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Injury Reserve Live

Diese insgesamt doch eher Schlagzeilen-arme Woche gibt mir die Möglichkeit, euch hinten raus noch etwas über einen eindrucksvollen Konzertbesuch zu erzählen. Im vergangenen Monat stoppten Injury Reserve, die gerade ihr (voraussichtlich) finales Album durch die USA und Europa touren, auch in Köln und ich bin heilfroh, dass ich mir die Möglichkeit, das Duo vielleicht ein letztes Mal sehen zu können, nicht entgehen ließ.

Der schnuckelige Yuca-Club in Köln-Ehrenfeld zählte an diesem Abend vielleicht gerade einmal hundert Leute, von denen sich die meisten auch erst unmittelbar vor dem Auftritt Injury Reserves einfanden, aber das tat der Intensität der Erfahrung keinen Abbruch. Der Opener Body Meat, der mir vorher kein Begriff war, bekam fast eine volle Stunde Zeit, um der Crowd mit hyperaktivem Noise-Pop einzuheizen, ehe gegen neun Uhr nach kurzen Umbauarbeiten Ritchie With A T und Parker Cory die Bühne betraten.

Ich konnte mir nur schwer ausmalen, wie sie ein so emotional beladenes und stilistisch überforderndes Album wie "By The Time I Get To Phoenix", das sie ihrem verstorbenen Mitglied Steppa Groggs widmeten, vor einem Live-Publikum umsetzen wollen. Wie schon bei den Shows, die während ihrer letzten Tour ultimativ zur Konzeption dieses Albums führten, wählte das Duo einen sehr freiförmigen Ansatz. Sie spielten "By The Time I Get To Phoenix” in seiner Gänze, doch die Songs gewannen live nicht nur an Dringlichkeit und Emotionalität, Produzent Parker ergänzte beinahe jeden Track um mäandernde und ohrenbetäubende Outros, führte noch vorsichtiger und intensiver an den Klimax der jeweiligen Songs heran, oder änderte teils einfach gleich die gesamte Instrumentation. Wie etwa bei "Superman That", dessen minutenlanger Epilog einen einzigen auditiven Trip darstellte, oder "Smoke Don’t Clear", das live fast nicht wiederzuerkennen war.

Auch weil sich Ritchie bewusst selbst verschleierte, sowohl visuell wie auch stimmlich. Nicht nur ließ er sich stellenweise von Parkers instrumentalen Bombardment so sehr begraben, dass man seine Stimme kaum mehr ausmachen konnte, auch flutete er die Bühne wechselhaft ununterbrochen mit so viel Nebel und Strobo-Lichtern, dass man selbst in der zweiten Reihe teilweise bestenfalls seine Silhouette ausmachen konnte. Ich versuchte das Ganze an einer Stelle zu filmen, aber mein Handy war mit diesem visuellen Anschlag sichtlich überfordert.

Ein surreales Erlebnis, das gegen Ende des Sets einen emotionalen Höhepunkt fand, als Groggs Verse auf "Knees" einsetzte, die beiden das Licht auf der Bühne anschalteten und jene prompt verließen. Sie gebührte in diesem Moment einzig und allein ihrem verstorbenen Freund. Die anschließende Zugabe ließ den Kloß im Hals jedoch keinesfalls kleiner werden. Im Gegenteil: Nach einer fast schon ätherisch anmutenden Darbietung von "Bye Storm", folgte überraschend ein älterer Song. "What A Year It's Been" öffnete erneut mit Groggs Worten vom Band. Er rappt über seine Depression, über seine Töchter, seine Mutter, er klingt optimistisch: "The boy is a star, soon enough you can say that". Als ihn Ritchie ablöst und seine Stimme kurz bricht, steigen mir dann doch noch die Tränen in die Augen.

Um das Konzert allerdings nicht auf dieser deprimierenden Note zu beenden, schließen die beiden mit einer Reihe ihrer größten Banger und Fan-Favorites. Zunächst "ttktv", einem der größten Standouts ihres ersten Mixtapes, anschließend "All This Money" gefolgt von Sped Up-Versionen von "Oh Shit!" und "Jailbreak The Tesla", bei denen vor der Bühne sogar ein kleiner Moshpit ausbricht. Für diesen kurzen Moment, wenn Ritchie das Mikro in die Menge hält und alle "Fuck it, jailbreak the tesla" schreien, fühlt es sich fast wie ein reguläres Hip Hop-Konzert an. Aber eben auch nur fast.

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