laut.de-Kritik
Österreichs Pop-Hoffnung behält ihr Gesicht, aber nicht ihren Dialekt.
Review von Florian DükerMatheas allererstes Lied "2x" hat auf Spotify fast die Marke von 40 Millionen Streams geknackt und auf YouTube beinahe 18 Millionen Aufrufe generiert. Zur Einordnung dieser Zahlen: Österreich, die Heimat der Sängerin, zählt weniger als neun Millionen Einwohner. So leicht, wie dieser vom Schluss machen handelnde Song ins Ohr geht, verwundert es wenig, dass er bei den Hörern so gut ankommt. Mit ihrer zweiten Single "Chaos", in der es um die berühmt-berüchtigte Friendzone geht, knüpfte sie an den Erfolg an und erreichte ebenfalls Streams im zweistelligen Millionenbereich.
Matheas erfolgreiche Singles, die sie in längeren Abständen seit Oktober 2018 veröffentlichte, warfen allerdings berechtigte Fragen danach auf, ob die junge Österreicherin ausschließlich über Liebesbeziehungen singt oder ob sie sich auch noch mehr zutraut. Die 1998 bei Salzburg geborene Mathea Elisabeth Höller unternahm darüberhinaus ihre ersten Gehversuche im Musikgeschäft bei "The Voice Of Germany" 2016.
Ihre Casting Show-Vergangenheit gehört leider noch immer zu interessantesten Fakten, die es über Mathea zu erzählen gibt. Und dem Erfolg von Musikern, die durch Castings bekannt wurden, haftet immer ein leicht fader Beigeschmack an, wähnt man doch ein ganzes Fernsehteam im Hintergrund, das die Fäden zieht und den Erfolg fabriziert. Böse Zungen würden sogar behaupten, ihr Management habe ihr dazu geraten, auf Hochdeutsch zu singen und ihre österreichischen Wurzeln zu "verraten".
Da kommt das Debütalbum "M" gelegen, um es den Kritikern zu zeigen und derlei Fragen zu beantworten. Die Produktion übernehmen dabei größtenteils David Slomo und Johannes Herbst, Freunde von Mathea. Die bereits erwähnten Hits "2x" und "Chaos" packt sie ganz an den Schluss. Die ollen Kamellen laufen bei ihren Fans sowieso schon seit zig Monaten auf und ab und überhaupt soll sich das neue Material ja nicht dahinter verstecken.
Spätestens beim zweiten Track wird deutlich, dass Mathea beim Texten nicht nur an sich selbst, ihre Partner und Ex-Partner denkt. "Haus" ist eine Ode an ihre Mutter, die aber keineswegs kitschig klingt. Mathea blickt zurück und erweist sich dankbar für die Opfer, die Frau Höller ihr gebracht hat. Nobel ist die Ankündigung, dass sie ihr mal ein Haus kaufen wird, sie gerät im Refrain aber etwas stumpf: "Ich weiß, ich kauf' dir mal ein Haus / Du weißt, ich kauf' dir mal ein Haus". Er/sie/es weiß, du kaufst ihr mal ein Haus. Wir wissen, du...
Das darauf folgende "Wollt Dir Nur Sagen" ist einer von mehreren Versuchen, einen ähnlichen Hit wie "2x" oder "Chaos" landen zu wollen. Ein ambitioniertes Ziel, doch das Stück hat eigentlich alles, was einen erfolgreichen Popsong ausmacht: einen eingängigen Beat, eingängige Strophen, einen eingängigen Refrain samt ihr Tempo verdoppelnden Claps und Drums und sogar einen handfesten Drop, der auf Matheas Liebeserklärung nach dem Refrain folgt.
Die Liebe hält aber leider nur äußerst kurz an, denn auf "02:46" besingt Mathea die Zigarette danach - allerdings nicht die nach der körperlichen, sondern nach der zerbrochenen Liebe. "Du mochtest keine meiner Lieder / Stimmt, damals war'n sie schlecht". Das kann man über "02:46" zum Glück nicht mehr behaupten, über "Welle" aber leider schon. Der Refrain zeigt, dass eingängig und nervtötend manchmal sehr nah beieinander liegen.
"Wach" markiert den zweiten Versuch, mit neuem Material in die Fußstapfen der erfolgreichen Singles zu treten. Der Ansatz ist hier aber ein anderer, denn das Instrumental klingt mit seinem leichten Dancehall-Vibe so, als sei er auf Raf Camora zugeschnitten. Während "Wach" einen Eindruck vom Partyleben der Sängerin und ihrer Freundinnen vermittelt und dabei tanzbar klingt, wird das Thema auf "Irgendeine Party" ernsthafter behandelt. Als "nachdenklichen Partysong" bezeichnet Mathea selbst das Stück. Für das Outro hat sie tiefer in die Trickkiste gegriffen als sonst, denn hier benutzt sie erstmals Autotune und erinnert dabei ein wenig an Imogen Heap.
Wer sich mit Mathea auf ein Date trifft, muss befürchten, dass sie diesem Erlebnis einen Song widmet. "Wolltest dir Mut antrinken, doch ersäufst in Peinlichkeit", singt sie und beschreibt damit ein ziemlich misslungenes Date mit einem Typen, den sie als "Medium Rare" bezeichnet. Das ist nun mal nicht ihr Geschmack und daher musste sie ihm das Herz brechen. Ganz schön kalt kommt die Österreicherin hier rüber, die in Interviews ganz anders wirkt.
Ähnlich kritisch gibt sie sich auf "Jaja" und lässt kein gutes Haar an der Branche und der Oberflächlichkeit der Szene: "Bussi links, Bussi rechts, beste Freundin nur für heut / Kurz gelächelt und schnell in die Story gesteckt / Als würd das was verändern". Im Refrain heißt es "Ich behalte mein Gesicht", und damit hat sie bestimmt Recht, nur ihren Dialekt hat sie in ihrem Gesang aus irgendeinem Grund nicht behalten. Womöglich, weil er nicht so vermarktbar ist?
Bevor das Album dann mit beiden eingangs erwähnten Hits endet, wendet sich Mathea mit "Gib Bescheid" an denselben Typen, mit dem sie dann auf "2x" endgültig Schluss macht. Jetzt, da sie Erfolg hat, käme er wieder angekrochen, aber Mathea befördert ihn dorthin, wo der Pfeffer wächst.
Chartstürmerin Mathea macht auf ihrem Debüt-Album "M" vieles richtig. Die Länge ist mit 34 Minuten absolut angemessen für ein zwölf Songs starkes Werk, das überwiegend dem Pop zuzuordnen ist und vereinzelt ein paar Dance-Elemente aufweist. Die Produktion wirkt zeitgemäß und bietet die Basis für eingängige Hits. Matheas Texte besitzen zwar nicht viel, aber ausreichend Tiefgang, um nicht komplett trivial oder substanzlos zu wirken. Überraschende oder begeisternde Momente bleiben aber aus.
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