laut.de-Kritik

Mit Stars gespicktes Dokument der Stagnation eines Genres.

Review von

Ein Chor, A$AP Rocky und Morgan Freeman als Anheizer, ein euphorisches Streicher-Ensemble, ein sich die Seele aus dem Hals singender John Legend, scheppernde Drums, ein ganz fieser Beat-Switch, ein Hollywood-Sample und schließlich ein Part vom "best rapper alive" (GQ): Schwerere Geschütze hätte Produzent Metro Boomin für den Start seines zweiten Studioalbums kam auffahren können. Doch wer kann, der kann. In der amerikanischen Rap-Landschaft sind nur wenige so gut vernetzt wie der 29 Jahre alte Leland Tyler Wayne, der einst aus dem heimischen St. Louis nach Atlanta aufgebrochen war, um in der Brutstätte des Traps Fuß zu fassen.

Die gesamte A-List des amerikanischen Rap, darunter Drake, Kanye, A$AP Rocky, The Weeknd und Post Malone, hat der Mann auf Speed Dial. Am Aufstieg von Young Thug, 21 Savage, den Migos und Travis Scott hat er mit seinem dunklen Trap-Sound einen maßgeblichen Anteil gehabt. Futures Karriere hat er mindestens neuen Schwung verliehen und ihm mit "Mask Off" zum Superstar-Status verholfen. Unter anderem dank seiner unverwechselbaren Producer-Tags blieb bei all den Hits auch immer der etwas unscheinbare Typ an den Reglern in Erinnerung.

Kein Wunder also, dass sich die Stars nicht lang bitten lassen, wenn Metro ruft. Auf den fulminanten Start folgt dank Chris Brown allerdings gleich der erste Dämpfer: Sein R'n'B-Gejaule klingt fehl am Platz, und es stellt sich ohnehin die Frage, wie der Sänger in diese Gästeliste aus gestandenen Superstars und aufstrebenden Newcomern passt. Sein musikalischer Output in den letzten Jahren kann zumindest kein Argument für ihn gewesen sein.

Don Toliver, wie Future, Young Thug, 21 Savage und Travis Scott mehrfach auf dem Album vertreten, will es noch immer nicht so recht gelingen, aus dem Schatten des letztgenannten zu treten. "Too Many Nights" ist so ein klassischer Don Toliver-Song: tut niemandem weh, aber lockt auch keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Mit "Around You" sollte das schon eher klappen, schneidet Metro dem Sänger aus Houston hier doch einen sehr stimmigen Beat auf den Leib.

Einerseits ist es eine positiv hervorzuhebende Leistung, für jeden der vertretenen Rapper den entsprechenden Sound parat zu haben. Vor allem 21 Savage und dessen dämonenhaften Vibe setzt Metro schon seit "Savage Mode" so gekonnt in Szene wie kaum ein anderer Produzent: Beste Beispiele dafür sind "Umbrella", das mit einem klangvollen Gospel-Sample startet, dann aber ganz schnell von 21 Savage und Young Nudy auf den dreckigen Boden der Tatsachen geholt wird, sowie "Walk Em Down", ein ebenso bösartig anmutender Song mit einer wie bei 21 Savage so üblich auf das Stilmittel der Wiederholung setzenden Hook.

Andererseits setzt so langsam eine Sättigung am seit fast einem Jahrzehnt von Metro Boomin geprägten Trap-Sound des amerikanischen Mainstream-Hip Hops ein. Streiche das "so langsam", diese Sättigung ist längst eingetreten. Die Ideenlosigkeit fällt besonders stark bei den Beiträgen von Travis Scott ins Auge. So einfach lassen sich die vier Songs mit seiner Beteiligung nicht auseinander halten. Nicht nur das, sie sind sogar teilweise kaum von seinen alten Songs zu unterscheiden: "Raindrops (Insane)" zum Beispiel weist recht eindeutige Gemeinsamkeiten mit Songs auf dem nun schon mehr als vier Jahre alten "Astroworld" auf. Soundtechnisch hat sich Travis in dieser Zeit kaum weitentwickelt. Es liegt wohl nicht nur an der Astrofest-Tragödie, dass Drake noch immer nicht von der Spitze des Amirap-Olymps abgelöst wurde. Es bleibt zu hoffen, dass sich Travis seine Hits für das 2023 erscheinende "Utopia" aufgehoben hat.

