laut.de-Kritik

Früher war ja alles besser.

Review von

18 Jahre sind seit der ersten Manics-Platte vergangen, die drei Herren aus Wales sind heute allesamt mittleren Alters. Trotzdem wirkt das neue Album jugendlich. Sänger und Gitarrist James Dean Bradfield hat da so seine eigenen Gründe: "Wir sind immer dann am besten, wenn unsere Songs aus fünfzig Prozent Dummheit und fünfzig Prozent hochmütigem Angebertum bestehen".

Mit "Postcards From A Young Man" gelingt ihnen tatsächlich der Spagat zwischen Nostalgie und Frische. Dies illustriert schon das Polaroid-Albumcover mit Schauspieler Tim Roth (aus dem 90er Jahre-Film "Reservoir Dogs"). Alles was ihnen in den Sinn komme, sagen sie, werde mit Leidenschaft in der Musik ausgelebt, von Sport über Kunst bis hin zu politischen Themen. Letztere stehen der seit jeher gewerkschaftsnahen Band besonders gut.

Der Opener "(It's Not War) Just The End Of Love" beispielsweise zementiert den bekannten Sound der Gruppe. Mit viel Pathos appellieren die Herren wie eh und je glühend an den Hörer. Schon hier ist klar: Dies sind immer noch die Manic Street Preachers.

Der titelgebende Track "Postcards From A Young Man" wendet sich dann aber doch deutlich zurück. Der Beat zusammen mit der mäandernden Melodie, der gezogene Gesang in der Bridge und das folgende Solo erinnern an Queen. Die werden am Ende so deutlich zitiert, dass man sogar meinen könnte, Freddie Mercury persönlich stünde am Mikro.

Noch weiter in die Vergangenheit führt das Duett mit Ian McCulloch von Echo And The Bunnymen. Zusammen mit dem Jugendidol und einem Gospelchor schaufeln die Manics einen großen Haufen Melancholie zusammen. Leider wirkt das Ganze spätestens nach zwei Dritteln etwas plump und gewollt.

Zum Glück weist "Auto-Intoxication" mit einem Krautrock-Beat mehr Kraft und Ausdruck auf. Wütend bleibt auch "Golden Platitudes", wo allerdings eine eher düstere, depressive Stimmung im Vordergrund steht und kein rebellisches Aufbegehren. Fast gerät die Musik zum unbedeutenden Beiwerk angesichts der Betonung des Textes.

Zusammen mit Duff McKagan (ehemals am Bass bei Guns N' Roses) kopieren sie für "A Billion Balconies Facing The Sun" den Sound des Klassikers "Go Your Own Way" von Fleetwood Mac und machen ihn wütender und anklagender. Hier ist der Rock noch handgemacht, komplett mit Solo. Noch mehr Wut gefällig? Am Ende von "Don't Be Evil" wird Googles informelles Firmenmotto zitiert und verzerrt.

Die Manic Street Preachers demonstrieren 2010, was sie noch drauf haben und woher sie kommen. Mitunter verlieren sie sich leider in ihrer Rückwärtsgewandheit und wirken bisweilen wie verbitterte alte Männer. Früher war ja bekanntlich alles besser, also spielt man auch Musik, die an damals erinnert.

Trackliste

  1. 1. (It's Not War) Just The End Of Love
  2. 2. Postcards From A Young Man
  3. 3. Some Kind Of Nothingness
  4. 4. The Descent - (Pages 1 & 2)
  5. 5. Hazelton Avenue
  6. 6. Auto-Intoxication
  7. 7. Golden Platitudes
  8. 8. I Think I Found It
  9. 9. A Billion Balconies Facing The Sun
  10. 10. All We Make Is Entertainment
  11. 11. The Future Has Been Here 4 Ever
  12. 12. Don't Be Evil

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