laut.de-Kritik

Zucker für die Ohren.

Review von

Die Bandleader Tobias Gustavsson und Jonny Wemmenstedt eifern nach ihrem Debüt-Erfolg mit "Kids From The Ghost Town" auch auf "Teenage Rebel" den Hairspray-Helden aus den Achtzigern nach. Europe, Bon Jovi, Van Halen und Journey stehen als Fixsterne am heimischen Hardrock-Himmel.

Egal ob hart ("Teenage Rebel") oder zart ("Caroline"); Nestor spielen die Klaviatur des Achtziger-Songwritings und des damit einhergehenden Sounds perfekt. Im Dunstkreis von H.E.A.T, Eclipse und The Night Flight Orchestra angesiedelt, beschwören die Schweden den Those-Were-The-Days-Vibe und transportieren ihn ins Hier und Jetzt.

"21" etwa verkörpert den rauen Charme der NWOBHM und die melodische Sorglosigkeit des Hardrock. Nestor zeigen, dass beides geht: Besenkammer-Bastarde und haartoupierter Hochadel. Maidens Eddie mit Haispray! Insofern rangieren Gustavsson und Co. auf dem Qualitäts-Barometer weit über Hairspray-Hampelmännern wie Steel Panther.

Das analoge Achtziger-Aroma erreicht seinen emotionalen Höhepunkt in den beiden Balladen "The One That Got Away" und "Daughter". Nah an der Kitsch-Grenze gebaut, verarbeitet Fronter Gustavsson im ersten Song die Erinnerungen an eine Jugendliebe und setzt mit dem zweiten Track seiner Tochter ein akustisches Denkmal. Tina Turner, Chicago und Toto vermengt das Quintett zu tränenziehenden Gefühlsstürmen, die live den hell erleuchteten Smartphones den Strom aus den Akkus saugen.

"Last To Know", leck mich fett, da leg ich mich fest, ist DER Song des Jahres. John Waites "Missing You" und "Every Breathe You Take" von The Police stehen Pate für die Strophe, bevor im Refrain die Hook den Himmel in bester Def Leppard-Manier durchstößt. Hier gibt Gustavsson die ultimative Textzeile zum besten: "My life plays back like a movie scene, i missed those days when we were seventeen". Die Melancholie ist Motivation gleichermaßen, den verblichenen Flammen im neu-entfachten Hardrock-Feuer ein sehnsüchtig-schmachtendes musikalisches Manifest zu bieten.

"Victorious" klingt, als wäre Rocky Balboa zu diesem Track die Treppen hoch und runter gewetzt. Die im Song vermittelte Siegermentalität führt die Band in der visuellen Umsetzung förmlich auf Glatteis. Die Band spielt Eishockey und gewinnt aus schier aussichtsloser Position in bester David gegen Goliath-Manier das Spiel.

Das Intro "The Law Of Jante" greift die Melodie  des Hits "1989" des Erstlings auf und bildet die Brücke zum Debüt. Nestor treten als Vollprofis auf. Auch in der Live-Darbietung sitzt jeder Ton, und dennoch klingt der Sound lebendig. "Teenage Rebel" ist Zucker für die Ohren.

Nestor sind ein Bindeglied zwischen den Generationen. Zu würdigen sind auch Bands wie Harem Scarem, die seit Jahrzehnten die Melodic Rock-Fahne hochhalten. Ob der neue Wein in alten Schläuchen gepanscht ist oder den nötigen Punch besitzt, darüber darf trefflich gestritten werden.

Trackliste

  1. 1. The Law Of Jante
  2. 2. We Come Alive
  3. 3. Teenage Rebel
  4. 4. Last To Know
  5. 5. Victorious
  6. 6. Caroline
  7. 7. The One That Got Away
  8. 8. Addicted To Your Love
  9. 9. 21
  10. 10. Unchain My Heart
  11. 11. Daughter

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3 Kommentare

  • Vor 6 Monaten

    "Insofern rangieren Gustavsson und Co. auf dem Qualitäts-Barometer weit über Hairspray-Hampelmännern wie Steel Panther."

    Ragism tobt! :mad:

  • Vor 6 Monaten

    Klingt wie eine Bewerbung für den nächsten „Stranger Things“-Soundtrack.

  • Vor 6 Monaten

    Das Ding ballert! Im Moment pushen viele Bands den 80er-Sound dermaßen, dass es nicht mehr authentisch klingt. Man packt so viel 80er rein, dass es schon nicht mehr nach 80er klingt.
    Nestor machen das viel besser. Die neue Platte ist großes Kino! NWOBH ist zu hören, Bon Jovi, Journey und Survivor fehlen auch nicht. Ich meine sogar einen Touch Tokyo Blade aus ihren großen Zeiten rauszuhören (kann auch Wunschdenken sein). Auch die Einflüsse des 80er-Pop sind gut gelungen. Wer mit den frühen Iron Maiden, Def Leppard, Dokken, Bon Jovi, Journey, Ratt, Survivor etc. aufgewachsen ist, wird dieses Album mit Sicherheit genauso feiern wie jemand, der in den 80ern auf Rod Stewart, Elton John oder Tina Turner abgefahren ist.
    Nestor klauen vielleicht, aber sie klauen verdammt klug! Sie klauen von den Besten. Sie nehmen die alten Zutaten und backen daraus einen glaubwürdigen Kuchen. Die Jungs feiern einfach jene Epoche des Rock - und kopieren sie nicht einfach.
    Das Album wäre 1985 sicher ein Mega-Seller geworden. Es hätte damals genau die Schnittstelle zwischen härterem Rock und angesagtem Pop bedient und Fans beider Lager angezogen.
    Die Band weiß, wie man gute Songs komponieren muss und sie beherrschen ihre Instrumente. Kein One-Hit-Wonder, sondern eine ernstzunehmende Band, die man weiterhin auf dem Schirm haben sollte.
    Schließe mich an: Die gehören auf den nächsten Soundtrack von "Stranger Things"! Für mich auf jeden Fall schon mal Teil meines Soundtracks für den (hoffentlich nicht total verregneten) Sommer 2024.