laut.de-Kritik
Welcher Sender soll diesen Rotz spielen?
Review von Dani FrommWen möchte man mit diesem Album eigentlich für blöd verkaufen? Eine Frage, die einem schon in Gestalt des allzu offensichtlich ge-photoshop-ten Covers mit dem nackten Arsch voran ins Gesicht springt. Das Einzige, das sich Mariah Carey nicht vorwerfen lässt: Inkonsequenz.
Die bis zur anatomischen Unmöglichkeit verschlankten Aufnahmen der angeblichen Diva ziehen sich wie ein roter Faden durchs Klappcover. Das Booklet - eine Mini-Extra-Ausgabe des Magazins Elle, die an Unleserlichkeit und Werbedichte dem Original in nichts nachsteht - brüllt Seelenverkauf.
Die Verpackung passt zum Inhalt. Musikalisch zählen die "Memoirs Of An Imperfect Angel" zum Langweiligsten, Inhaltsleersten, Überflüssigsten und Ärgerlichsten, das ich seit langer Zeit ertragen musste. Selten wurde versucht, der Kundschaft ausgezulltere Wurstpellen anzudrehen - immerhin halbwegs stilecht statt in alte Zeitung in abgegriffene Hochglanz-Illustrierte gewickelt.
Nie im Leben kämen Society-Hühner wie Mariah Carey doch auf den Gedanken, sich ihre Klamotten für den großen Gala-Auftritt bei C&A zu besorgen. Warum dann ein Album, das schließlich die Visitenkarte einer Sängerin darstellen sollte, komplett von genau den Produzenten zusammenschustern lassen, die nahezu jeder Kollegin, die sich nur halbwegs auf ähnlichem musikalischen Gebiet versucht, die "Hits auf den Leib schneidern"?
An Christopher 'Tricky' Stewart und The-Dream scheint im zeitgenössischen R'n'B kein Vorbeikommen. Von Beyoncé bis Rihanna bedienen sich die Damen im Dutzend in ihrer Beatwerkstatt. Warum nur, warum? Anstelle von Maßanfertigungen setzt es hier Beats von der Stange.
Statt die zweifellos vorhandenen Besonderheiten der jeweiligen Stimmen ihrer gesangsbegabten Klientel zu unterstreichen, verstecken die beiden Herren diese in Kartoffelsäcken, grob gewebt aus immer den gleichen Versatzstücken: Klavier, dicke Bässe, wahlweise Fingerschnippen oder Synthieclaps, Streicherkitsch aus der Retorte und, das Sahnehäubchen der klanglichen Scheußlichkeiten, Chimesgeklingel. Einmal den Stempel "Hitgarant" aufgedrückt bekommen, kann man sich, so scheints, alles erlauben.
Im Fall Mariah Carey, die im Vorfeld einen Streit ums Sandschäufelchen der Aufmerksamkeit mit Eminem anzettelte (oder doch zumindest genüsslich zelebrierte), garniert man die ausgelutschte Mixtur noch hier und da mit Anbiederei an den Dirty South ("Ribbon") oder "Hey! Ho!"-Anfeuerungsrufen (wie in "Inseparable").
Mal ehrlich: Was soll das? Wie hat man sich die zugehörige Szenerie vorzustellen? Mariah im weißen Nachthemdchen oder güldenem Wickeltop, im Hintergrund stehen die finster dreinblickenden Homies mit verschränkten Armen um die brennende Tonne und feuern sie an? Äußerst stimmiges Bild ...
Immerhin: "Obsessed", die (zu Hülf!) "Abrechnung" mit Slim Shady, bietet die einzige Nummer, die einen Hauch schneller zur Sache geht. Die gibt es dafür gleich in diversen Bonusversionen, die sich lediglich in der Basslastigkeit minimal unterscheiden. Ich wusste ehrlich nicht, wo man abseits des Repertoires der durchschnittlichen Bontempi-Orgel heute noch solche Plastikbeats herbekommt. Aber, nein: "Radio Edits" werfen die Remixer hier ins Rennen. Möchte wissen, welcher Sender diesen Rotz spielen soll. Schlumpftechno FM?