Was für den Rapper aus Houston gilt, gilt in diesem Fall auch für Young Thug. Bis 2017 war der Mann eine rappende Wundertüte, hat Country spielerisch mit Trap verbunden, mit neuen Styles, Flows und Genre-Grenzüberschreitungen überrascht, doch mittlerweile sind seine Alben und Features längst nicht mehr so spannend und es ist ruhiger um ihn geworden - nicht erst seit seiner Inhaftierung im Mai. So überrascht es nicht, dass weder Travis noch Thugger für den eindeutigen Hit des Albums sorgt, sondern ein ganz anderer: Wenn Metro Boomin auf "Creepin'" The Weeknd den early 2000s-Megahit "I Don't Wanna Know" covern lässt, kann das gar nicht nicht durch die Decke gehen. The Weeknd singt - untermalt von Travis Scotts Enya ersetzenden Background-Vocals - seinen Stiefel herunter und so entsteht mit 21 Savages Hilfe ein solides Cover - mehr aber auch nicht.

Für Highlights in der zweiten Hälfte sorgen der sudanesisch-kanadische Newcomer Mustafa, von dem es auf "Heroes & Villains" zum ersten Mal seit seinem Debütalbum wieder neues Material zu hören gibt, und der im November beim Würfelspiel in Houston erschossene Takeoff. Das von Thundercat untermalte Gospel-Sample lässt ihn und seinen unverwechselbaren Flow noch mal hochleben und bildet einen würdigen Rahmen für sein erstes posthumes Feature. A$AP Rocky zieht mit und wechselt spielerisch zwischen verschiedenen Rhythmen.

Das alles täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Metro Boomins "Heroes & Villains" eine im amerikanischen Mainstream-Rap seit Jahren vorherrschende Stagnation dokumentiert. Weil kaum innovative Stars wie Playboi Carti nachkommen, die neue Sounds ins Spiel bringen, werden etablierte Schwergewichte wie Drake, Future, Travis Scott oder Young Thug gar nicht erst dazu herausgefordert, sich neu zu erfinden oder für mehr Abwechslung zu sorgen. Auf einer Art "Genre-Sampler", wie ihn nur Mega-Produzenten wie Metro Boomin auf die Beine stellen können, wird das besonders stark deutlich.

Trackliste

  1. 1. On Time (feat. John Legend)
  2. 2. Superhero (Heroes & Villains) (feat. Future & Chris Brown)
  3. 3. Too Many Nights (feat. Future & Don Toliver)
  4. 4. Raindrops (Insane) (feat. Travis Scott)
  5. 5. Umbrella (feat. 21 Savage & Young Nudy)
  6. 6. Trance (feat. Travis Scott & Young Thug)
  7. 7. Around Me (feat. Don Toliver)
  8. 8. Metro Spider (feat. Young Thug)
  9. 9. I Can Save You (Interlude) (feat. Future & Don Toliver)
  10. 10. Creepin' (feat. The Weeknd & 21 Savage)
  11. 11. Niagara Falls (Foot or 2) (feat. Travis Scott & 21 Savage)
  12. 12. Walk Em Down (Don’t Kill Civilians) (feat. 21 Savage & Mustafa The Poet)
  13. 13. Lock On Me (feat. Travis Scott & Future)
  14. 14. Feel the Fiyaaaah (feat. A$AP Rocky & Takeoff)
  15. 15. All the Money (feat. Gunna)

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6 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Stimme Review, mal so garnicht zu ! Don Toliver & Travis Scott sind für mich die Besten auf dem Tape…
    Niagara Falls ist auch eine Bombe von Track.
    Top produziert und im Vergleich zu den anderen Veröffentlichungen mit anderen Alben aus diesem Genre dieses Jahr mit Sicherheit eins der Besten…
    5/5 Sterne :-)

    • Vor 2 Jahren

      Denke da liegt auch ein Missverständnis vor, da die Musik von Metro im Grunde ein Subgenre ist. Gerade der Satz mit Playboy Carti ist Quatsch weil der halt ne ganz andere Art von Trap macht. Es ist ja nicht "der Rap" der zwei Jahre so klingt und sich dann weiterentwickeln muss, sondern ein Subgenre mit Regeln. Die kann man aufbrechen (was auch teilweise geschieht, aber da sagt Florian, dass das mit dem RnB nicht passt) aber das ist doch keine Pflicht. Mir passt das Album so wie es ist und ich habe mir genau diesen Sound, diese hohe Qualität und das Staraufgebot gewünscht.

    • Vor 2 Jahren

      @Koopsta: Fandest du sein Debüt Album (Not All Heroes wear Capes) besser oder das aktuelle ?

    • Vor 2 Jahren

      @J.Q. Jones: Ich würde sagen dass neue. Aber ich höre solche Alben nicht wie zb.Illmatic oder 36Chambers die ich mir alle paar Monate mal am Stück gebe. Das hier oder auch Alben von Gucci Mane höre ich 1-2 mal und hau dann die Lieder, die ich gut finde in meine Playlist. Wenn von einem 20 Trackalbum die Hälfte in meiner Playlist landet und ich keinen Track so richtig schlecht finde sind das für mich schon 4/5 Sterne.

