laut.de-Kritik
Der markante Bariton hat nichts an Ausdruckskraft eingebüßt.
Review von Martin LeuteIn den Siebzigern feierte Neil Diamond mit Songs wie "I Am I Said", "Sweet Caroline" oder Sung Sung Blue" Riesenerfolge, ehe es irgendwann ruhig um ihn wurde. Bis Rick Rubin, der auch Johnny Cashs wunderbare "American Recordings"-Serie produziert hatte, ihn vor das Mikro bittet und ihm schließlich ein famoses Comeback beschert.
Auf "12 Songs" (2005) schien die Angst des einstigen Entertainers mitzuschwingen, das erste Mal seit Jahren seine Songs allein zur Akustikgitarre vorzutragen. Auf "Home Before Dark", das in den USA bereits die Chartsspitze erklommen hat, klingt der 67-jährige Diamond hörbar selbstbewusster und expressiver als noch auf dem Vorgänger.
Die Instrumentierung fällt etwas üppiger aus, ohne dass Rubin jemals sein Ziel aus den Augen verloren hätte, den Liedern ihre Essenz abzuringen. Bis auf Matt Sweeney an der Gitarre ist auch die Bandbesetzung die gleiche geblieben, auf Drums wird erneut verzichtet, die Gitarre und das Piano prägen die Kompositionen.
Mit großartiger Melodielinie schließt die Ballade "If I Don't See You Again" mit weichen Gitarrenschlägen und Pianotupfern nahtlos an "12 Songs" an, der markante Bariton Diamonds hat nichts an Ausdruckskraft eingebüßt. Während er in "Pretty Amazin Grace" zur perlend gezupften Akustischen mit melancholischer Note über die Notwendigkeit von Liebe und Hoffnung sinniert, gibt er in "Don't Go" mit stimmlicher Variabilität zur Gitarre, Hammondorgel und Backgroundchor den lässigen Blueser.
Ein ruhiger Höhepunkt folgt mit "Another Day (That Time Forgot)", ein eindringliches, gemeinsam mit dem Dixie Chick Nathalie Maines intonierten Duett. Thematisch ist für Diamond der Verlust der Liebe und die anschließende Selbstfindung zentral, ob in "Forgotten", das mit einem sich stetig zuspitzenden Refrain aufwartet, dem schönen "Act Like A Man", das sich im sanften ¾-Takt wiegt, das melodramatische "Whose Hands Are These" mit verschlungenem Melodiebogen oder "No Words", dessen Struktur an seinem Hit "Beautiful Noise" erinnert.
Im zurückgelehnten "Slow It Down" mimt Diamond den weisen alten Mann, der den Kindern zu repetitiven Gitarrenakkorden rät, das Leben nicht allzu schnell anzugehen. Sein Werdegang gibt ihm wohl Recht. Ganz unaufdringlich beschließt er das Album mit dem eindringlichen Titeltrack wieder zur gezupften Gitarre und zarten Synthie-Arrangements.
Mit "Home Before Dark" ist Neil Diamond endgültig Zuhause angekommen, sein typisches Songwriting entfaltet in diesem sparsamen Ambiente seine volle Geltung. Ein souveränes und vielseitiges Werk, dessen Melancholie von der Gelassenheit des nicht mehr wehmütig zurückblickenden Songwriters überlagert wird und mit dieser behaglichen Stimmung die intimeren "12 Songs" folgerichtig weiterführt.
3 Kommentare
schön, schön - aber warum dann 'nur' 3 Sterne?
Zitat (« Auf "12 Songs" (2005) schien die Angst des einstigen Entertainers mitzuschwingen, das erste Mal seit Jahren seine Songs allein zur Akustikgitarre vorzutragen. Auf "Home Before Dark", das in den USA bereits die Chartsspitze erklommen hat, klingt der 67-jährige Diamond hörbar selbstbewusster und expressiver als noch auf dem Vorgänger. »):
Genauso ist es! Im Vergleich zu den ohnehin tollen "12 Songs" klingt Neil tatsächlich so etwas wie "befreiter", er traut sich noch mehr.
Habe das Album erst einmal gehört, das intensivere Nachhören mach ich an diesem Wochenende. 4 Punkte wären auch mir bislang diskutabel.
Das Neil in 2 Wochen in Deutschland Konzerte gibt, ist euch bekannt?
28.5. München
31.5. Köln
2.6. Hamburg
Lieben Gruß Martina