Abgesehen von "Obsessed" schlafen einem zu Beginn des Albums die Füße ein und wachen - beneidenswerte Treter! - auch nicht mehr auf. Mariah Careys an sich facettenreiche Stimme erstickt im immer gleichen Korsett. Variationen in Instrumentierung oder Tempo? Fehlanzeige.
Noch nicht einmal für die Neuverwurstung der Foreigner-Schnulze "I Want To Know What Love Is" fällt den beteiligten Herrschaften mehr ein als (wieder einmal) Pianogeklimper und Fingerschnippen. Mariahs Stimme kippt hier, konfrontiert mit theatralischem Choraufgebot, wie es ein Dieter Bohlen nicht schablonenhafter hingekriegt hätte, vollends ins Quietschige.
"Go, DJ, play my song", heißt es in "Candy Bling". Man sollte die Aufforderung im Hinterkopf behalten. Als Rausschmeißer dürfte die Ansammlung uninspirierter Schmachtfetzen auf "Memoirs Of An Imperfect Angel" schwer zu schlagen sein.
68 Kommentare
Ey, das ist Miss Mariah Carey. Die Frau, die ihre Stimme aus ihren Brüsten holt.
Aber es stimmt. Mariah Carey-Songs klingen irgendwie immer gleich. Zumindest mal ist es immer die gleiche Songstruktur.
Intro - Verse - Chorus - Verse - Chorus - Chorus (Oktave höher).
oh .. schön .. endlich mal ein Veriss einer völlig irrelevanten Platte hier bei laut.de .. in dieser Woche fast eine Seltenheit .. bin dann mal bei intro oder wo auch immer ..
Yes, laut.de ist der Shit - genau diese Review wollte ich vorschlagen, wie die Gedanken lesen können, ey..
@PKingEnte («
warum sind in den plattenreviews vom MTV Teletext immer auszüge aus laut.de rezensionen drin?! »):
DIE dürfen das. »):
warum? »):
Ich nehm der gestressten Dani mal die Arbeit ab: Weil die so einen überlassungs-verwurstungs-redaktions-copyright-superparagraphen-Vertrag mit denen haben, in dem das so geregelt ist.
Oder willst Du hier etwa Mitglieds-Gebühr bezahlen, HMMMMMMMMMMMMM?
@Infinite (« Dazu fällt mir NIX mehr ein. »):
dafür schreibste aber ne menge grütze.
Ich war früher im großen und ganzen ein Fan von den Reviews von Dani Fromm... aber wenn ich das jetzt noch mal lese, mit bisschen Abstand, ist es nur zu begrüßen dass sie nur noch vereinzelt Reviews schreibt. Das ist wahrscheinlich eine der substanzlosesten und schwachsinnigsten Reviews die ich gelesen habe. Unterhaltungswert ist ja ok, aber einen Künstler unnötig zu bashen, vor allem wenn es komplett an der Realität des Albums vorbeigeht, ist echt arm.
Ich höre das Album grad wieder, und zehn Jahre später lässt sich sagen, dass es ein fantastisches, zeitloses R&B-Album ist, wahrscheinlich das einzig wirklich gute Album das Carey in den letzten 20 Jahren produziert hat (dazwischen war tatsächlich sehr viel Schrott dabei). Zwar ohne große Experimente, aber dafür extrem authentisch, mit vielen warmen Piano-Sounds, prägnanten Grooves, und exzellent produziert (zugegeben mit simplen Soundelementen, aber dafür extrem stimmig und gekonnt aufeinander abgestimmt). Selten gab es in den letzten 20 Jahren wohl ein so straightes, unaufgeregtes und direktes R&B-Album, das nach so langer Zeit noch so hochwertig und zeitgemäß klingt.
Für jeden Fan von Classic R&B ein absolutes Muss.