laut.de-Kritik
Die neuen Black Eyed Peas des Alternative-Rock.
Review von Sven Kabelitz"Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen! Denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder."
Größenwahn war noch nie der beste Ratgeber. Warum sollte es Muse bei ihrem Turmbau zu Babel also anders ergehen als den Menschen im ersten Buch Mose? Am Ende werden sie scheitern und wegen ihrer Selbstüberschätzung mit Genreverwirrung bestraft. "The 2nd Law", das Album mit dem Neon-Brokkoli als Coverartwork, ergibt niemals ein Ganzes und stürzt schneller ein als ein Kartenhaus während eines tropischen Wirbelsturms.
Natürlich fasziniert es erst einmal, wenn sich eine Band weiter entwickelt. Stillstand kann so langweilig sein. Doch scheint es für Alternative-Rockbands ein festgeschriebenes Gesetz zu geben. Wenn ich mich und am besten die ganze Musikgeschichte neu erfinden möchte, peppe ich meinen Output mit Elektrospielereien und dem jeweils neuesten Trend auf. Selbstredend halten die Musiker und ihre Fans das Ergebnis dann für den heißesten Scheiß, auch wenn der Rest der Welt nur müde darüber lächelt.
Gleich mit dem zusammenhanglosen Bastard "Supremacy" versuchen Muse, sich und jede bisher aufgestellte Bombast-Höchstmarke zu überbieten. Das wirkt nahezu absurd. Muse bedienen sich fröhlich bei Led Zeppelins Klassiker "Kashmir" - wohl der übelste Rip-Off dieses Songs seit Puff Daddys-Beitrag zum "Godzilla"-Soundtrack. James Bond-Plattitüden und eine Melodie halb "Phantom Of The Opera", halb Dieter Bohlen zu Blue System-Zeiten, brechen "Supremacy" das Genick. Von den klischeebeladenen Paukenschlägen während der Strophen wollen wir gar nicht erst reden.
Immer wieder bedienen sich Muse bei dem, das sie für sich als Queen-Sound ausfindig gemacht haben. Ein an sich abgestandener und einfallsloser Track wie die Olypmia-Hymne "Survival" zieht sich mitsamt Grauen erregendem Chor über fünf Tonlagen. "Fight! Fight! Fight! Fight! Win! Win! Win! Win!" Dabei vergessen die drei Engländer vor lauter Enthusiasmus, was Queen einst ausmachte. Erst das pfauenhafte Divengehabe eines Freddie Mercury ließ einen dem inbrünstigen Stadion-Rock verfallen. Von dieser Ironie ist Matthew Bellamy weit entfernt. Er bleibt so drollig und amüsant wie Wolfgang Schäuble.
Mit "Follow Me" erreichen Muse die Talsohle. Wer bis hierhin noch argumentiert, dass Muse doch immer noch bessere Musik machten, als alles, das unter den Namen Lady Gaga, Carly Rae Jepsen oder Rihanna aus dem Radio dudelt, wird hier eines Besseren belehrt. Ein Gastauftritt der letztgenannten hätte bei diesem anbiedernden "Princess Of China"-Verschnitt nicht einmal für Überraschung gesorgt. Im Laufe dieser Kirmesmusik, die in Zusammenarbeit mit Nero entstand, verkommen Muse endgültig zu den Black Eyed Peas des Alternative-Rock. Zudem stolpern sie im Verlauf von "Follow Me" immer wieder über Gloria Gaynors "I Will Survive". Bei diesen Texten auf Musikantenstadel-Niveau bin ich mir allerdings nicht einmal halb so sicher wie Frau Gaynor: "When darkness falls / And surrounds you / When you fall down / When you're scared / And you're lost / Be brave." Na gut, mach' ich.
"The 2nd Law" erweist sich als gigantischer Selbstbedienungsladen. "Madness"? Wieder Queen mit "I Want To Break Free". Dazu noch eine Prise "Numb" von U2 und George Michaels "Faith". "Panic Station" bedient sich unter anderem bei "Suicide Blonde" von INXS, Bowies "Fame", Michael Jacksons "Thriller" und Stevie Wonders "Superstition". Trotz detailgenauer Vorgehensweise schaffen es Bellamy, Howard und Wolstenholme nicht, diesem jämmerlichen Pop-Rock-Funk-Megamix den eigenen Stempel aufzudrücken.
Während der Strophen von "Big Freeze", das über weite Teile an "Where The Streets Have No Name" erinnert, mutiert Bellamy zu einem Bono für Minderbemittelte. Obacht, sonst kommt noch das fahnenschwenkende Original vorbei und setzt sich für einen Schuldenerlass ein.
