laut.de-Kritik

Mit neuen Musikern zu alter Stärke.

Review von

Dave Mustaine macht es seinen Fans wirklich nicht leicht. Seine fragwürdigen politischen Äußerungen mal außen vorgelassen, hat er sich auch aufgrund von privaten Schicksalsschlägen nicht unbedingt zum Menschenfreund entwickelt. War seine knurrige Art in der Vergangenheit ein Hauptreiz von Megadeth, fällt es zunehmend schwer, Musik und Künstler voneinander zu trennen. Ein Album wie "Super Collider", das sicherlich nicht als stärkste Veröffentlichung der Kalifornier in die Annalen der Musikgeschichte eingehen wird, half auch nur eingeschränkt.

Dementsprechend lag die Erwartungshaltung im Vorfeld der inzwischen 15. Megadeth-Platte "Dystopia" nicht gerade auf Wolkenkratzerhöhe. Um das Fazit vorwegzunehmen: Das Album knüpft nahtlos an die stärkeren Alben vor "Super Collider" an und zeigt die Band in guter Form. Eine Band wohlgemerkt, die zur Hälfte aus neuen Mitgliedern besteht. Chris Broderick und Shawn Drover hatten genug, so dass sich Mustaine und sein Langzeit-Kompagnon David Ellefson zum x-ten Mal nach frischen Kollegen umschauen mussten.

Chris Adler, hauptamtlich bei Lamb Of God hinter dem Schlagzeug, fügt sich nahtlos ein und trommelt souverän seinen Stiefel runter. Der gewinnbringende Neuzugang der Band hört aber auf den Namen Kiko Loureiro und stößt von der brasilianischen Metalband Angra zu Megadeth. Im Gegensatz zu Vorgänger Chris Broderick ist er kein kalter Techniker, sondern jemand, der songorientierte Soli spielen kann und den Stücken seinen eigenen Stempel aufdrückt. Beim ersten Durchgang fällt gleich auf, dass nicht mehr jede freie Rifffläche von einem Solo zergniedelt wird, wie das auf "United Abominations" oder "Endgame" der Fall war. Diese neue Songdienlichkeit steht der Band sehr gut.

Loureiro darf dann auch sofort bei drei Songs mitkomponieren. "Conquer Or Die!", ein Instrumentalstück, sticht besonders hervor. Ein längerer Akustikgitarrenteil mit Flamenco-Touch als Intro, wann gab es das bei Megadeth schon mal? Man kann ihnen für die Zukunft nur zu weiteren Experimenten dieser Art raten, es lockert das Thrash-Metal-Gewitter doch etwas auf. Denn die Kalifornier haben die rockigeren Songs des Vorgängeralbums in die Asservatenkammer verbannt und besinnen sich auf das, was sie drauf haben.

Textlich schwanken die Songs zwischen der üblichen Politik- und Gesellschaftskritik und Beziehungsdrama-Themen hin und her. In letztere Kategorie fällt die großartige Nummer "Poisonous Shadows", die nicht nur einen der stärksten Refrains der letzten Jahre auffährt, sondern auch genug Abwechslung mitbringt. Auch hier war Loureira am Songwriting beteiligt. Mustaine hält offensichtlich einiges von seinem Neuzugang.

Es mag ein subjektiver Eindruck sein, aber die Kalifornier werfen dieses Mal mit mehr Tempowechseln als sonst um sich. "Dystopia" drängt sich als Paradebeispiel auf, eh einer der besten Songs der neuen Scheibe. "Dicatorship ends starting with tyrannicide / you must destroy the cancer at its root", keift der olle Dave dazu, stimmlich von der beißenden Form früherer Tage inzwischen ein gutes Stück entfernt. Aber wer tollen Gesang will, hat sowieso noch nie zu Megadeth gegriffen. Apropos frühere Tage: Der Schlussteil von "Fatal Illusion" erinnert tatsächlich ein wenig an Altwerke wie "Hook In Mouth".

