laut.de-Kritik
Wie hieß der Hund von Ian Curtis?
Review von Michael SchuhMan lernt ja nie aus: U2-Sänger Bono vergötterte Ian Curtis, den 1980 durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Joy Division-Sänger. So explizit würde der das vielleicht nicht öffentlich formulieren, vermutet zumindest Quincy Jones in "New Order Story" vergnügt, aber ihm habe es der Ire in einer ruhigen Minute einmal verraten. Factory-Labelboss Tony Wilson ist sich derweil sicher, Curtis wäre der charismatischste Frontmann der 80er Jahre geworden. Spätestens nach dem U2-Auftritt bei Live Aid 1985 dürfe sich jedoch Bono diese Auszeichnung rechtmäßig anheften.
Pet Shop Boys-Sänger Neil Tennant erinnert sich fassungslos an den Augenblick, als er erstmals die "Blue Monday"-Maxi auflegte und deren stilprägende Basslinie hörte. Trotz Begeisterung über das Stück rührt Tennants leiser Missmut daher, dass Kollege Chris Lowe damals gerade an einer ähnlichen Basslinie für ein Stück namens "I'm Keeping My Fingers Crossed" saß. "Ich weiß noch, wie ich Chris anrief, und ihm sagte, dass wir es lassen können", schließt der Sänger. Solche Anekdoten hört man doch gerne, und daher darf der als Geschichtsdoku konzipierten "New Order Story" auch ein gewisser Unterhaltungswert zugeschrieben werden.
Warum das Cover des eher schwächeren "Republic"-Albums als Vorlage dient, ist schnell erklärt: "New Order Story" erschien bereits 1993 als Videokassette, und mehr Arbeit als die mit den Untertiteln scheint man sich bei der digitalen Aufbereitung auch nicht gemacht zu haben. Wer die Doku also schon kennt, erfährt hier nichts Neues und darf gern zur parallel erscheinenden und inhaltlich ausführlichen Videoclip-Werkschau "A Collection" greifen.
In etwas über zwei Stunden kommen auf "New Order Story" alle Bandmitglieder, zahlreiche Musikerkollegen sowie der verstorbene New Order-Manager Rob Gretton zu Wort. Negativ fällt auf, dass die szenischen Übergänge zu Clips und Live-Einspielern (Montreux 1993) eher unsanft geschnitten sind, so dass man beim Zuschalten der Untertitel oftmals kaum Schritt mit den Bildern halten kann. Überraschenderweise wirken New Order trotz der schwierigen Bandphase - man trennte sich 1993 für ganze sieben Jahre - ziemlich gelassen, sie erheitern des öfteren mit ihrem gewohnt spontanen Witz. Mal sitzt die Band am runden Tisch und parliert bei Wein und Bier, mal lässt sich Bassist Peter Hook lässig im Anzug zwischen einigen Bardamen im Club interviewen.
Einen leichten Absurditätsfaktor liefert eine (fingierte?) Talkshow, in der die Bandmitglieder in einer Art "Wer Wird Millionär"-Quiz für Joy Division/New Order-Kenner überzeugen müssen ("Wie hieß der Hund von Ian Curtis?"). Dazwischen gibt es reichlich Videoclips, teilweise nur ausschnitthaft, von denen der erhaltene Proberaum-Clip von "Love Will Tear Us Apart" mit JD-Sänger Curtis sicherlich am sehenswertesten ist. Nicht zu vergessen aber auch ein TV-Auftritt New Orders mit "Blue Monday" live in einer Art "Tele-Illustrierte"-Sendung (falls die noch jemand kennt) und ein '93er Strandauftritt mit "Regret" am "Baywatch"-Set inklusive dem üblichen Verdächtigen.
Abschließend darf man sich noch mit New Order freuen, dass nach Curtis' Tod nicht einer der übrigen Vorschläge für den neuen Bandnamen zum Zuge kam. Zur Auswahl standen "Barney, Steven And Peter", "Black September" und "The Witchdoctors of Zimbabwe". Mit New Order wählten Barney, Steven, Peter und Gillian letztlich einen Namen, der sie weit mehr ins Rampenlicht der Kontroverse zurück katapultierte. Wie schon Joy Division stammt der Begriff aus dem Vokabular des Dritten Reichs.
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