23. Februar 2021

"Wie irre soll das noch werden?"

Interview geführt von

Nach knapp vier Jahren Albumpause, in denen unter anderem zwei Filmsoundtracks entstanden, liegt ein neues Mogwai-Album in den Regalen.

Das zehnte Mogwai-Studioalbum "As The Love Continues" ist seit Freitag erhältlich. Das Werk entstand im Sommer 2020 unter ungewöhnlichen Bedingungen und ohne die physische Anwesenheit des Produzenten. Stuart Braithwaite gilt als Kopf, Gitarrist, Sänger und Mastermind der nach außen hin eher zurückhaltend auftretenden Band. Über Skype stand er live aus Glasgow Rede und Antwort zu den neuesten Entwicklungen.

Stuart, mir ist zu Ohren gekommen, dass du keinen Alkohol mehr trinkst?

Ich hatte ein Jahr lang komplett aufgehört, jetzt habe ich aber wieder angefangen. Ich trinke wohl nicht mehr so viel wie früher, aber mit ein paar Gläsern Wein bin ich wieder dabei. Ich war allerdings kein schwerer Trinker, dachte eher, dass die Abstinenz mir helfen würde, mich wieder mehr aufs Songwriting konzentrieren zu können. Und ich denke, so war es dann auch.

Ihr habt die neue Platte im ländlichen Worcestershire gemacht, wie kam es dazu?

Ursprünglich wollten wir in New York City arbeiten, aber Reisen in die USA waren nicht möglich. Tony Doogan, der das Album aufgenommen hat, schlug uns als Alternative die Vada Studios 20 Kilometer südlich von Birmingham vor und wir waren direkt einverstanden. Das war im August, als die Pandemie auf einem niedrigen Niveau war und es uns noch ermöglichte, zumindest im Inland zu reisen. Aber nun sind wir wieder zurück in Glasgow.

Euer Produzent David Friedman saß allerdings jenseits des Atlantiks. Wie lief die Kommunikation?

Er bekam einen Live-Feed von all unseren Aufnahmen und kommentierte das Ganze simultan. Man kann ihn sich vorstellen wie einen Anrufer bei einer Radiosendung. Wir standen permanent in Kontakt und das hat eigentlich sehr gut geklappt.

Ein permanentes Ferngespräch während der Kreativphase klingt für mich unglaublich stressig.

Tatsächlich klingt das erstmal unangenehm, aber da wir Dave wirklich extrem gut kennen, war es ziemlich okay. Wir haben ein gutes Verhältnis, bei dem er kapiert, was wir wollen und wir kapieren, was er will.

Inwiefern war Atticus Ross auf "As The Love Continues" involviert?

Wir haben ihm die Songs geschickt und er hat die Streicherarrangements organisiert und noch ein paar Extraspuren eingespielt. Erst als das Grundgerüst schon stand und der Großteil der Lieder geschrieben war, begann seine Arbeit. Atticus hatte sozusagen einen großen Anteil an der Endsumme.

"Viele Bands hatten weniger Glück"

Wie hat dich die Isolation der Pandemie im kreativen Prozess beeinflusst?

Um ehrlich zu sein, war ich zu Anfang diesbezüglich sehr gestresst. Manchmal denke ich mir immer noch: "Wie verdammt irre soll das Ganze noch werden?" Ich habe die Musik schnell als Zufluchtsort für mich gefunden und entschieden, dass das eine bessere Beschäftigung ist, als sich unentwegt aufs Ende der Welt zu konzentrieren. Letzten Frühling habe ich mich auf jeden Fall so apokalyptisch wie noch nie zuvor gefühlt.

Hat euch die Situation finanziell tangiert?

Wir machen natürlich viel weniger Geld, weil wir viel weniger Konzerte spielen. Zum Glück haben wir 2019 noch einen Haufen Konzerte gespielt. Das hat das Ganze etwas abgepuffert, das war wirklich ein glücklicher Umstand, da hatten viele Bands deutlich weniger Glück. Aus geschäftlicher Perspektive ist das auf jeden Fall die schwierigste Situation, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Ich bin zuversichtlich, dass es wieder wird, aber einfach ist es auf keinen Fall. Der Brexit ist Bullshit und kommt erschwerend hinzu. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat diesbezüglich nichts getan, um Musikern zu helfen.

Wird sich Schottland irgendwann doch noch Abspalten?

Das hoffe ich! 2013 bin ich für die Kampagne zur schottischen Unabhängigkeit angetreten. Es hat sich aber viel geändert und das knappe Ergebnis der Abstimmung 2014 (55%:45%) wäre heute wohl genau andersrum. Wer weiß, was passieren wird.

Euer Keyboarder Barry Burns betreibt in Berlin die Bar Das Gift. Weißt du wie es damit weiter geht?

Nein, da bin ich nicht involviert. Aber ich war schon ein paar mal da. Es ist eine gute Bar.

Ich konfrontiere Künstler ja ungerne mit meinen Interpretationen, aber kannst du nachvollziehen, dass ich das Thema Adoleszenz oder Kindlichkeit in euren neuen Instrumentalstücken und den dazugehörigen Namen raushöre?

Haha, ich finde gut, dass du solche Fragen vermeidest. Aber mit diesem Ansatz liegst du tatsächlich nicht mal so falsch. Der Albumtitel wurde inspiriert von etwas, was Martins kleine Tochter vor sich hin sagte. Sie hat eigentlich etwas anders sagen wollen und sich versprochen. Daraus haben wir dann den Titel abgeleitet. Folglich ist da stellenweise selbstverständlich ein Ansatz der Unschuld nachzuvollziehen, wenn es schon von einem Kind kommt.

Was passiert bei euch in näherer Zukunft?

Wir haben einen Film gemacht, in dem wir das Album spielen und außerdem ein paar ältere Songs. Das müssen wir jetzt noch vor der Veröffentlichung der LP fertig kriegen. Und dann beschäftigen wir uns eigentlich schon mit 2022 und hoffen, dass die Verhältnisse wieder zur Normalität zurückkehren.

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