laut.de-Kritik

Aufwärmübungen statt Meisterkür.

Review von

Eigentlich muss Megan Thee Stallion nichts beweisen. Warum auch? Die Frau hat Nummer Eins-Hits, macht Feature-Runs kommerziell und qualitativ wie ihrerzeit Ludacris und Busta Rhymes und genießt in ihrer Heimatstadt Houston Legenden-Status nach kaum mehr als zwei Jahren Schaffenszeit. Wen das nicht beeindruckt, der will von ihr nicht beeindruckt sein. Und wir wissen alle, welche Klientel sie weiterhin in Frage stellt.

Als würde sie augenrollend noch einmal nachtreten, legt sie nun das Freestyle-Tape "Something For The Hotties" nach. Großartige Verses über großartige Verses über einen Ramschtisch an Resterampen-Beats zerstreuen Zweifel, die nicht existieren sollten. Und so unterhaltsam ihr MC-Gesellenstück auch gerät, kommt es doch stagnierend an einen Punkt, an dem Fortschritt für sie wichtig gewesen wäre.

Dabei fängt das Ding mehr als unterhaltsam an. Die ersten drei Nummern kommen als klare Highlights zusammen, "Tuned In Freestyle" gibt einen Moment vor, in dem Megan auf dem rudimentären Houston-Beat fast schon Golden Era-mäßig rappt, es hat richtigen Blockparty-Flavour, archetypischstes MCing. Ein Musterbeispiel der Teamarbeit des DJ, der am Ende den Beat ins Absurde hochbeschleunigt, mit Megan, die wie ein guter Jazz-Bandleader die Session dominiert. "Megan Monday Freestyle" haut in dieselbe Kerbe, ihr Hausproduzent Lil Ju gibt ihr ein cartoonhaftes Sample und sie reißt es kompromisslos in Fetzen.

Das von Juicy J anmoderierte "Southside Forever" legt dann kurz den ernstesten Ton der Platte ein. Hier fixiert sie die Kernthese des ganzen Unterfangens – wie kann es sein, dass all diese Leute immer noch Dinge in Frage stellen, die sich objektiv kaum in Frage stellen lassen? Schüsse auf Tory Lanez, Schüsse auf DaBaby, Schüsse auf einen Haufen Typen, die ihre Errungenschaften, ihre Fähigkeiten, ihren Hustle trotz alledem kleinreden wollen. Auf einem atmosphärischen Südstaaten-Beat und einer marodierenden 808 bulldozert Megan sie alle. Es ist eine Mördershow, ihr dabei zuzuschauen.

Aber das ist das Ding: Mit "Southside Forever" könnte man das Tape dann eigentlich auch schon wieder ausmachen. Alle Songs danach halten zwar ein Grundlevel an Qualität, aber was sollen sie denn hinzufügen? Es ist im Grunde alles gesagt, der emotionale Bogen wirkt für mich abgeschlossen. "Outta Town", "God's Favorite", "Let Me See It", "Pipe Up", wir bekommen ästhetische Standard-Übungen en masse geboten, die unterhalten, wie es unterhält, einem Profi-Athleten beim Aufwärmen zuzuschauen. Da wird Exzellenz dargeboten, aber die wirkliche Show passiert erst, wenn diese Champions an ihre Grenzen gehen, Neues probieren oder ihre Geschichte weiterschreiben.

So sinkt "Something For The Hotties" in einen gefälligen Dämmerschlaf, der nicht stresst oder wirklich langweilt, aber auch nicht groß aufhorchen lässt. "Megan's Piano" ist gut für einen witzigen Moment, weil sie hier selbst den Klavier-Lead eingespielt hat. Bouncy und perkussiv entsteht so ein kurzweiliger Trap-Banger. "Kitty Kat" macht Sound-mäßig am meisten Spaß, weil ihr hier hohes Tempo und organische Produktion zugeschanzt wird, die an Pharrell erinnert. Diesen Sound könnte sie definitiv weiter aufnehmen und erkunden. Ansonsten kommen zwischendurch Gast-Produzenten wie Murda Beatz oder Buddha Bless an den Drücker, aber so solide die Zusammenarbeit funktioniert, fühlen die kurzen Songs sich doch eher wie Trailer für eine ambitioniertere Kollabo an.

Naja, hm. Dann haben wir jetzt eben gelernt, dass Megan geil rappen kann. Und ich habe es genossen, ihr eine Dreiviertelstunde dabei zuzuhören, wie sie geil rappt. Das Tape klingt kohärent, konzentriert und macht Spaß. Aber es ist doch auch ein eigentlich wenig essentieller Zwischenschritt in einer so florierenden Karriere, dass man sich ein bisschen schlecht dafür fühlt, dass die Zweifel an ihr immer noch so laut sind, dass sie etwas dagegen unternehmen zu müssen glaubt. "Something For The Hotties" macht genau das. Hunger auf mehr. Hunger auf ein neues Projekt, in dem sie endlich all ihre Fähigkeiten, das Spitten, das Songwriting, die Persona und die Pop-Sensibilität zu einem Klassiker legiert, der in ihr steckt. Zur Überbrückung ist das hier ganz nett, aber der nächste Schritt muss ein großer sein.

Trackliste

  1. 1. Tuned In Freestyle
  2. 2. Megan Monday Freestyle
  3. 3. Trippy Skit (feat. Juicy J)
  4. 4. Southside Forever Freestyle
  5. 5. Outta Town Freestyle
  6. 6. Megan's Piano
  7. 7. VickeeLo and Dino Btw Skit (feat. VickeeLo and Dino Btw)
  8. 8. Eat It
  9. 9. All Of It
  10. 10. Warning
  11. 11. Kitty Kat
  12. 12. Tina Snow Interlude
  13. 13. God's Favorite
  14. 14. Let Me See It
  15. 15. Opposite Day
  16. 16. Freakend
  17. 17. Bae Goals
  18. 18. Pipe Up
  19. 19. Bless The Booth Freestyle
  20. 20. Thot Shit
  21. 21. To Thee Hotties

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