laut.de-Kritik

Die grandiose Live-Band mit einem schicken Re-Release.

Review von

Mother Tongue besetzen eine spezielle Alternativerock-Nische - nicht nur stilistisch: Eine begeisterte, wenngleich überschaubare Anhängerschaar steht Gewehr bei Fuß, geben Davo und Co. ein Lebenszeichen von sich. Nach sechs Jahren Liveabstinenz aus dem Off eine Europatour booken? Für die Haudegen aus L.A. auch 2016 kein Problem.

Von Beginn an eilte ihnen der Ruf einer hervorragenden Liveband voraus - Mother Tongue machen nicht nur Musik, sie tun es aus Überzeugung. Der Eindruck drängt sich auf, hat man sie live erlebt: den charismatischen Sänger/Bassisten Davo Gould sowie die beiden fähigen und überaus aktiven Gitarristen Christian Leibfried und Bryan Tulao.

Dabei releaste die zu Beginn der 90er gegründete Band nicht übermäßig viel Musik. Dafür verlief die Karriere zu sehr im On/Off-Modus: Trotz Majorvertrag und Crossover-Boom blieb ihnen der Durchbruch in den USA 1994 verwehrt. 1996 hängte man die Instrumente an den Nagel.

Nachdem das bejubelte Debüt 2004 neu aufgelegt wurde, sind jetzt die nach der Reunion 2002 offiziell releasten Scheiben "Streelight" und "Ghost Note" (2003) ebenfalls wieder erhältlich.

Auch diese Platten hatten jenseits des Atlantiks für mehr Aufmerksamkeit gesorgt als Zuhause in den Staaten. Ergänzt um vier Bonustracks im achtseitigen Digipack samt 20-Seiten-Textbooklet kommt das Teil im Zuge besagter Europatour. Und eines ist nach dem Hören der Doppel-CD klar: Man erinnert sich wieder, warum man vor Jahren auf den Livegigs vor Begeisterung fast geweint hat.

Mother Tongue machen weder auf der Bühne noch auf Platte Songs, die sich nebenbei konsumieren lassen. Anders formuliert: Erst wenn man sich in die Tracks einfühlt, ihre zumeist dunkle Atmosphäre und emotionalen Lyrics zwischen hartem Rock, dreckigem Blues, Soul und Funk wirken lässt, erschließt sich die Begeisterung für den Vierer.

"Crmbl" z.B. zeigt, dass die Band zwar zu Zeiten RATMs startete. Aber toughe Riffs und Rhythmen ("Dark Side Baby") sind nur eine Seite der Medaille. Starke Vocalmelodien ("Missing") oder dynamische, oft jammäßig an 70er-Rock erinnernde Arrangements sind genauso wichtig.

"Ghost Note" brettert insgesamt kompakter, wuchtiger und klarer produziert als "Streetlight" ein Jahr zuvor. Das mag u.a. an Sascha Popovic liegen, der nach "Streetlight" als fester Drummer einstieg: Der Mann langt recht heavy hin.

Einen echten Mehrwert bieten die Bonustracks: "I'm Leaving" und "Lines Drawn" stammen von der "Now Or Never"-EP (2004). "May Day" und "Silhouette" von der eigentlich namenlosen, "The Raven" genannten 2006er-EP. Alle besitzen Albumqualität und bestechen durch ein eigene Klangfarbe - Mother Tongue sind hörbar interessiert, sich nicht einfach nur zu wiederholen. Noch so ein Argument für die Amerikaner.

Trackliste

Streetlight

  1. 1. Streetlight
  2. 2. CRMBL
  3. 3. He's The Man
  4. 4. Future
  5. 5. Nightbirds
  6. 6. Trouble Came
  7. 7. Tides
  8. 8. Modern Man
  9. 9. Casper
  10. 10. Greed
  11. 11. F.T.W.
  12. 12. Nightmare
  13. 13. Stars
  14. 14. I'm Leaving
  15. 15. Lines Drawn

Ghost Note

  1. 1. Dark Side Baby
  2. 2. Coming Home
  3. 3. Alien
  4. 4. The Void
  5. 5. That Man
  6. 6. The Storm
  7. 7. Missing
  8. 8. Helicopter Moon
  9. 9. Sad Song
  10. 10. In The Night Time
  11. 11. May Day
  12. 12. Silhouette

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4 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 7 Jahren

    klare 5/5. der erstling ist aber nochmal deutlich besser

  • Vor 7 Jahren

    Sie haben prominente Fans wie Ian Astbury und Trent Reznor, sind für legendäre Live-Auftritte bekannt, zu denen sie Heerscharen von Fans gezogen haben... und haben nicht mal ne englische Wikipedia-Seite. Tatsächlich haben sie nur ne deutsche.
    Ich wollte mit den Verschwörungstheorien eigentlich noch abwarten, bis ich Mitte 40 bin, aber kann es sein, dass diese Band eigentlich aus Bottrop kommt und ihr Management und ein paar deutsche Fans ihre Bandbiografie ein wenig ausgeschmückt, um nicht zu sagen, komplett erfunden haben?

  • Vor 7 Jahren

    Eventuell werde ich nun reich, berühmt und sexy! Wobei letzteres nicht mehr nötig ist, da hab ich genug Fame. Aber genug letzte Worte, meist treffen die eh nie zu. Jedenfalls die Band Mother Tongue setzt noch einen drauf. Im Gegensatz zu Radiohead (auf Radiohead Vergleiche hab ich ein Abo) haben sie mal tolle Musik gemacht, dabei ihr Personal in den Ruhestand geschickt um zugleich einer Erweckungsfeier hier bei Laut bei zu wohnen. Ein Herr Dobler als Zeremonienmeister kündet dann von so berühmten Orten wie Trebur, Aflenz und Dornbirn als DIE Hauptstädte Europas. Reich und Berühmt fällt dann wohl auch aus. Ok rein hören ist bestimmt irgend wo für umme.

  • Vor 7 Jahren

    "Coming Home" brennt alles nieder. Ansonsten wise words from tha Dobbla.