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David vs. Gottschalk

Wirklich nicht befassen wollte ich mich eigentlich mit "Wetten, Dass..?", auch wenn natürlich ein Anlass zur Freude war, dass Thomas Gottschalk endlich, endlich seinen Hut genommen hat. Wer weiß? Vielleicht behält er ihn diesmal sogar. Mit der unsäglichen "Atemlos"-Kollabo-Grütze, die Helene Fischer und Shirin David im Rahmen der Samstagabend-Show bewarben, mussen wir uns zum Glück gar nicht aufhalten, die hat ja dieser Yannik™ schon für uns filetiert.

Wir können aber trotzdem noch einmal einen Blick darauf werfen, wie (was zu erwarten war) Shirin David und der alternde Moderator aneinandergeraten sind. Auch, wenn man der Rapperin (oder dem Pop-Star oder der Geschäftsfrau, wie immer man sie auch bezeichnen mag) wenig bis gar nichts abgewinnen kann, führte sie doch virtuos den Beweis, dass Gottschalk nicht etwa zum richtigen Zeitpunkt in Rente ging, sondern schon mindestens zehn Jahre zu spät.

Ihre Begeisterung für die Oper sehe man ihr gar nicht an, wunderte sich der greise Showmaster, genauso wenig sehe sie wie eine Feministin aus, und man fragt sich, wie opernbegeisterte Feministinnen in der Gottschalkschen Rübe wohl aussehen. Nickelbebrillte, lila belatzhoste Alice-Schwarzer-Klone mit verfilzten Haaren? Shirin David ließ ihn mit seinen hängengebliebenen Altherrenwitzeleien, seinen herablassenden Gestichele ("Bei manchen weiß man gar nicht, wofür sie überhaupt berühmt sind") und seinen Vorurteilen gnadenlos auflaufen: überfällig, dass das endlich eine wagte.

Anja Rützel, die Königin der Trash-TV-Rezension, hat die Situation für den Spiegel festgehalten: "'Hättest du gedacht, dass du mal neben mir sitzen würdest?', fragt Gottschalk. 'Ja', sagt David ohne zu zögern. Und versucht ihm in weiteren mit zugewandter, für ihr Gegenüber vermutlich provozierender Geduld zu erklären, dass Feministinnen und Opernliebhaberinnen auch so aussehen können wie sie, und dass Influencer Menschen mitunter begeistern können, weil sie so nahbar sind, man sich ihnen verbunden fühlen kann. Nahbarkeit, das ist das gegenteilige Konzept zur Podestkonstruktion von 'Wetten, dass..?' und seiner Star- und Leistungsträgerparade. Und einem Showfeld, das Gottschalk stets in Dominanz bespielte. Shirin David fordert ihn nun zum Haltungs-PingPong, das ist hier nicht vorgesehen, sie stört das gottschalkgegebene Gefüge, in dem er mit Weltstars wie Cher unbehelligt sagenhaft leere, gleichzeitig aber natürlich komplett ikonische Sätze wie 'I met you at the shoe store once in Malibu' austauschen konnte. Er freue sich, sie an der Hand halten zu können, hatte er vorher noch zu ihr gesagt, bei einem kleinen Dialog, der vom Simultandolmetscher unübersetzt blieb: 'Denn heute hat man echt Angst, ein Mädchen anzufassen.' Darauf Cher: 'Kommt darauf an, wo du hinfasst.' Gottschalk geht nun auch, als es gerade interessant werden könnte, weil seine Show – im doppelten Sinn – mit ihren selbstbewussten Gästen wie vor allem Shirin David plötzlich herausgefordert würde. Die die Autoritätsregeln seiner Show nicht mehr kennen und schon allein deshalb nicht mehr mitspielen."

Applaus dafür.

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7 Kommentare mit 19 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Ob die Kritik an ihm berechtigt ist oder nicht, soll jeder für sich entscheiden, aber hält der Rezensent seine Wortwahl, in der er über einen älteren Mitbürger, also jemanden aus einer anderen Generation spricht tatsächlich für die Art korrekten Auftretens, welches er Thomas Gottschalk abspricht, oder nicht viel mehr dasselbe in Grün, nur eben in die andere Richtung?