    • Vor 2 Jahren

      @Koopsta Ok… Geht mir auch so, aber die gesamten Alben die von oder mit Metro Boomin als Produzent sind (bis auf Perfect Timing & Double of Nothing) gebe ich mir schon öfters, weil die eigentlich schon so etwas wie die Creme de la Creme im Trap sind…
      Sonst höre ich mir auf Spotify Alben von Artists an, die ich mal auschecken will und pack mir auch die besten Lieder auf meine Playlist… Muss aber sagen, dass es in letzter Zeit immer weniger Lieder bzw. Alben gibt die mir durchgehend gefallen…

    • Vor 2 Jahren

      *Double or Nothing

    • Vor 2 Jahren

      An der Stelle möchte ich auch noch anmerken, dass die Kritiker auf laut.de generell was gegen Chris Brown haben ! Ich bin kein Fanboy und viele private Aktionen, die in die Öffentlichkeit geraten sind ziemlich scheiße, aber dass der Talent hat in seiner Arbeit wird hier durchgehend ins lächerliche gezogen…
      Wenn der nicht gefragt wäre, warum will dann heute noch (fast) jeder mit ihm zusammenarbeiten und dass seit mehr als über 10 Jahren…
      Ich will nicht wissen was privat so manche Drill Rapper a la Lil Reese oder Foolio für Personen sind von denen man weiß, dass die in Gangs sind… und Chris Brown ist der größte Hundeficker, weil er Rihannah vor wie viel Jahren schon (?) zusammengeschlagen hat ?!? Lächerlich

    • Vor 2 Jahren

      Naja ein Hundeficker ist er auf jeden Fall, egal wie lang es her ist. Er kann aber trotzdem gut singen und ihm den Erfolg abzusprechen ist entweder ein Zeichen dafür sich nicht informiert zu haben oder einfach gelogen. Was das soll weiss ich nicht. Man könnte ihn auch einfach ignorieren.

  • Vor 2 Jahren

    Ziemlich langweilig und die letzten Jahre gefühlt schon tausend mal gehört. Kann man nicht besser formulieren als im letzten Absatz.

  • Vor 2 Jahren

    Das Album ist einfach wie ein Genre-Best Of. Deshalb schon mal 5/5. Wie hier schon einige geschrieben haben fokussiert sich das ganze auf den Trap-Sound der so 2015/16 am kommen war. Eben durch Acts wie Future, Thug oder Travis. Und so sehr ich Artists wie Cardi auch schätze die das Genre an sich vorantreiben muss ich sagen dass diese „alte" Ära immer noch die beste Phase für's Genre war mmn. Jeffrey, Rodeo und der Genre Klassiker schlechthin DS2 sind um diese Zeit entstanden. Und so viel Vielfalt und Kreativität hat dass Genre trotz neuen Sounds nie mehr gehabt. Carti hat den Trap Sound weiter entwickelt und alle anderen ziehen nach. Jede Woche neue Rage Tracks aber alles weit weit entfernt von einem potenziellen Klassiker. Irgendwie fehlen eigenständige Künstler. Dieser Polo G Type Sound exestiert zwar auch noch nebenher aber wenn sich nicht gerade alle an Carti anbiedern dann rappen halt eben alle auf die immer selben Piano Beats. Früher war dass nicht so. Von den Genre - Größen hat jeder quasi seinen eigenen Nischen-Sound gefunden. Daher danke ich auch Metro dass er mit diesem fantastischen Album die Genre - Hochzeit wieder aufleben lässt.

  • Vor 2 Jahren

    Die Review trifft es schon ganz gut, das Album ist letztendlich Stagnation auf hohem Niveau. Metros Produktion gehört immer noch mit zum Besten, was es im Hip-Hop gibt und die Beats können auch fast ausnahmslos überzeugen. Trotz der mit großen Namen gespickten Gästeliste (21 Savage, Future und Travis Scott treten jeweils gleich in mehreren Songs auf) bleibt aber keiner der Tracks so richtig hängen. Auf Don Toliver hätte ich sogar komplett verzichten können, er ist für mich ein eindimensionaler Autotune-Crooner, dessen sich sehr ähnelnden Hooks schnell nerven. Für Playlists etc. trotzdem ein stabiles Album (ist wahrscheinlich auch die Intention, warum sonst Producer-Tags auf dem eigenen Soloalbum verwenden), die Instrumental-Versionen sind durchaus auch zu empfehlen. 3,5/5.

  • Vor 2 Jahren

    Superhero slappt hart. Fand letzte platte schon perle, hier hier wieder geslappt

  • Vor 2 Jahren

    @LZ_Ultra: kein Dissrespekt an dich, jeder hat seine eigene Meinung, aber ich finde Don Tolivers Stimme ist unique & er ist einer der besten Künstler die im Hip Hop über die letzten 5 Jahre aufgeblüht sind…
    Vergleiche mal ihn mit zB Lil Pump oder Lil Yachty… Ich find ihn mega ;)