistigen Käfigen vorbeigeht.

    • Vor 7 Jahren

      ihr beiden könnt so scheißanstrengend sein :D

    • Vor 7 Jahren

      Kann keine Anstrengung erkennen und ja Scheiße mag sein, da geht es mir aber auch nur wie jedem.

      Ursache und Wirkung

      Ach heult doch den Mond an, ich bin raus. Boring!

  • Vor 7 Jahren

    Hab die LP die Tage auf'm Trödel mitgenommen. Sah vom Cover nach Power Metal aus, zum Spaß für nen Euro wollt ich das jetzt nicht liegen lassen. Nach der Review bekomm ich grad echt Lust das Ding aufzulegen... Danke dafür!