"What we are witnessing here is the decline of Western civilization"", knarzt Mustaine in "Lying In State" ins Mikrofon und malt düstere Untergangsszenarien. Ist der böse Muselmann schuld? Die orientalische Stimme zu Beginn von "The Threat Is Real", zusammen mit jenem Songtitel, legen die Vermutung nahe. Aber Mustaine ist schlau genug, seine Texte möglichst ambivalent und interpretationsoffen zu halten. Wüsste man nicht um seine Hintergründe, fiele das allerdings bedeutend leichter.

Kurz vor Schluss machen die Kalifornier einen Schlenker und erinnern daran, dass sie auch Punkrock mögen. "The Emperor", im Kern zwar ein Metalsong, integriert einige flockige Riffs aus Siffhausen, bevor "Foreign Policy" das Album dann mit einem lupenreinen Punksong abrundet. Etwas merkwürdig dabei: Im Booklet wird mit keiner Silbe erwähnt, dass es sich hierbei um keinen Megadeth-Song handelt, sondern um ein Cover der Hardcore-Kapelle Fear. Da Mustaine mit deren Hauptmensch Lee Ving aber schon mal das Seitenprojekt MD.45 betrieb, kann man böse Absicht wohl ausschließen.

Trackliste

  1. 1. The Threat Is Real
  2. 2. Dystopia
  3. 3. Fatal Illusion
  4. 4. Death From Within
  5. 5. Bullet To The Brain
  6. 6. Post American World
  7. 7. Poisonous Shadows
  8. 8. Conquer Or Die!
  9. 9. Lying In State
  10. 10. The Emperor
  11. 11. Foreign Policy

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Megadeth – Dystopia €7,99 €3,00 €10,99
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Megadeth – Dystopia: Deluxe Edition €303,83 Frei €306,83

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Megadeth

Der ein oder anderen dürfte wissen, dass Dave Mustaine, Sänger, Gitarrist, Hauptsongwriter, Egomane, Teilzeit-Junkie und Gründer von Megadeth, vor …

6 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    Die beiden Bonustracks "Look Who's Talking" und "Last Dying Wish" sind übrigens auch sehr zu empfehlen und fügen sich gut in's Gesamtbild ein. Zum Album gibt's nicht mehr viel zu sagen. Für mich die beste Scheibe seit den Klassikern, mindestens seit "The System Has Failed".

  • Vor 8 Jahren

    Musikalisch sicherlich das beste, was Megadeth seit langer Zeit veröffentlicht haben, aber die grenzdebilen Texte trüben den Eindruck doch stark.

  • Vor 8 Jahren

    "Countdown to Extinction" "Rust in Peace" "Peace Sells ...But Who's Buying?" da musste Dave noch um Anerkennung kämpfen und mit seinen Exkollegen wetteifern. Ohne Frage hat er in dieser Fehde seine Klasse gezeigt und Respekt geerntet. Doch in letzter Zeit hat er sich ziemlich auf seinen Lorbeeren ausgeruht und dafür zu viel geistigen Dünnschiss in die Welt geblasen. Aggro-Dave verliert an Bedeutung und holt nun zum musikalischen Gegenschlag aus. Der Sound klingt wie immer vertraut aber es gibt jetzt wieder diesen typischen Punch viel Abwechslung übers Album verstreut wo jeder aus der Band sich austoben darf. Man verzettelt sich jetzt nicht mehr wie bei Vorgänger im hilflosen Einheitsbrei zwischen lahmen Songstruckturen und einem lustlosen Mustain sonder zieht die kreative Energie bis zu letzten Track durch. Wäre doch auch schade wenn Megadeth bzw. Dave es verlernt hätten... 5-5 volle Punkte

  • Vor 8 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 8 Jahren

    Fantastisches Album. Musikalisch abwechslungsreich, technisch einwandfrei und auch stimmlich finde ich Megadave besser als in Vorgängeralben. Für mich das Album des noch kurzen Jahres. Meine Favoriten: Emperor, Conquer or Die, Poisoinous Shadows.

  • Vor 8 Jahren

    Megadave is immer dann am besten wenn er richtig wütend auf die Politik ist. Das ist ein roter Faden durch alle Megadeth Alben, angefangen mit „Peace sells…..“. Album ist klasse da aggressiver als sein Vorgänger. Selbst die ruhigeren Lieder zünden besser als auf Super Collider.