laut.de-Kritik

Marianne geht weit zurück, bis "1934 in Dusseldorf".

Review von

Bei Amazon wird gerne zusammen gekauft: Faithfulls "Easy Come, Easy Go" und "Hurricane" von Grace Jones. Klingt logisch: Beides Frauen um die 60 mit außergewöhnlichen Stimmen. Also das weibliche Pendant zu Tom Waits und Ozzy Osbourne, irgendwie. Von den musikalischen Welten, die beide Künstlerinnen trennen mal abgesehen, waren auch die Erwartungen an deren Alben grundverschieden.

Die eine hat 16 Jahre lang gar nichts gemacht, die andere, Marianne Faithfull übrigens, veröffentlichte 2004 mit "Before The Poison" unter der fürstlichen Ägide von PJ Harvey, Nick Cave und Damon Albarn sowas wie ein goldenes Alterswerk.

Beibehalten hat sie auf "Easy Come, Easy Go" die Freude am Kollaborieren mit verschiedenen Gästen, was man sich seit ihrem "Kissin Time"-Album anders sowieso nicht mehr vorstellen kann.

Enorme 18 Songs sind dabei entstanden, allesamt Coverversionen, die das jeweilige Original zwar nicht immer übertreffen, den spröden Glanz der Faithfull'schen Stimme aber in gewohnt reputierlicher Güteklasse transportieren.

Der Grand Dame nun vorzuwerfen, ihre stargespickte Vorstellung schiele mit mehr als einem halb geöffneten Auge auf größtmögliche Öffentlichkeit, und dies noch zu Lasten eines homogenen Gesamtsounds, greift ins Leere - schon angesichts der stilistisch kräftig divergierenden Songs.

Leonard Bernstein, Black Rebel Motorcycle Club, Dolly Parton; absolut niemand ist hier vor der früheren Stones-Muse sicher. Nicht mal Keith Richards selbst, mit dem Marianne ganz am Ende das Merle Haggard-Stück "Sing Me Back Home" in eine wehmütige Ballade transferiert. Dass die Stimme des Mannes, der Marianne vor 44 Jahren ihren ersten Hit schrieb, songdienlich etwas leiser gemischt wurde, ist nur eines der Details, auf die Produzent Hal Wilner großes Augenmerk legte.

Vor allem aber begeistert die hörbare Stille, die Songs wie das meisterliche "Solitude" (von Duke Ellington) oder das achtminütige Album-Juwel "Children Of Stone" (mit einem waidwunden Rufus Wainwright) wie ein Schleier zu überdecken scheint. In diesen Momenten klingt Faithfulls einnehmende Stimme um Längen dringlicher als etwa in der Decemberists-Adaption "Crane Wife 3" (mit einem reservierten Nick Cave) oder dem einzigen Indie Rock-Stück "Hold On Hold On" (nur für den Refrain eingeladen: Cat Power).

Im Wissen um die Komplexität ihrer ausgesuchten Beiträge, stellte Faithfull der gesammelten Journaille im Vorfeld ausschließlich Doppel-Vinylschallplatten mit durchdachter Song-Reihenfolge zur Verfügung. Der Albumtitel-Zusatz "18 Songs For Music Lovers" dokumentiert den aufklärerischen Impetus der Schöpferin.

Dass das Album nun auch auf CD erscheint, wäre an sich nicht beklagenswert, wenn man die Reihenfolge beibehalten hätte. Nicht nur auf Kenner der Vinylversion muss die Doppel-CD allerdings äußerst diffus wirken. Kein Wunder: Um auch eine Einzel-CD verkaufen zu können, wurden hierfür wahllos zehn Songs ausgewählt und die übrigen acht für Doppel-CD-Kunden auf eine zweite Disc geknallt.

Damit werden nur Vinylbesitzer in den intensiven Genuss des Schauer-Tryptichons "Ooh Baby Baby", "Kimbie" und "Children Of Stone" kommen (oder findige MP3-Käufer, die sich die Vinyl-Reihenfolge programmieren natürlich).

Randy Newmans "In Germany Before The War" klingt in Mariannes Version noch angsteinflößender als beim Altmeister, schon alleine ihre Betonung von "Dusseldorf".

Von ihren jazzigen Ausflügen bleibt besonders das virtuose "Black Coffee" haften, das exemplarisch für die hohe Qualität ihrer Mitmusiker ist und die Interpretin selbst in den Rang einer klassischen Chanteuse stellt.

Dass sie von Morrissey ausgerechnet die sakrale Ballade "Dear God Please Help Me" auswählte, die sie (aus Ehrfurcht?) kaum veränderte, enttäuscht etwas. Viel besser gelingt ihr die Black Rebel Motorcycle Club-Adaption "Salvation" (vom Debüt), in der sie ebenfalls das Original-Tempo drosselt und sich mit Sean Lennon zu einem beherztes Duett empor schwingt.

Nach dieser in Auswahl und Interpretation geradezu Rick Rubin-haften Vorstellung, warten wir jetzt eigentlich nur noch auf ihr reines Akustik-Album. A voice and a guitar, mehr brauchts auch hier nicht. So long, Marianne ...

Trackliste

  1. 1. Down From Dover
  2. 2. Hold On Hold On
  3. 3. Solitude
  4. 4. The Crane Wife 3
  5. 5. Easy Come, Easy Go
  6. 6. Children Of Stone
  7. 7. How Many Worlds
  8. 8. In Germany Before The War
  9. 9. Ooh Baby Baby
  10. 10. Sing Me Back Home
  11. 11. Salvation
  12. 12. Black Coffee
  13. 13. The Phoenix
  14. 14. Dear God Please Help Me
  15. 15. Kimbie
  16. 16. Many A Mile
  17. 17. Somewhere
  18. 18. Flandyke Shore

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