Klassiker-Ranking: Die 50 besten deutschen Debütalben

Platz 4: Tocotronic - "Digital Ist Besser" (1995)

Wenige deutschsprachige Debütalben klangen so aufregend und andersartig wie "Digital Ist Besser". Bis heute hält sich der Mythos, dass Jan, Dirk und Arne ihre Instrumente gar nicht richtig spielen konnten, vollkommen zu Unrecht, wie sie inzwischen sagen. Denn der Minimalismus und die Simplizität des Tocotronic-Debütalbums, der Wechsel zwischen laut/verzerrt, leise/unverzerrt war eine rein ästhetische Entscheidung, geboren aus einem DIY-Punkethos, angereichert mit dem Garagerock von US-Größen wie Dinosaur Jr.

Genau deswegen traf die Band aus drei "lanky white dudes" einen Nerv unter ihren Alters- und Milieugenoss*innen. Hier schien unendlich viel Identifikationspotential gegeben, jede Zeile wie aus dem eigenen Leben abgeschrieben. Wie Kollege Sven Kabelitz es auf dieser Seite beschrieb: "Sie wurden zum Sprachrohr, zum Archetyp und tausendfach kopiert. Eine Schule ohne eigenen Dirk-Klon, dem die Mädchen hinterherschwärmten, schien fortan undenkbar."

Im Herzen dieser Heldenverehrung lag allerdings auch eine Asymmetrie (wie in den Frisuren der Bandmitglieder), denn Lieder wie "Ich Möchte Teil Einer Jugendbewegung Sein" waren keine affirmativen Werke, sondern subtile Kritiken an ihrer eigenen Position. Die Tagebuch-Ästhetik war nun einmal genau das, eine Ästhetik, eine Methode, ein Filter für die eigene Lyrik. Die Umittelbarkeit war nur suggeriert, in Wahrheit war bei Tocotronic schon 1995 alles abstrakter als es schien.

Wahrscheinlich sind es deswegen auch Tocotronic, die aus der Hamburger Schule bis heute die größte Öffentlichkeit finden. Nach "Digital Ist Besser" und Songs über Dienstage im April, Liedeslieder am Telefon und Teppichböden ging es in abstrakte Free Jazz-Konstrukte, Sci-Fi Hardrock und intelligenten Schlager. Aber das alles war schon angelegt in der Feststellung, dass man über Sex nur auf Englisch singen kann.

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