laut.de-Kritik
Zündstoff mit positiver Botschaft.
Review von Julia MaucherEinem Feuerwerk gleich eroberte Niomi McLean-Daley aka Ms Dynamite in diesem Jahr mit ihrem Debütalbum "A Little Deeper" das internationale Musikparkett. Mit entzücktem "Aaah!" und "Oooh!" kommentieren begeisterte Fachleute wie Fans die kreativen Kracher der Londonerin. Vorläufiger Höhepunkt der kometenhaften Karriere ist die Ehrung mit dem Mercury Preis. Anstatt das Preisgeld von 20.000 Pfund selbst abzusahnen, spendet das junge Fräulein den Gewinn umgehend für einen wohltätigen Zweck. Ein Zeichen dafür, dass der Titel ihres Albums "A Little Deeper" für sie Programm zu sein scheint.
Kratzt man etwas an der musikalischen Fassade von Niomis Stücken, entdeckt man unter der Oberfläche beeindruckend starke Lyrics. Im Gegensatz zu ihrer amerikanischen Kollegin Jennifer Lopez – man erinnere sich an Songs wie "I'm Real" oder neuerdings "Still Jenni From The Block" – nimmt man der 21-jährigen Engländerin ihre Bodenständigkeit ab.
Niomi scheut sich nicht, das politische und soziale Bewusstsein ihrer Zuhörer aufzurütteln. In ihrer Single "It Takes More" kritisiert sie unter anderem das Zur-Schau-Tragen von Reichtum, das derzeit im Hip Hop weit verbreitet ist: "Now who gives a damn about the ice on your hand? Tell me how many Africans died for the baguettes on your Rolex?" Mit Texten wie diesem, der übrigens kein Ausnahme darstellt, liefert Ms Dynamite Zündstoff mit positiver Botschaft.
Die musikalische Laufbahn von Ms Dynamite begann in der britischen Garage-Szene, wo sie sich schnell einen Namen machte. Ihr Album hingegen ist eher eine Mischung aus R'n'B, Soul und Hip Hop. Aufgenommen wurde "A Little Deeper" unter den wachsamen Ohren von Produzent Salaam Remi (The Fugees, Nas) in den USA und auf Jamaica. Das heißt jedoch nicht, dass sich Ms Dynamites Erstlingswerk nahtlos in die Reihe amerikanischer Produktionen einreiht. Im Gegenteil. Da die Britin obendrein durch Garage und 2Step von der Insel beeinflusst ist, präsentiert sie auf ihrem Album einen ganz eigenen Stil: Conscious British Black Female Hip Hop oder so ähnlich könnte man ihren Sound titulieren.
Wie es sich für ein abwechslungsreiches Album geziemt, erfreut Ms Dynamite ihre Zuhörer sowohl mit Up-Tempo Stücken als auch mit Easy Listening-Songs. Dementsprechend klingt ihre Stimme mal samtig weich wie im Tribut an den kleinen Bruder "Brother" oder soulig wie in "Gotta Let U Know" und "A Little Deeper". Explosiveres Material liefert sie mit den Stücken "Dy-na-mit-tee" und "It Takes More", die ohne Zweifel den Titel "kreativster Song" verdienen. Beinahe wie Reggae-Queen Diana King klingt Fräulein Dynamite stellenweise in "Put Him Out". Als Gäste hat sich Ms Dynamite für "Anyway You Want It" den sanft-stimmigen Keon Bryce und für "Seed Will Grow" Kymani Marley, Sohn der Reggae-Legende Bob, mit aufs Album geholt.
"A Little Deeper" – Wunderkerze oder Feuerwerk? Beides: Die Begeisterung ist schnell entfacht, wie bei einer Wunderkerze. Doch das Funkeln und Sprühen verfliegt nicht so schnell. Dank der Tiefe, die das Album inhaltlich und musikalisch aufweist, hält der Genuss wesentlich länger an – mindestens so lange wie bei einem ausgiebigen Feuerwerk zu Silvester. Doch man höre selbst, staune und erfreue sich am schillernden Werk der Newcomerin.
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