Seite 11 von 25

Im ewigen Ikea

Zum Elefanten im Raum der Presseschau: Noisey gegen Prezident.

Der sich hat nach intensiver Äußerung zum rap.de-Artikel (zu lesen in der letzten Doubletime) hier eher mit einem müden Lächeln begnügt. Seine Fanbase nimmt das gerne hin und sagt Sachen, die von euphorischer Zustimmung bis hin zu eigenartiger Medien-Paranoia reichen.

Liest man sich den Artikel von Juri Sternburg durch, verwundert es nicht besonders, wie abweisend die Reaktion von Seiten der Rapfans ausfällt. Wohlwollen oder Verständnis liest man nicht heraus, dafür aber eine ziemlich pauschalisierende Überheblichkeit. Logisch tut es weh, wenn in einem Halbsatz Holocaust-Lines von Farid oder Absztrakkts Psychosen mit einer gewollten Provokation von Koljah oder Prezident in einem Topf landen.

Es ist ein bisschen schade, immerhin sorgt das für ein Wir-Gegen-Die-Narrativ, das eine Diskussion im Keim erstickt. Prezident schoss ja auf "Der Ewige Ikea" bereits gegen die Vice und hat nun leichtes Spiel, von oben herab zu schauen. Immerhin zeigt der Artikel klare Schwachstellen. Prezi seine Bildung abzuerkennen, würde vermutlich niemandem passieren, der sich im Detail mit seiner Diskographie auseinandergesetzt hat. Auch von vorne herein auszuschließen, dass Kritik an der linken Szene in Zeiten des Rechtsrucks ihren Platz haben könnten, ist ein unnötig engstirniges Mindset.

Nichtsdestotrotz kann man für die ein oder andere Aussage durchaus eine Lanze brechen. Fakt ist, dass eine Line wie "Die schlimmsten Herrenmenschen, die, die keine sein wollen" leicht nah am "Antifaschisten sind die neuen Faschisten"-Motiv gelesen werden kann, das sich derzeit bis weit rechts verbreitet. Dieses Video bricht die Frage ein wenig detaillierter auf:

Natürlich darf man davon ausgehen, dass Prezident hier kein solches Motiv aufgreifen wollte. Der sinnvollste Schluss bleibt eine Kritik an linker Doppelmoral, die postkoloniale Strukturen über positiven Rassismus unbewusst reproduziert. Trotzdem sollte sich Prezident dieser Kritik stellen. Immerhin macht ein kurzer Blick in seine Kommentarspalten klar, dass nicht wenige seiner Fans bereitwillig dafür zu haben sind, diese Idee ziemlich weit rechts auszulegen.

Es ist nicht einfach, Kritik an dieser Strömung zu finden, die gerade irgendwo zwischen linken Studenten und dem Mainstream stattfindet. Und für jede nuancierte und intelligente Zeile gibt es eben auch hier solche, die nicht nur am Ziel vorbeischießen, sondern auch rechte Kreise ansprechen könnten. Das ist eine neutrale Beobachtung und sollte es nicht unmöglich machen, Kritik zu üben. Allerdings ist die kritische Beobachtung dessen selbst nicht unwichtig.

Genug Soziologen-Gewäsch, immerhin ist das eigentliche Fazit aus diesem Konflikt ein anderes: Wir brauchen eine Veränderung in der Kritik-Kultur. Es muss möglich sein, Textzeilen oder Formulierungen konstruktiv zu kritisieren. Die Vice hat hier allen Halt über Bord geworfen und ein handfestes Hitpiece auf Prezident gerichtet. Bottom Line: "Hört diesen Typen nicht, er ist rechts." Wie könnte er darauf reagieren, ohne sein eigenes Narrativ zu sprengen? Das ist schwierig - und vor allem schade, denn je weiter er sich nun mit Provokation und Quengeligkeit in einer Ecke verschanzt, desto leichter können rechte Ideen davon profitieren. Immerhin spielt die Vice gerade genau die immerzu "getriggerten" Moralapostel, die ja sowieso nur die Zensur von Kunst anstreben.

Es wäre genauso schön, wenn auch Prezident versuchen würde, sich zumindest ein Stück weit dem zu stellen, was ihm vorgeworfen wird. Und das nicht, um eine Debatte zu "gewinnen" oder am Ende als der Klügere dazustehen, sondern weil inhaltlich interessant und wichtig ist, was da diskutiert wird. Insgesamt ertränkt dieser bescheuerte Hahnenkampf um Status und Identität die eigentliche Frage, die verhandelt werden sollte, und das ist doch alles andere als produktiv. Mit gutem Beispiel voran geht da form/prim, der sich nuancenreich und konstruktiv zwischen die Fronten stellt und in respektvollem Ton nachhakt, wie genau Prezidents Aussagen zum Thema #metoo und Feminismus zu verstehen seien. Man merke: Hier könnte etwas entstehen, mit dem sich alle Parteien am Ende besser fühlen.

Seite 11 von 25

Weiterlesen

5 Kommentare mit 2 Antworten