laut.de-Kritik

Allererste Priorität: Palettenweise Geld machen.

Review von

Zehn Jahre im Geschäft, Album Nummer zehn: Das Gefühl lässt sich schwer abschütteln, zum Thema Massiv längst alles geschrieben zu haben. Mehrfach. Vielleicht ist das aber gar nicht so schlimm: Massiv selbst wiederholt sich ja durchaus auch selbst. Sehr gerne, und, ja: mehrfach.

Inhaltlich lässt sich der Drops "M10" in Rekordzeit lutschen. "Totgesagte Leben Länger": Entgegen allen Prognosen und zahllosen Widrigkeiten ist Massiv immer noch da, verbrennt die Mics, plustert sich zum "Raubtier" auf und deklariert alle anderen zu schäbigen "Aasfressern". Im Vorübergehen setzt er einen Rolls Royce gegen die Wand, fickt ein paar Mütter und outet sich als Bewunderer von Franck Ribéry.

Wer seinen Werdegang noch immer nicht auswendig herunterbeten kann, bekommt Massivs wechselvolle Karriere - vom Demo über Basstards Horrorkore Entertainment zu Sony und schwungvoll zurück in den Untergrund - in "BGB X" noch einmal aufs Brot geschmiert. Die obligatorische Liebesschnulze, die sich inzwischen offenbar jeder harte Max aus den Rippen leiern muss, heißt hier "Mein Hellster Stern Am Himmel".

"Allererste Priorität - daraus macht Massiv allerdings gar keinen Hehl - genießt die Romantik dann aber doch nicht, wohl aber: "Palettenweise Geld machen", denn: "Ohne Cash Geht Nicht". Schon gar nicht, wenn man die Frage: "Knast Oder Palast" für sich längst beantwortet hat. Einzig "Meine Bullenmarke Glänzt" versucht sich an einem Perspektivwechsel, nur dass sich der korrupte, gewaltbereite Cop vom geldgeilen, gewaltbereiten Gangster, dessen Maske Massiv sonst trägt, halt auch keinen Millimeter entfernt. So weit, so langweilig, leider.

Irgendwie hatte ich mir wenigstens das eine oder andere völlig übergeschnappte Durchdreh-Szenario erhofft, wie es "Blut Gegen Blut 3" reichlich zu bieten hatte. Statt dessen bekomme ich neben den mittlerweile doch schon ziemlich ausgeleierten Prototyp-Posen einen kaum verschleierten Fler-Diss, eine gar nicht verschleierte Werbung für das Proteinpulver, für das Massiv penetrant Werbung macht, und obendrein die bahnbrechende Erkenntnis serviert, dass mindestens 99 Prozent aller anderen scheiße sind.

Das soll, wie Massiv im Interview mit rap.de beteuerte, "zukunftsorientiert" sein? Oder meinte er damit den Sound? Wenn ja, dann sieht, auch was das betrifft, die Zukunft düster und öde aus. Die Beats stammen fast durchgehend von Abaz und passen prächtig zu den allseits beschworenen breiten Schultern, zum breitem Kreuz und den breiten Reifen.

Schwachbrüstig klingt hier gar nichts, allerdings scheint mir der Baukasten, aus dem Abaz seine Instrumentals zusammensteckt, doch sehr dürftig bestückt zu sein: dicke, träge tropfende Bässe und schnarrende Snares, garniert mit ein paar Chören, Fingerschnippen, ein bisschen Klaviergeklimper oder Konservenstreichern, ein, zwei Sirenen und einem Grummeln aus dem Raubtierkäfig, mehr ist nicht drin. Immer die gleichen Soundeffekte zeichnen wieder und wieder das immer gleiche Bild. Dessen reduzierte Ästhetik wirkte einmal frisch - vor knapp zehn Jahren, als die Tracks noch "Drop It Like It's Hot" oder "Wait" hießen.

"Kontrovers mit 'ner Prise Kommerz", beschreibt Massiv sich und sein Schaffen in "Fuck All You Hoes". Bei der Dosierung der "Prise" muss den Beteiligten wohl die Gewürzdose ausgerutscht sein. Allen vorwerfen, auf den Trap-Zug aufzuspringen, und das dann selbst versuchen: Das wirkt schon einigermaßen unausgegoren.

"Scheiß auf Technik, scheiß auf Flow": Trotzdem hat insbesondere letzterer über die Jahre durchaus zugelegt. Massiv perlt noch immer nicht wie ein Springbrunnen, gäbe aber einen hochfunktionalen Wasserwerfer ab - wenn, ja, wenn er seine "Stimme, die den Schall bricht" nur von der Leine ließe. Darauf wartet man auf "M10" aber vergeblich. Statt mal so richtig auszuticken, dem Löwen die Käfigtür aufzutreten und ihn dann, Gebiss voran, durch die Prärie marodieren zu lassen, wirkt der "Robocop-Lyriker" diesmal fast zahm.

Seine Stimme stellenweise klingt so hell, als habe Massiv wie der Wolf aus Grimms Märchen Kreide gefressen. So fürchten sich auch die sieben wehrlosen Geißlein nicht mehr, auch wenn Massiv seine Testikel um den Mond kreisen lässt und der zum "Gesocks" deklassierten Mitrapperschaft locker, aber wenig ambitioniert Oralverkehr anbietet.

"Spaß beiseite, ich bin so, wie ich bin." Das wiederum glaub' ich - und nehm' ihm den treuen Teddybär, der eine Schleife um sein großes Herz bindet, ehe er es der Angebeteten schenkt, immer noch viel eher ab als den Rap-Taliban oder den "waschechten Gangster".

Egal! Bei einem richtigen ausgeflippten Rundumschlag auf abwechslungsreichen Beatbrettern hätte mich die inhaltliche Dauerschleife vermutlich weniger gestört. Zeilen wie "Reiß' die Mauern weg in Gaza" hätte ich zwischen solchen, in denen es um so wichtige Themen wie Autos, Instagram und metrosexuelle Emorapper geht, zwar immer noch deplatziert gefunden. Das gelegentlich eingestreute Autotune-Gejaule hätte mir trotzdem den kalten Schweiß rausgetrieben.

Zwei oder drei verbale und vor allem stimmliche Grenzüberschreitungen des Kalibers "MFBIYAN" hätten aber schon genügt, um mir über allerlei Abstriche hinweg zu helfen. Auf die muss ich allerdings wohl weiter warten. Was solls? Es sieht ja nicht wirklich danach aus, als gedenke Massiv, seine Karriere mit "M10" zu beenden.

Trackliste

  1. 1. Intro / Totgesagte Leben Länger
  2. 2. M10
  3. 3. Im Schatten Der Skyline
  4. 4. Aasfresser
  5. 5. Musik Ist Mein Herz
  6. 6. Knast Oder Palast
  7. 7. Ohne Cash Geht Nicht
  8. 8. Wo Sind Die Kanax?
  9. 9. Zwei Punkt Nuller
  10. 10. Raubtier
  11. 11. BGB X
  12. 12. Mein Hellster Stern Am Himmel
  13. 13. Fuck All You Hoes
  14. 14. Ich Verbrenn' Die Mics
  15. 15. Meine Bullenmarke Glänzt
  16. 16. Mit Dem Rolls Royce Gegen Die Wand
  17. 17. Ribéry

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