Für das bei Porcupine Tree angelehnte "Save Me" und "Liquid State" übernimmt Bassist Wolstenholme das Mikro und packt über seinen Kampf gegen den Alkohol aus. Doch am Ende steht mit "Animals" nur ein Track auf der Habenseite. Mit seiner erlesenen Bassline entsteht ohne großen Schnickschnack ein erstklassiger Song, der kein bisschen zu viel und gerade deswegen alles richtig macht. Auch wenn der Text sich wieder einmal in hohle Worthülsen flüchtet, wirkt Bellamy fast entspannt, dunkel und verträumt. Warum nicht mehr davon?
Stattdessen steht uns mit der "The 2nd Law-Suite", bestehend aus "Unsustainable" und "Isolated System", ein abstruses Finale bevor, das aber immerhin noch mit seiner Direktheit überzeugt. Hans Zimmer meets Dubstep meets Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt. Nur, damit wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen: Dubstep entstand 2001 und erreichte 2006 die breite Öffentlichkeit. Zwischenzeitlich hat ihn Skrillex erdolcht und Justin Bieber seine Leiche geschändet. Momentan findet sich Dubstep in der Werbung eines Stuttgarter Automobilriesens wieder. Etwa 2014 wird man die ersten Einflüsse auch in einem fluffigen Andrea Berg-Liedchen hören. Revolution sieht anders aus.
Mit "The 2nd Law" sind Muse bereit, alles zu tun, um irgendwie relevant zu bleiben. Doch anstatt sich neuen Ideen und Sounds hinzugeben, picken sie gelangweilt und faul aus einem bereits bestehenden Fundus. Sie geben sich nicht einmal die Mühe, dies großartig zu kaschieren. Die einzelnen Stücke erhaschen nur aufgrund ihrer Überladenheit Aufmerksamkeit. Diese steht jedoch nie im Dienst des Songs, sondern versucht eher, die kläglichen bis nicht vorhandenen Ideen zu kaschieren. The Queen is not amused.
275 Kommentare mit einer Antwort
...also 2 ?...
mindestens genauso unerträglich wie follow me ist dieser Artikel....
queen nur auf freddys auftreten zu reduzieren ... dafür sollst du 100 Hodenflips kassieren.
autsch... dann bleibe ich bei englischer rockmusik jetzt wohl vollends bei Radiohead, die machen auch, wie vorgestern festgestellt, selbst live noch um einiges mehr her!
Meiner Meinung nach viel zu negative Review. Ich find die Scheibe nach mehrmaligem Hören richtig geil. Die Jungs bieten uns hiermit etwas ganz Neues, sie verbinden Genres und Klänge wie es kaum jemand wagt und machen dabei eine gute Figur. Bin ein langjähriger Muse-Fan und kann mich auch mit dem neuen Material gut anfreunden. Versteht mich nicht falsch, Muse hatten schon viel bessere Alben, die mit The 2nd Law nicht zu erreichen sind. Jedoch 2 Sterne nur weil die Erwartungen dermassen hoch waren? Ist The 2nd Law echt auf gleicher Höhe wie Rihannas Unapologetic? Weiter ist mir bis heute unerkärlich weshalb Adeles Skyfall anstelle von Supremacy der Titelsong zum Bondstreifen wurde. Stadium Tour wird über, wahrscheinlich eines der Highlights im 2013! 4/5 von mir. Key-Tracks: Survival Animals.
Meiner Meinung nach viel zu negative Review. Ich find die Scheibe nach mehrmaligem Hören richtig geil. Die Jungs bieten uns hiermit etwas ganz Neues, sie verbinden Genres und Klänge wie es kaum jemand wagt und machen dabei eine gute Figur. Bin ein langjähriger Muse-Fan und kann mich auch mit dem neuen Material gut anfreunden. Versteht mich nicht falsch, Muse hatten schon viel bessere Alben, die mit The 2nd Law nicht zu erreichen sind. Jedoch 2 Sterne nur weil die Erwartungen dermassen hoch waren? Ist The 2nd Law echt auf gleicher Höhe wie Rihannas Unapologetic? Weiter ist mir bis heute unerkärlich weshalb Adeles Skyfall anstelle von Supremacy der Titelsong zum Bondstreifen wurde. Stadium Tour wird über, wahrscheinlich eines der Highlights im 2013! 4/5 von mir. Key-Tracks: Survival Animals.
es tut mir ja leid, aber der artikel macht mich immer noch sauer da muss wohl einfach jemand nen schlechten tag gehabt haben.