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The Dillinger Escape Plan in Berlin

Zwei Tage vor ihrem Unfall gastierten The Dillinger Escape Plan noch im Berliner Columbia Theater. Und schossen auf meiner inoffiziellen Liste der besten Metal-Livebands innerhalb weniger Minuten an den bisherigen Spitzenreitern Gojira vorbei. Die älteren Herrschaften, die in Erwartung Rainhard Fendrichs in der benachbarten Columbiahalle zunächst an der falschen Location andockten, haben einiges verpasst. Mit Shining (die übrigens nicht in den Unfall verwickelt waren) gings schon gut los – die Norweger präsentierten sich in Höchstform, Jørgen Munkeby steht schon beim ersten Song mit Saxophon auf dem Wellenbrecher und trötet sich die Lunge blutig. Eine Viertelstunde mehr Spielzeit hätte man den Jazz-Groovern schon angedeihen lassen können. Aber wie üblich kann man ihnen ja später am Merchstand noch die Hand schütteln. Oder man fängt Munkeby einfach im Publikum ab – mit seiner roten Winterjacke ist er recht gut auszumachen.

Wobei eigentlich auch er kein Grund ist, warum man während des Auftritts The Dillinger Escape Plans irgendwo anders hin als auf die Musiker blicken sollte – es sei denn natürlich, man beteiligt sich am Ausdruckstanz. Oder soll Fotos machen. Mal abgesehen davon, dass der nahezu komplett durchgestroboskopte erste Song Epileptikern innerhalb weniger Augenblicke das Licht ausgeknipst hätte, war das auch nicht besonders kamerafreundlich. Aber gut, die meiste Zeit musste man sich sowieso vor Ben Weinmans auf und ab sausender Gitarre wegducken. Und wisst ihr was: Ich hatte noch nie so viel Spaß im Graben. Denn was die Herren dort oben abzogen sucht schlichtweg seinesgleichen. Eine kurze Nacherzählung:

Beim ersten Song ("Prancer") liegen Klaas Heufer-Umlauf-Lookalike Ben Weinman und Greg Puciato bereits im Publikum. Zweiter Song: Ben jumpt ins Publikum (mit Gitarre), Greg rammt seinen Mikroständer in den Boden, dass er auseinanderfällt. Dritter Song: Ben begnügt sich mittlerweile nicht mehr damit, rumzuspringen und die Gitarre auf und ab zu reißen – jetzt wird gewindmühlt. So ein Instrument gibt gute Flügel ab. Später: Stagediver, Beckenständer im Publikum, ein triumphierender Ben steht auf den Händen des Publikums, springt meterhoch von den Drumaufbauten etc. Und ich dachte, Shining wären krass gewesen ...

Keine Ahnung, wie lang diese Herren im Proberaum stehen, um ihr Technik-Gewichse schließlich live in solchem Bewegungsrausch vortragen zu können. Zwischendurch setzen Hookbatzen wie "One Of Us Is The Killer" Höhepunkte und "Mouth Of Ghosts" zeigt den Jazz-Background (beinahe) in Reinkultur auf. Kaum sind die Lichter nach 18 Songs wieder an, schallt 90er-Charts-Musik aus den Boxen. Gut zum Runterkommen. Und draußen spielen zwei Straßenmusiker besinnlich "Soldier Of Fortune". Perfekter könnte ein Abend im Rahmen einer Abschiedstournee kaum aussehen.

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