Seite 2 von 15

Platz 14: Wild Mood Swings (1996)

Was hat ihn bloß so ruiniert? War er doch Gott weiß wie privilegiert. Aber ein Robert Smith lässt sich nicht einsperren in einen Kaktusgarten und befindet sich Mitte der 90er Jahre in einem Transformationsprozess. Der Welterfolg des Vorgängers "Wish" fordert seinen Tribut: Zuerst verabschiedet sich Gitarrist Porl Thompson direkt nach der Tour ins Privatleben, das er fortan als Maler im Kunstatelier führt. Als 1994 Drummer Boris Williams Adieu sagt, taucht Thompson im Line-Up von Page & Plant wieder auf. Nach offiziellen Angaben verliefen beide Abschiede freundschaftlich. Als Fan bemerkt man das nahende Unheil erstmal nicht, denn für die Graphic-Novel-Verfilmung "The Crow" haut Smith mit dem bedrohlichen "Burn" weiterhin erstklassiges Material raus. Nebenher muss er sich aber mit dem lästigen Gerichtsstreit um Tantiemen herumschlagen, den Ex-Mitglied Lol Tolhurst angezettelt hat, und als 1996 das fürchterliche "The 13th" als neue Cure-Single erscheint, ist der Schlamassel perfekt.

Getreu des Sterne-Hits aus demselben Jahr will sich Smith bewegen, nicht stehen bleiben. Raus aus der Komfortzone mit neuen Bandkollegen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber schon die windschiefen Trompeten zu Beginn der erwähnten Vorabsingle und der ins Nichts führende Buena Vista Social Club-Vibe verpflanzen Smith auf einen Dampfer, der sich im Eiltempo von den Millionen mit Taschentüchern winkenden Fans am Ufer entfernt. Definitiv der krasseste Stilbruch in der Geschichte der Band.

So schmerzhaft "Wild Mood Swings" für den Hörer ausfällt, so ausweglos ist diese musikalische Häutung für Smith. Der enorme Erfolg von "Wish" katapultiert The Cure in eine neue Superstar-Liga, die dem Sänger überhaupt nicht behagt: "Man bezahlt einen Preis, wenn man U2 ist, und diesen Preis bin ich nicht bereit zu zahlen. Auf dieser Ebene verdienen unfassbar viele Menschen an einer Band mit und du bist umgeben von Arschlöchern. Du musst mit Leuten arbeiten, auf die du mit 17 gepisst hättest."

Man muss den Mann natürlich alleine für sein würdevolles Altern lieben, das steht so oder so außer Frage, aber das macht dieses zehnte Album kaum erträglicher. Mit dem monoton treibenden "Want" ist genau ein wundervoller Song auf der Platte vertreten, auf dem The Cure ihre einzigartige Magie in lediglich drei Akkorden ausspielen. Danach verlieren sie sich in ihrem neuen Ansatz, ihre Musik mit Computern aufzunehmen und mit Streichern und Blechbläsern anzureichern. In "Club Tropicana" klingt Smith in den grotesk tiefgelegten Strophen wie eine Karikatur seiner selbst, ansonsten dachte man wohl, die tollen Streicher alleine machen die Songs schon irgendwie gut. Spoiler: Nein. Die krampfhaft gute Laune von "Mint Car" nervt mehr als die tausendste Wiederholung von "Friday I'm In Love", überhaupt klingen die Songs in ihren besten Momenten maximal wie unausgegorene B-Seiten von "Wish" ("Jupiter Crash", "Bare"), veredelt mit einer blechernen Produktion. 1987 grantelte der Songwriter an der fantastischen B-Seite "Snow In Summer" herum, dem Song fehle es an Spannung. Von solch einer Spannung ist 1996 nur zu träumen.

Und was denkt Smith heute über die Platte? "Sie erinnert mich an 'Kiss Me Kiss Me Kiss Me', weil sie so abwechslungsreich ist." Stimmt, aber im Unterschied zu "Kiss Me" bleibt das Songwriting hier in sämtlichen Ausprägungen leider sterbenslangweilig. Wenigstens gibt er zu, dass "Gone", "Round And Round" und "The 13th" besser nie hätten veröffentlicht werden sollen. Aber rufen wir uns doch lieber seine zum Glück heute noch gültige Zeile aus "Want" in Erinnerung: "I'm always wanting more / Anything I haven't got / Everything, I want it all / I just can't stop."

Anspieltipp:

"Want"

Besser weiträumig umfahren:

den Rest

Seite 2 von 15

Weiterlesen

Noch keine Kommentare