laut.de-Kritik
In lichten Momenten nahe dran an Rio Reiser.
Review von Toni HennigMax Prosa versuchte sich früher in Irland und später in Neukölln als Straßenmusiker und landete schnell im Zughafen, dem freien Künstlernetzwerk um Clueso. So stellte er 2011 als Support des in Erfurt geborenen Sängers seine aus einer inneren Zerrissenheit entstandenen Lieder erstmals einem größeren Publikum vor. Von 2012 bis 2017 folgten mehrere Alben für Columbia Records. Letztes Jahr veröffentlichte der Berliner mit "Mit Anderen Augen" nach "Heimkehr" seine zweite Platte auf seinem eigenen Label Prosa Records. Dort erscheint nun auch "Grüße Aus Der Flut".
Besagte innere Zerrissenheit prägen Prosas Texte nach wie vor. Dennoch präsentiert sich der 30-Jährige im Titeltrack recht selbstbewusst, wenn es heißt: "Oh, ich bin okay / Ich hab zwei Schrammen mehr / Eine tut noch weh / Doch du kannst sicher sein, dass ich nicht untergeh'". Von Selbstmitleid keine Spur, aber warum auch? Eine Menge Kritiker-Respekt und Fans hat er sich längst erspielt.
Trotzdem möchte sich Max Prosa auf den bisherigen Erfolge nicht ausruhen und richtet den Blick nach vorne. Das Album endet dementsprechend mit den Zeilen: "Keine Angst, nichts bleibt beim Alten". "Hier Nicht Zuhaus" vermittelt Aufbruch und eine Spur Fernweh. So schwingt in den Texten des Berliners immer etwas Dringliches mit.
Die Musik hält mit den künstlerischen Ambitionen jedoch kaum mit. Ofs hört man, etwa im Opener, die Akustische beiläufig vor sich hinschrammeln, und das Piano von Sascha Stiehler lieblich vor sich hinklimpern, zusätzlich ergänzt um dunkle Streicher für den Schuss Melancholie. Bleibenden Eindruck hinterlässt das nicht. Da hilft auch das recht gewöhnungsbedürftige, dafür ausdrucksstarke Organ Max Prosas wenig.
Schade, denn der Berliner versteht es, den Hörer mit einfachen und treffenden Worten in seinen Bann zu ziehen. Da sieht man auch über die ein oder andere ausgelutschte Metapher hinweg. In "Lilly Sagt", einem Dylanesken Duett mit Francesco Wilking von Die Höchste Eisenbahn, das beste, weil leichtfüßigste und unverkrampfteste Stück des Albums, gesellt sich gar eine Prise Humor hinzu, wenn der Singer/Songwriter realisiert, dass er es einer besonders verkopften Frau aus der Großstadt ohnehin niemals Recht machen kann: "Sie mochte nie eins meiner Lieder / Ich glaub', sie mag auch dieses nicht."
Gesellschaftspolitisch fällt ebenfalls der ein oder andere Kommentar, etwa in "Buntes Papier", wenn Prosa - textlich inspiriert von Byung-Chul Hans Buch "Psychopolitik" - von "sieben griechischen" Kindern erzählt, die in einer "Gegend", die "von den Männern im Fernsehen ausgeraubt" wurde, amerikanisches Geld finden, es aber nicht als solches erkennen und damit spielen. Die zeigt, wie sich der Mensch mittlerweile vom Kapitalismus abhängig gemacht hat. In "Donnerschlag" geht es angesichts der Corona-Pandemie darum, den alltäglichen Routinen bzw. dem Hamsterrad zu entfliehen. In solchen Momenten ist der Berliner inhaltlich durchaus nahe an Rio Reiser dran, nur ohne die revolutionäre Entschlossenheit des Königs von Deutschland.
In der zweiten Hälfte hadert der Singer/Songwriter dann meist mit der Liebe und kommt in "Sag's Irgendwem" zu der Einsicht: "Liebe ist leicht, aber der Mensch kompliziert". Umso schlimmer, dass diese schöne Zeile, die in Stein gemeißelt gehört, mit sommerlichem Karibik-Geklimper unterlegt ist. Was Max Prosa und seine Mitmusiker da geritten hat, bleibt ein Rätsel. Ebenso unbeholfen muten die käsigen Keyboards im anschließenden "Küss Mich" an. Die letzten beiden Songs sorgen für ein balladeskes Ende, bleiben aber klanglich blass.
Insgesamt zeugt "Grüße Aus Der Flut" von textlicher Reife. Zu neuen musikalischen Ufern bricht Max Prosa aber nicht auf. Eher bleibt klanglich so gut wie alles "beim Alten" - nur ohne das Wilde und Ideenreiche von früher.
Noch keine Kommentare