laut.de-Kritik

Gut gebrüllt, englischer Löwe!

Review von

33 Jahre nach Gründung verkörpert das zwölfte Studioalbum "Between Dog And Wolf" der Postpunk- und Alternative-Legende New Model Army Schicksalsplatte und Neustart zugleich. Denn aller Tiefschläge des Lebens zum Trotz: Zwischen gut abgehangen und unerwarteter Neuerfindung gelingt ihnen einmal mehr ein Hingucker.

Ein verheerender Studiobrand, geklaute Gitarren und der plötzliche Tod von Manager und best Mate, Tommy Tee, sind nur einige der Knock Outs, die Justin Sullivans Truppe ereilte. Doch fallen kann jeder. Nur liegen zu bleiben entspräche nicht dem unbeugsamen Naturell des englischen Haudegens Sullivan.

Also Ärmel hoch gekrempelt und die ganze Produktion kurzerhand selbst gestemmt. Dazu den Edelmixer Mr Joe Barresi (Tool, Soundgarden oder Queens Of The Stone Age) verpflichtet, und das Ergebnis: ein neuer, frischer Sound!

Eine der Hauptattraktionen ist die Wall Of Drums. Ganze Armeen klanglich hochwertiger Toms ergießen sich über den Hörer. Das passt als roter Faden so dermaßen wie die berühmte Faust aufs Auge der NMA. Man möchte sofort ein paar der alten Klopper in diesem Soundgewand wiederhören. Der Trick, so Sullivan: "Die Rhythmusgitarren waren zahlreich vorhanden. Wenn man die wegnimmt - quasi löscht - und das Ganze zum Beispiel mit Tomtoms oder mit einem Bass auffüllt, entsteht ein klanglicher Freiraum".

Atmosphärisch betrachtet macht die Wolfsplatte ihrem Titel alle Ehre. "Between Dog And Wolf" ist ein alter Ausdrück für die Zeit der Dämmerung. Genau so klingt sie auch. Der Anteil der Nacht zeigt sich in der ungewohnt sinistren düsteren Grundton. Das Dunkle wird jedoch immer wieder aufgebrochen von ausgelassen verspielten Orgien, bei denen sich schwelgende Melodien ("March In September") und knackige Rhythmen ("Seven Times") die Hand reichen. Unbedingt anhören: die Note gewordene Droge "Did You Make It Safe".

Auch textlich befreit sich der gute Justin aus der Rolle des zu Recht ewig geifernden Mahners, Aufklärers und Feindes aller Ungerechtigkeit. Alles, was in dieser akopalyptischen Gegenwart im Argen liegt, hat der alte Revolutionär bereits auf "Today Is A Good Day" seziert.

Schnöde Wiederholungen endzeitlicher Aktualität sind so zum Glück nicht des Meisters Ding. So ändert der Mann aus Birminghamshire kurzerhand die erzählerische Perspektive und gibt sich erstmals dem Storytelling hin. Samt lyrischem Ich, und einer bildgewaltigen Sprache zwischen Poesie und schroffer Direktheit funktioniert das hervorragend.

Mit der berührenden und im Kern wahren Geschichte "Quasr El Bridge" liefern die Briten dann sogar noch einen Übersong mit: So gegensätzlich karg und pathostrunken wie jener Wüstenort, an dem die Handlung spielt, klingt das.

Gut gebrüllt, englischer Löwe! Nach dem Genuss dieser, auch für Einsteiger idealen Scheibe kann man den Hut davor ziehen, wie sich die New Model Army am eigenen Schopf aus der Krise zieht und Leid in ein kreatives Feuerwerk verwandelt.

Trackliste

  1. 1. Horsemen
  2. 2. March In September
  3. 3. Seven Times
  4. 4. Did You Make It Safe?
  5. 5. I Need More Time
  6. 6. Pull The Sun
  7. 7. Lean Back And Fall
  8. 8. Knievel
  9. 9. Stormclouds
  10. 10. Between Dog And Wolf
  11. 11. Qasr El Nil Bridge
  12. 12. Tomorrow Came
  13. 13. Summer Moors
  14. 14. Ghosts

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