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Bogota-Brandmauer

Bei Bushido blickt man, was dessen Nebeneinkünfte betrifft, mittlerweile ja noch viel weniger durch. Auch wenn der Mann diese Woche ausnahmsweise mal wieder mit musikalischen Plänen von sich hören lässt, finde ich seinen sonstigen Output erneut wesentlich interessanter. Getrieben von der Meldung, dass er in der neusten Folge seines Podcasts mit Marvin California eine mögliche Fortsetzung der Shindy-Kollabo "CLA$IC" in Aussicht stellt (wen juckts?), hab' ich da mal kurz reingehört und bin bei der Diskussion der beiden über die Ergebnisse der Europawahl hängen geblieben.

Klar hab' ich bei einer Auseinandersetzung zu diesem Thema von einem in Amerika lebenden Trump-Stiefellecker, der sich damit rühmt, beim Wahl-O-Mat nur die zweitrechteste Partei vorgeschlagen zu bekommen, und einem nach Dubai ausgewanderten Reality-TV-Star kein intellektuelles Feuerwerk erwartet. Aber es ist doch immer wieder ein ziemlicher Reality-Check, wenn man hört, wo sich solche Menschen im aktuellen politischen Klima verorten.

Bushido hat, sagt er, gar nicht gewählt, weil Europa ihn nicht jucke. Die Grünen seien als Partei nicht regierungsfähig und eh nie seine Partei gewesen, weil er lieber Lamborghini und Ferrari im tollen Dubai fahre, und Scholz sei das Peinlichste, das Deutschland in den letzten Jahren passieren konnte. Nicht etwa der Fakt, dass komplett Ostdeutschland nach Schlumpfhausen ziehen möchte. Die Schuld für die aktuellen politischen Probleme schiebt er ausschließlich der Ampel in die Schuhe, nicht dem maroden, von der CDU gelegten Fundament, auf dem deren Amtszeit aufbaute.

Er wird dabei allerdings auch nicht müde, zu betonen, dass er die AfD und ihre Wähler verabscheue und er sich Sorgen um Deutschland mache, sollte eine solche Partei an die Macht kommen. Sein Gesprächspartner hält sich, was das angeht, wesentlich bedeckter und entgegnet stattdessen, die AfD würde eh keine Regierung stellen und man habe sich diese Entwicklung mit der aktuellen Politik ja selbst eingebrockt.

Diese Einstellung dürfte wahrscheinlich den aktuellen politischen Zeitgeist vieler Deutscher ziemlich gut wiedergeben. Bushido hat laut eigener Aussage politisch keine Ahnung, verortet aber die akutesten Probleme in der Migration und rennt blind zur Opposition, Marvin geht noch einen Schritt weiter und liebäugelt mit rechtsextremenen Parteien, "um der Reigerung einen Denkzettel zu verpassen", und wir tun immer noch so, als wären wir nicht im Vollsprint ins offene Messer gerannt, das sich in den Ergebnissen der Europawahl spiegelt, und als habe Hip Hop seine linke Identität nicht ohnehin schon vor Dekaden verloren.

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