Wer hats erfunden? Tine Plesch!
Am Morgen, an dem die erste Folge dieser Kolumne online ging, stellte sich Hektik ein. Bis dahin eigentlich unter dem Namen "Die Frau in der Musik" geplant, sollte nun doch fix ein neuer Titel her. Also zwei Stunden Gebraine, und - schwupps! - stand "Akte XX" fest. Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Tine Plesch hatte in den Neunzigern bereits eine so betitelte Radioreihe beim nichtkommerziellen Radiosender Radio Z produziert. Das hat man nun davon, wenn man in einer Welt aufwuchs, in der es nur HR3, Radio FFH und bestenfalls SWR3 gab. Wir alle haben unsere blinden Flecken.
Wie in anderen von ihr ins Leben gerufenen Reihen, beschäftige sie sich auch in dieser mit der Frau und Gender in der Musik und stellte wöchentlich eine neue Künstlerin vor. Die engagierte Musikjournalistin und feministische Autorin thematisierte in ihren Sendungen und Texten die Riot Grrrl-Bewegung, Ladyfeste, elektronische Musik und weibliche Repräsentation. Die Mitherausgeberin der Zeitschrift Testcard schrieb auch für Melodiva, Superstar, Jazzthetik, junge Welt, Raumzeit, Yot-Infozine und Intro. Wie meine bei diesem Thema immer wieder zum Nachdenken anregende Freundin Katja Röckel von Radio Blau mich lehrte: "Tine hat uns den Weg geebnet."
Als jemand, der sie nicht kannte, fällt mir schwer, etwas zu sagen, das ihr gerecht wird. Was mich ihr näher brachte, mich zum Nachdenken anregte, war ein Teil des von Martin Büsser verfassten Nachrufs in Melodiva: "Tine hat stets eine Lanze für jene gebrochen, egal ob Frauen oder Männer, die sich nicht in bequeme Rollen gefügt haben, sondern aus Liebe zum Leben etwas Besseres, ja Intensiveres als das bequeme Festgefügstein suchten. Menschen, die auf der Suche waren, für die Leben kein abgeschlossener Prozess war, sondern ein Abenteuer mit offenem Ausgang. Das Gegenteil von Tod."
Viel mehr noch sagen die Reaktionen der Menschen aus, die die am 4. November 2004 an einem septischen Schock verstorbene Tine Plesch kennenlernen durften. Diese waren von Wärme und Hochachtung geprägt.
Die Sendung "Akte XX" läuft immer noch auf Radio Z. Tines Stimme kann man nach wie vor im Sendungsjingle hören. Der Sender erlaubt mir freundlicherweise, dass meine Kolumne weiterhin diesen Namen trägt. Ich hoffe sehr, dass sie Tine Plesch wenigstens einigermaßen gerecht wird. Vielleicht findet sich in Zukunft auch einmal die Möglichkeit, etwas gemeinsam mit den heutigen Moderator*innen auf die Beine zu stellen.
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