laut.de-Kritik

Gratwanderung zwischen Poesie und Pathos.

Review von

Seit "Ein Geschenkter Tag" sind für Max Herres Verhältnisse humane drei Jahre ins Land gezogen. Dennoch empfindet man "Hallo Welt!" durchaus als überschwänglichen Gruß zum Comeback.

Kein Wunder: Deutschraps verlorener Sohn kehrt zu seiner Mutter zurück, auf diese Art und Weise kündigte man den Solodrittling des Wahlberliners groß an. Dahinter verbirgt sich allerdings nur die halbe Wahrheit. "Dass ich wieder rappe, heißt nicht, dass ich nicht mehr singe", so sein unmissverständliches Statement in "KAHEDI Dub".

Und wie er singt! Gleich die locker aus dem Hut gezauberte Falsetteinlage bei "DuDuDu" macht mächtig Eindruck, schließlich hatte man den Freundeskreis-Gründer eigentlich als mittelmäßigen Sänger in Erinnerung. Der entspannte Albumhöhepunkt vereint von Sehnsucht geprägte Lyrics mit musikalischer Hängematten-Stimmung.

Belege für Max Herres zurück gewonnene Liebe zum Sprechgesang liefert die Platte dennoch in Hülle und Fülle. So kredenzt er im intensiven Vorab-Freetrack "Jeder Tag Zuviel" Sozialkritik im Eiltempo. An seine Stuttgarter Wurzeln erinnert sich der 39-Jährige beim kurzen "1992" über jazziger Bassline mit unverkennbarem A Tribe Called Quest-Flavour.

Wirklich gerecht wird man dem musikalischen Werk "Hallo Welt!" mit der reinen Betrachtung von Max' Rolle hinterm Mikrofon aber nicht. Gemeinsam mit seinen KAHEDI-Kollegen Samon und Roberto lässt er seiner Kreativität als Produzent nach dem Konzeptalbum "Ein Geschenkter Tag" wieder freien Lauf, bedient sich ungezwungen bei etlichen Genres und verpackt die Einflüsse in detailverliebten, ungeschliffenen Arrangements. Einzig das stetige Übergewicht der organische Sounds verbindet die unschlagbar abwechslungsreichen Instrumentals.

Besonders auffällig gerät auch die großzügige Gästeliste. Gleich zwölf Sänger und MCs lud Max Herre ein, seine Stücke zu bereichern - und die Rechnung geht voll auf. Bekannte Namen aus verschiedensten Richtungen verleihen den Stücken in jedem einzelnen Fall einen erheblichen Mehrwert.

Gemeinsam mit der Schweizer Singer/Songwriterin Sophie Hunger verarbeitet der Stuttgarter in "Berlin - Tel Aviv" eine interkulturelle Geschichte in eindringlichen Bildern. Verzweiflung und Unbehagen keimen im neblig trüben "Solang" auf, bei dem Max Herre seine sanfte Gesangsstimme zum Chor aufwertet. Orsons-Mitglied Tua schenkt dem eigentümlichen Track mit gewohnt hartem Streetrap-Flow einen gewohnt depressiven Part: "Meinem Leben muss es schlecht sein, es kotzt mich an."

Direkt im Anschluss heißt es bei "Einstürzen Neubauen": "Rausgucken, aufmucken, laut diesen Sound pumpen!" Über brachialem Beat und im ständigen Wechselspiel zeigt sich das beeindruckend harmonierende Duo Max Herre/Samy Deluxe wütend, motiviert und gesellschaftskritisch. Auch beim lässigen "Fühlt Sich Wie Fliegen An" beweist das Deutschrap-Idol das richtige Händchen, holt Senkrechtstarter Cro und zumindest für eine Zeile ("So leicht muss Liebe sein") seinen Freund Clueso ins Boot.

Die nachdenkliche Hitsingle "Wolke 7" scheint dem Melancholiker Philipp Poisel wie auf den Leib geschneidert, Herre brilliert unterdessen einmal mehr mit philosophischen Strophen. Der Stuttgarter Soulbrother Fetsum macht "Aufruhr (Freedom Time)" mit seiner simplen Hook zum unwiderstehlichen Ohrwurm. Und gemeinsam mit Nesola-Schützling Megaloh erklärt Herre zum Schluss des Albums ausführlichst, was "Rap Ist".

"Rap ist Soulmusik. Du wirst nie'n guter Rapper, wenn du Soul nicht liebst", befindet er dabei und huldigt dem geliebten Genre daher auch diesmal ausgiebig. Für zwei Songs holte er sich dafür den wohl interessantesten Gast ins Boot: Aloe Blacc. Der Kalifornier stattet das ruhige "Vida" mit einer brillanten Hookline aus. Und auch "So Wundervoll", bei dem er den Refrain von Billy Prestons bzw. Joe Cockers Welthit "You Are So Beautiful" zitiert, entpuppt sich als rundum gelungen.

Max Herre bleibt sich treu - indem er musikalisch neue Wege geht und auch ein Jahr vor seinem 40. Geburtstag auf höchstem Niveau polarisiert. Seinen eigenwilligen Flow, die ständige Gratwanderung zwischen Poesie und Pathos und der Hang zum Intellektuellen: All das muss man sicherlich mögen, um "Hallo Welt!" überhaupt etwas abzugewinnen. Schwer zu widerlegen ist dagegen, dass Herre mit seinem dritten Solowerk ein Manifest der musikalischen Freiheit und Openmindedness abliefert, das in der deutschsprachigen Musiklandschaft seinesgleichen sucht.

Trackliste

  1. 1. Hallo Welt!
  2. 2. Aufruhr (Freedom Time)
  3. 3. DuDuDu
  4. 4. Jeder Tag Zuviel
  5. 5. Wolke 7
  6. 6. Solang
  7. 7. Einstürzen Neubauen
  8. 8. Fühlt Sich Wie Fliegen An
  9. 9. 1992
  10. 10. Vida
  11. 11. KAHEDI Dub
  12. 12. Berlin - Tel Aviv
  13. 13. So Wundervoll
  14. 14. Nicht Vorbei (Bis Es Vorbei Ist)
  15. 15. Rap Ist

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