  • Vor einem Jahr

    Die interessante Ironie ist ja, dass Gottschalk einmal als frecher und selbstironischer Entertainer, der kein Blatt vor dem Mund nahm und mit den größten Stars locker plaudern konnte, die grenzen neu Absteckte und alte Spießer im Fernsehgeschäft und auf den Sofas auf die die Palme brachte. Heute ist er die Reizfigur einer neuen, jungen und jede frivole Heiterkeit unterdrückenden, freudlosen Intoleranz.
    Altersdiskriminierung gehört auf laut ja zum guten Ton.

    • Vor einem Jahr

      Haste beim Schreiben nicht selbst gemerkt? Echt jetzt? Respekt.

    • Vor einem Jahr

      Dieses Freche war schon vor 20 Jahren nur noch anmaßend und übergriffig.

    • Vor einem Jahr

      Irgendwann war Gottschalk nur noch ein notgeiler alter Tatschbruder, bei dem es fast schon körperlich wehgetan hat zuzusehen, wenn er junge weibliche Gäste in seiner Show zu Besuch hatte.
      Heute ist das nur noch ein selbstgerechter alter Labersack, der keinen Plan hat, was jüngere Menschen umtreibt, welche Musik diese gut finden oder was diese sonst so machen. Gleichzeitig hält er sich noch immer für den Mittelpunkt des Universums, ist aber halt nur noch der lächerliche alte Onkel, der einem beim Familientreffen mit seinen Stories auf die Nüsse geht.

    • Vor einem Jahr

      True dat, aber er war das auch schon, als ihn Gudrun und Ines noch für gewitzt gehalten haben.
      Deutschland muss sterben.

    • Vor einem Jahr

      Er wird nicht "diskriminiert" weil er alt ist, sondern weil er Scheiße labert.

    • Vor einem Jahr

      Hans Müller wird hofftl für sein Scheissgelaber auch altersdiskriminiert.

  • Vor einem Jahr

    Ob Shirin David mit ihrem Girlboss-Feminismus ihrer zu Tode optimierten Persona und ihrer arztgegebenen Persönlichkeit als nahbar zu bezeichnen ist, dürfen gern andere beurteilen. Ich bin dankbar von dieser Geschichte nur durch Dani mitbekommen zu haben.

  • Vor einem Jahr

    Gottschalk ist schon lange kein Goliath mehr, sondern ein verbitterter alter Mann, der in einer Zeitschleife hängengeblieben ist.

  • Vor einem Jahr

    Der alte, weiße, überhebliche Mann hat sich nochmal geoutet!!
    Er kann nicht akzeptieren, daß sich die Gesellschaft versucht, zum Besseren zu entwickeln, in Richtung Respekt und Gleichberechtigung!
    Statt sich selbst zu hinterfragen, beklagt er, daß seine chauvinistischen, "Frauen verachtenden Sprüche" und körperlichen Übergriffigkeiten nicht mehr akzeptiert werden, und zieht ein bisschen beleidigt und würdelos von dannen!

  • Vor einem Jahr

    Gottschalk ist die alte Generation und ihre unangenehmen Verhaltensweisen auf die Spitze getrieben und Shirin ist das selbe für die junge Generation. Das ist nicht David gegen Goliath, obwohl das ein ganz tolles Wortspiel ist. Das ist Ken gegen Barbie: Beide von der Industrie produziert, transportieren irreale Bilder davon wie ein greiser Mann oder eine normale, junge Frau aussehen sollen, stinkreich durch die Dummheit des Klatschviehs (Gottschalk) und des Klickviehs (David). Da hat nicht der Femismus gewonnen oder das Patriarchat verloren. Das war nur die Übergabe des Staffelstabs vom alten Kapitalist zur jungen Kapitalistin. Das Produkt bleibt das selbe nur der Markenbotschafter ist jetzt eine Markenbotschafterin.