laut.de-Kritik

Das ganz große Drama von Liebe, Lust und Verlust.

Review von

Das "Varieté" der glanzvollen Geschichten machte 2010 die Tore dicht. Der wenig vom Glück geküsste Marc Almond hatte genug von selbst geschriebenen Songs. Stattdessen vertonte er in der Folge Gedichte von Genet, Rimbaud und Verlaine, stürzte sich in Theaterprojekte, arbeitete mit Tony Visconti, Jarvis Cocker und Carl Barat zusammen.

Erst Almond-Fanboy und Pop-Produzent Chris Braide (Lana Del Rey, Britney Spears, Beyoncé, David Guetta) schaffte es, sein unverwüstliches Idol umzustimmen. Hartnäckig schickte er dem ehemaligen Soft Cell-Frontmann neue Songs zu, bis dieser doch wieder zur Feder griff.

Freundlicherweise verzichtet Braide darauf, seinen Schützling in ein aktuelles Gewand zu kleiden. Stattdessen kuschelt er Almond in eine behagliche Kolter aus Synth-Pop und Chanson. Jenseits von Zeit und Raum bietet sich genug Platz, um in drei Akten von Liebe, Lust, Verlust und dem ganz großen Drama zu berichten. Im Mittelpunkt steht dabei die prahlerische Stimme des mittlerweile 58-jährigen Sängers, die seit "Tainted Love" um keinen Tag gealtert ist.

In keinem anderen Stück gelingt dies besser als in "Life In My Own Way". Überlebensgroß vereinigt der nachtfarbene Chanson Tragik, Melodieverliebtheit und Kabarett im Schunkeln eines Dreivierteltakts. Ein morbider Walzer voller Herzblut mit einem brillant aufgelegten, anbetungswürdigen Almond.

Leider halten die restlichen Songs dieses Niveau nur bedingt. Das kraftstrotzende "Minotaur" blüht erst dank Almonds üppiger Leidenschaft auf. Das betörende "Demon Lover" legt im Beat einen direkten Link zu "Where Did Our Love Go" und findet seine Inspiration im Soul der frühen Sechziger. Die melancholische Klavierballade "Scar" fährt schwere Geschütze in Sachen Dramatik und Orchester auf. Die anschmiegsame Melodie bleibt aber eine Nuance zu starr und entzifferbar, um wirklich zu bewegen.

Trotz einer nahezu perfekten Ausgangsposition zündet "When The Comet Comes", ein Duett mit Beth Ditto, einfach nicht. Zu fremd bleiben sich die beiden Stimmen. Während sich Almond galant zurückhält, fährt die Gossip-Sängerin die Ellbogen aus. Auf Zoff getrimmt, ringt sie den euphorischen, mit Sitarklängen durchzogenen Track allein mit ihrer überzogen marktschreierischen Präsenz zu Boden.

Leichtfüßig scharwenzelt sich Almond in "Pleasure's Wherever You Are" durch "rooms of red velvet and salons of silk", singt von "dragon boys and geisha girls". Der von Feenstaub umgebene Refrain führt ein weiteres Mal in glorreiche Soft Cell-Tage zurück. Das Titelstück "The Velvet Trail" pendelt sich an einem schrulligen Ort zwischen den Extremen von Julee Cruises mystischem Twin Peaks-Titelstück "Falling" und einer ebenso verzichtbaren wie kitschigen Rosenstolz-Ballade ein. Wehmütig wagt der Brite einen sentimentalen Blick zurück auf sein Leben.

Marc Almond bleibt auf "The Velvet Trail" feinfühlig, begierig und spleenig. Leider steht ihm mit Braide ausgerechnet die Person im Weg, die ihn erst aus der Reserve gelockt hat. Dessen blitzblanken Arrangements gehen oft nicht in die Tiefe, lassen Witz, Esprit und Energie vermissen. Letztendlich bleibt ein über weite Strecken gelungener Longplayer, dessen Kompositionen, "Life In My Own Way" ausgeschlossen, jedoch nie ganz mit der Intensität des Sängers mithalten.

Trackliste

  1. 1. Act One (Instrumental)
  2. 2. Bad To Me
  3. 3. Zipped Black Leather Jacket
  4. 4. Scar
  5. 5. Pleasure's Wherever You Are
  6. 6. Act Two (Instrumental)
  7. 7. Minotaur
  8. 8. Earthly
  9. 9. The Pain Of Never
  10. 10. Demon Lover
  11. 11. Act Three (Instrumental)
  12. 12. When The Comet Comes feat. Beth Ditto
  13. 13. Life In My Own Way
  14. 14. Winter Sun
  15. 15. The Velvet Trail
  16. 16. Finale (Instrumental)

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