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Tourprobleme

Nur rosig lief die Rückkehr der Livemusik allerdings nicht ab. Gestiegene Reise-, Energie- und Personalkosten sowie schleppende Ticketverkäufe angesichts des schieren Überangebots, dominanter Konkurrenz und zwangsläufig teurerer Karten trafen vor allem kleine und mittelgroße Bands. Während gerade große Sommerkonzerte internationaler Superstars so gut und in einer Frequenz zu laufen schienen wie selten zuvor, mussten andere ganze Touren kurzfristig oder präventiv absagen, um nicht auf einem Kostenberg sitzen zu bleiben – bzw. wandten sich teils hilfesuchend an Fans, um diesen zu minimieren.

Die südamerikanische Band Irist startete erst kürzlich eine Crowdfunding-Kampagne, um nach einer, eigener Aussage zufolge sogar recht erfolgreichen Europa-Tour im Vorprogramm von Elder und Pallbearer Schulden in Höhe von rund 20.000 Dollar stemmen zu können. Die Band hatte zwar erwartet, am Ende draufzahlen zu müssen, das aber in Kauf genommen, um neue Fans zu erschließen. Letztlich überstiegen die tatsächlichen Kosten die vorab einkalkulierten jedoch bei Weitem. Die etablierten ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead entschieden sich im September für einen ähnlichen Schritt und baten ihre Anhänger:innen kurz vor Start ihrer Headliner-Tournee um Crowdfunding-Unterstützung in Höhe von 12.000 Dollar. Letztlich kamen sogar über 14.000 zusammen.

Mantar kürzten im August ihre geplante Europa-Tour massiv und erklärten die Situation in einem ausführlichen offenen Brief an ihre Fans. "Fakt ist: Konzerte zu spielen und zu veranstalten, kostet Geld. Ab einer gewissen 'Größe' der Band sogar 'ne ganze Stange", heißt es darin. "Wenn man aber grundsätzlich damit rechnen muss, dass die Kohle nicht wieder reinkommt, dann sieht man am Ende leider ziemlich Scheisse aus. Somit muss leider auch einer unserer Supports (Nightmarer) absagen, weil sie sich das Touren in Deutschland unter den gegebenen Umständen sprichwörtlich nicht leisten können. Klingt traurig, ist es auch."

Shinedown bekamen im Herbst einen kleinen Shitstorm von enttäuschten Fans ab, weil sie mit einem Monat Vorlauf notgedrungen sämtliche Shows auf dem europäischen Festland cancelten. Selbst die Scorpions verschoben ihre "Rock Believer"-Tour lieber um ein Jahr als sie wie geplant 2022 zu spielen. Kreator und Lamb Of God pushten die Termine ihrer Co-Headliner-Shows ebenfalls noch ein paar Monate nach hinten, Anthrax sagten ihren Europa-Besuch wegen "außer Kontrolle geratener Kosten" und "logistischen Problemen" komplett ab.

Devin Townsend adressierte das Problem Ende des Jahres in einem Interview mit Metallerium. "Es wurde viel schlimmer", konstatiert er dort. "Die Inflation, die Kosten von Benzin und Diesel trieben den Preis fürs Touren [nach oben]. Durch die Pandemie haben wir einen Haufen guter Venues verloren. 50 Prozent der Arbeitskräfte sind weg. Denn was soll ein Gitarrentechniker zwei Jahre lang machen? Er muss sich einen Job suchen. Die, die geblieben sind, sind größtenteils schon bei anderen Bands verpflichtet und kosten dazu noch fast doppelt so viel. Ich sah neulich außerdem, dass Live Nation mittlerweile teils 30 Prozent der Merch-Einnahmen von den Venues einstreicht. Die Airline-Preise sind gestiegen. Auf Tour Geld zu verdienen, ist für Künstler meines Levels nahezu komplett unmöglich geworden. Also ja, wir können wieder spielen, aber es kostet zehn Mal so viel wie vorher. Was machst du also? Man spürt es selbst bei kleinen Dingen. Die Hotels sind teurer, das Essen in den Hotels ist teurer. Letztlich tourt man, um den Leuten seine Arbeit vorzustellen, und mir ist es das wert. Aber wer glaubt, es sei jetzt wieder alles einfach, sollte das mal hinterfragen. Ich versuche gerade, die Touren fürs kommende Jahr zu organisieren und habe keine Chance, sie innerhalb des Kostenrahmens zu halten. Wir können bestimmte Fahrzeuge, Backlines, Produktionen, Lichter einfach nicht nehmen. Am Ende steht das Prublikum da und findet die Show nicht gut, weil es kein vernünftiges Licht und keine tolle Produktion gibt. Was tust du also? Viele Musiker:innen entscheiden sich dann wohl dafür, lieber zuhause zu bleiben und dort kreativ zu sein. Ich versuche jetzt öfter, akustisch zu spielen, weil das billiger ist. Wenn ich nur mit Akustikgitarre auftauche und für die Leute singe, ist das besser als gar nicht. Es sind komplizierte Zeiten. Es ist nicht mehr wie bei Mötley Crüe in den 80ern, die drei Tourbusse einen Truck und Millionen von Dollars und Frauen und all den Kram hatten. Für Progmetal existiert nichts davon."

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