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Lacazette ist Megatron

Wie mans nimmt. Ich habe mich neulich mit diesem Yannik™ darüber unterhalten, dass das Klangbild im populären Deutschrap in den letzten Jahren immer homogener geworden ist. Um nicht zu sagen: weicher, poppiger und vor allem atziger. Da sticht ein Charakter wie Lacazette, der mit Babyface und Batschkappe darüber rappt, wie er deinen Vater von der Brücke schmeißt, weil er sein Dope nicht bezahlen konnte, in eine Lücke, die über längere Zeit nur spärlich besetzt war. Derber und vor allem charismatischer Straßenrap ist im Mainstream zur Mangelware geworden, und nun gibt Lacazette vielen wieder ein ähnliches Gefühl (Betonung auf "ähnlich") wie als sie vor zehn Jahren zum ersten Mal über Haftbefehl stolperten.

Vor allem, weil seine Art zu rappen Charakter hat. In dem Fall weniger, weil er seinen eigenen Slang erfindet. Mehr, weil seine Wortwahl und seine Betonung dem Cosplay-Charakter seines Auftretens entsprechen. Der rappt halt wie Kevin aus der 10a, der jeden Dialog aus "Scarface" im Schlaf mitsprechen kann und dir auf dem Pausenhof Oregano als Ott verkauft, und das ist nicht einmal negativ gemeint. Da stecken juvenile Verschmitztheit und animierte Toughness drin, bei denen ich verstehen kann, wieso er damit vielerorts offene Türen einrennt.

Auch sein Flow und die teils wirklich markanten Bilder, die er zeichnet, machen hin und wieder durchaus Spaß. Darüber hinaus zeigt seine neue Single "LID", dass er nicht nur den beinharten Hardcore-Rap-Film fährt, sondern auf etwas eingestaubteren Instrumentals fast sogar noch besser funktioniert. Dieses cartoonishe Geklimper kommt seiner Art zu rappen zugute und lässt ihn noch mehr als ohnehin schon wie den animierten Gangsterboss in einem Drei-Fragezeichen-Buch klingen. Erneut: Das ist etwas Gutes.

Insofern gönne ich dem Jungen auch seine Minuten im Spotlight, alleine schon, weil er den musikalischen Einheitsbrei der momentan nachkommenden Newcomer ein wenig auflockert. Dass das ausreicht, um sich wirklich langfristig oben in der Szene festzusetzen und das neue Gesicht des deutschen Straßenraps zu werden, wage ich jedoch stark anzuzweifeln.

Es stellt sich die Frage, ist, ob Lacazette gerade nur aufgrund seiner Musik so erfolgreich ist oder eben, weil er den Durst nach etwas Neuem stillt und dieser Durst so groß war, das man sich auch gerne etwas streckt, um darüber hinwegzusehen, dass eigentlich per se nichts daran neu ist. Wäre "H&K" vor zehn Jahren auch so durch die Decke gegangen? Wir werden es nie erfahren.

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