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Corie Emm - "Die Plattenbossin"

Worum gehts?

Finnya Staiger, in leitender Position bei einem großen deutschen Musiklabel tätig, muss für einen Kollegen einspringen und einen wichtigen TV-Auftritt eines Nachwuchssternchens betreuen. Erst verschwindet der Schoßhund der Newcomerin, dann selbige, und beim Versuch, das Fehlen der Hauptperson zu verschleiern, laufen die Dinge zunehmend grotesk aus dem Ruder. Die Story mag stellenweise unglaubwürdig wirken, die teils unangenehmen bis widerwärtigen Gestalten aus der Entertainment-Branche, die dieses Buch bevölkern, komplett überzeichnet und klischeehaft. Genau so lange, bis einem "High Fidelity" in den Sinn kommt: Da dachten auch alle, die Nerds, die dort im Plattenladen herumhängen, seien Karikaturen - mit Ausnahme von Menschen, die in Plattenläden arbeiten, die nämlich wussten: Diese Sorte Typ ist GENAU SO.

Der Effekt bei "Die Plattenbossin" funktioniert sehr ähnlich. Wer je in die Kulissen der Unterhaltungsindustrie geschaut hat, weiß, dass im stinkenden Sumpf hinter der glitzernden Fassade genau diese Figuren wohnen. Der großmäulige Aufsteiger, der sich beim Chef einschleimt, fließend Marketing spricht, die Drecksarbeit jedoch auf andere abwälzt. Der beflissene, noch nicht desillusionierte Praktikant, der dem Ende seiner Probezeit entgegenzittert. Die ehrgeizige Karrierefrau, die ihren Idealismus zusammen mit ihrer Weiblichkeit irgendwann im Wandschrank versteckt, um im testosterontriefenden Herrenwitzel-Club mitspielen zu dürfen. Die unbedarfte, aber ambitionierte Newcomerin, die gnadenlos verheizt wird, und ihr aufgeblasener Wichtigtuer von Freund. Der Manager, Typ hängengebliebener Hippie, der im Grunde das Beste will, mit den modernen Zeiten aber nicht mehr so recht Schritt halten kann. Der alternde Showmaster, dem die Stielaugen schier in die Dekolletees seiner weiblichen Gäste fallen, der Senderchef, der sich qua Position befugt fühlt, sich nicht aufs Gaffen zu beschränken, und die Mitarbeiter*innen, die aus Angst um ihren Job auch noch das mieseste Verhalten deckeln. Sie alle mögen noch so sehr wie ihre eigenen Zerrbilder wirken. Aber: Solche Leute gibt es in der Musikindustrie wirklich, und davon nicht gerade wenige.

Wer hats geschrieben?

... was Corie Emm tatsächlich sehr genau weiß, weil sie die Branche in- und auswendig kennt: Sie arbeitete jahrelang für kleine, größere und die ganz großen Labels, betreute Künstler*innen bis hin zur Größenordnung von Moby und Depeche Mode, und auch wenn der obligatorische Disclaimer im Buch behauptet, Ähnlichkeiten der Charaktere mit real existierenden Personen seien rein zufällig, wette ich doch mindestens um ein Vintage-Mikrofon, dass sie beim Schreiben zu jeder einzelnen ihrer Figuren eine Vorlage aus Fleisch und Blut im Sinn hatte.

Wer solls lesen?

Die zugrunde liegende Räuberpistole ist, weil im Vergleich zur Milieustudie Nebensache, ein wenig dünn, für beinharte Krimi-Fans eignet sich der Roman also wahrscheinlich weniger. Wer aber einen Blick ins unglamouröse Backstage des Unterhaltungsgeschäfts werfen will, bekommt Einiges geboten. Vorausgesetzt, die Berührungsängste mit schrillen Gestalten halten sich im Rahmen.

Das beste Zitat:

"Ach, fuck off ... Das ist doch alles sexistische Kackscheiße, hier!"

Wertung: 4/5

Text von Dani Fromm

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