laut.de-Kritik
Zwischen spontaner Zurückverliebung und Achselzucken.
Review von Rinko HeidrichHurra, die Indie-Sensation aus Newcastle veröffentlicht ein neues Album und die Musikwelt hält den Atem an. So ungefähr war das Feeling um 2006 rum, als Maximo Park auf ihrem Höhepunkt und vor dem Kölner Palladium die Kids rund um den Block standen. In gestreiften Pullis, Slim Fit-Jeans und ab und zu auch einem Magpie-Hut, der bis heute des Sängers Haupt schmückt. Genauso wenig wie das Outfit änderte sich das bekannte Post-Punk-Muster der Band, die Welt drumherum allerdings schon.
Fast zwanzig Jahre später ist der ganze Hype verflogen, die Konzerthallen kleiner, aber mit einer beeindruckenden Stetigkeit veröffentlichen Maximo Park weiter Alben. Es gibt auch wenig Gründe, die dagegen sprächen. Wäre die Welt noch die gleiche wie Mitte der Nullerjahre und Rock das Ausdrucksmittel einer Generation, gäbe es keine größeren Kritikpunkte. Was sie damals noch mit dem grandiosen Debüt in die Charts und in den Mainstream spülte, klingt auch jetzt noch vertraut: Zackige Postpunk-Songs, zu denen Paul Smith immer noch seinen inbrünstig flehenden Gesang beisteuert. Es liegt gar nicht so sehr an der Band, es waren der Zeitgeist und das Momentum, die kamen und später die Band verließen. Ob das jemals zurückkommt, bleibt fraglich, aber für die Sturheit der Engländer müsste es schon eine Belohnung geben.
"Favourite Songs" gibt einem auch alles, was die Band aus und groß machte. Schnörkelloser Indie-Pop, über den der belesene Alltagsphilosoph Smith über Vergänglichkeit sinniert. Von der Qualität her kein Werteverfall zu den frühen Hits der Band. Smith ist ein gebildeter Mensch, das wissen wir spätestens seit "Books From Boxes", seiner Ode an die Macht der geschriebenen Worte. Der Albumtitel "Stream Of Life" kommt nicht von ungefähr, er basiert auf einem Werk der Schriftstellerin Clarice Lispector, in dem es um eine Art Determinismus und den Strom des Lebens in einem selbst geht. Laut Studien erreichen Menschen mit Mitte bis Ende Vierzig den Höhepunkt der Unzufriedenheit in ihrem Leben, doch davon zeigt "Stream Of Life" auffallend wenig.
Es klingt wie in "Quiz Show Clue" nach einer Rückbesinnung auf das, was einmal wichtig war und aus den Augen verloren ging. So stürmisch, so intuitiv aus dem Bauch heraus ging die Band lange nicht mehr nach vorne. Auf den letzten Alben merkte man immer wieder, wie sie vor sich selbst, ihrer Bürde und Vergangenheit nahezu flohen. Einmal versuchten sie es mit einer zaghaften Kopie und dann wieder mit unglaubhaften Richtungswechseln.
"Stream Of Life" ist gerade zu Anfang wieder Maximo Park in Fettschrift und kursiver Ausrichtung nach vorne, mit dem Bauchgefühl als Richtungsgeber und nicht zu sehr mit dem Kopf als Kompass. So reihen sich gerade zu Anfang mehrere Highlights wie "The End Can Be As Good As The Start" und "Armchair View" in die Best Of-Sammlung der Band ein. Ganz einfach, weil die Songs wieder eine Lockerheit ausstrahlen, die es so länger nicht mehr gab. Unwichtig, wie lange sie daran gesessen sind, auf Platte klingt es wie in einem One-Take aus dem Ärmel geschüttelt. Spontane Zurückverliebung in eine Band, die mal so wichtig für heranwachsende Indie-Kids war.
Schade, dass im weiteren Verlauf doch wieder zu viel Schmalz und Pathos dazu stößt. Genau hier fällt einem wieder ein, warum es doch zu einer Entliebung über die Jahre kam. "The Path I Chose" wäre gerne ein kleiner Indie-Pop-Hit für die Radios. Die Süßlichkeit und eine aufdringlichen Synth-Line verhindern dies gekonnt. Das finale "No Such Thing As A Society" klingt genau wie die vielen netten Maximo Park-Songs, die während des Hörvorgangs nicht nerven und doch schnell in Vergessenheit geraten. Schade, genau wie Travis wünscht man dieser verdienten Indie-Legende doch wieder ein großes Album, aber leider blitzt diese alte Stärke doch nur kurz zwischen Füllmaterial auf. Immerhin zeigt "Stream Of Life" aber auch, dass die leise Hoffnung darauf immer noch besteht.
3 Kommentare
Kann der ersten Hälfte der Rezension vollsten zustimmen. Die Zeit war nicht gnädig mit der coolen Indierockblase der 2000er. Allerdings orte ich weniger Füllmaterial als hier beschrieben und bin wirklich happy mit der Platte. "Favorite Songs" ist meines Erachtens ein echtes Highlight im MP Katalog mit einem mächtigen Interlude ("it would be childish of me to complain, you should be used to it right now, I could have handled it more like a pro, but there you go, you should be used to it by now).
Nachdem mir die Platten der letzten Jahre ziemlich egal geworden sind, muss ich sagen, dass mir diese Scheibe doch ganz gut gefällt.
feier ich