Die Nerven
Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?
Julian Knoth: Ich würde sagen: mal so mal so. Am Anfang, als plötzlich alle Termine abgesagt waren, kam plötzlich Tatendrang auf. Später wurde es dann auch zäh. Seit einiger Zeit überwiegt aber wieder die Freude am kreativen Arbeiten.
Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Seid ihr schon kräftig am Konzerte organisieren?
Nein, wir haben mit Die Nerven das große Glück, dass wir dieses Jahr sowieso eine Livepause eingeplant hatten. Auch sonst habe ich so etwas meine Probleme damit, mich an Konzerte zu gewöhnen, in denen es keinen Körperkontakt, keine Bewegungsfreiheit gibt. Mal abwarten. Mit anderen Projekten ist es so ein Hin und Her zwischen planen, abwägen und verschieben.
Auftreten ist für Bands das A und O. Aber rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?
Das ist alles noch nicht abzusehen. Aber es braucht da sicher andere Förderungen.
Was kann man tun, um sich als Musiker*In finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?
Diese Krise trifft die Kulturszene hart und in allen Bereichen. Wir müssen über andere Modelle sprechen, wenn wir sie erhalten wollen. Wir brauchen den Untergrund und die Menschen, die das aus Leidenschaft machen, ob es nun Menschen sind, die veranstalten oder künstlerisch aktiv sind. Es muss klar werden, dass die Kunst nicht aus dem Nichts entsteht, und dass sie nicht immer mit einem bürgerlichen Leben und Nebenjob vereinbar ist. Wir müssen uns fragen, was uns Kultur wert ist. Einen Bruchteil eines Centbetrags für einen Stream?
Wie ist die Situation konkret für euch: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?
Ich bin da tatsächlich auch einfach überfordert mit der Situation. Teilweise konnte man einfach was beantragen, teilweise nicht. Insgesamt fühlt man sich im Vergleich schon ungerecht behandelt, auch wenn es vielen noch schlechter geht – klar. Was ich mir wünsche, sind insgesamt unkomplizierte Hilfen, und ja, da denke ich auch an ein bedingungsloses Grundeinkommen, zumindest mal als Modellversuch in dieser Krise. Genauso wichtig finde ich aber auch, dass man spätestens jetzt, wo alle mal bemerkt haben, was systemrelevant ist, auch über eine Lohngerechtigkeit spricht.
Julian Knoth ist Bassist von Die Nerven. Ihr letztes Album "Fake" erschien 2018. Zu Julians Seitenprojekten zählen Yum Yum Club und Peter Muffin.
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