Porträt

laut.de-Biographie

Niagara

Niagara als jahrzehntelang vergessene Ikone zu bezeichnen, ist sicherlich keine Übertreibung. So widersprüchlich die These klingen mag, real verläuft das Schicksal dieses Bandprojekts von und mit dem deutschen Jazz-Drummer Klaus Weiss.

Niagara - Box Set Aktuelles Album
Niagara Box Set
Großartiges Krautrock-Drumgewitter mit dem ganz jungen Udo Lindenberg.

Geboren am 17. Februar 1942 in Gevelsberg, ist Klaus Weiss in den späten 50er und 60er Jahren einer der wenigen versierten Trommler, die auch von den amerikanischen Kollegen und Vorbildern ernst genommen und akzeptiert werden.

Viele der US-Jazzer bezeichnen den gebürtigen Westfalen gern und oft als den einzigen europäische Schlagzeuger mit amerikanischem Feeling. Sein versiertes Spiel führt nicht nur dazu, dass er zahlreiche Bigband-Projekte leitet, sondern auch mit Größen wie Cecil Bridgewater, Johny Griffin oder Herbie Mann auf der Bühne steht.

Schon in den 60er Jahren spielt er ebenso mit dem deutschen Jazz-Saxophonisten Klaus Doldinger in dessen Quintett. In jenen Tagen konkretisiert und erweitert sich die musikalische Philosophie Weiss'. Sein Traum ist es, den Drummer als solches ins Zentrum der Musik zu rücken. Der Horizont seiner Vorstellung geht dabei weit über das gemeine Jazzkonzept hinaus. Es gilt, künstlerisch neue Ufer zu erkunden.

Gesagt, getan! 1971 gründet der Feingeist aus dem Ruhrgebiet Niagara. Mit nicht weniger als acht Drummern bastelt er ein selbst komponiertes Album zusammen, das ausschließlich aus percussiven Elementen besteht. Zahlreiche hochkarätige Schlagwerker aus aller Welt geben sich ein Stelldichein: u.a, die Amerikaner Cotch Blackmon, George Green, der Engländer Keith Forsey, Juan Romero aus Venezuela und die deutschen Musiker Udo Lindenberg sowie Daniel Fichelscher, der auch bei Amon Düül II und Popol Vuh spielt.

Afrikanische Rhythmen und eine leicht Voodoo-artige Stimmung zeichnen das Werk aus. Eine Besonderheit ergibt sich dabei aus dem Spiel von Weiss: Er spielt zeitlebens nur auf Naturfellen; nie mit Plastikfellen. Eine Eigenschaft, die nur wenige weltweit beherrschen und dem Klang einen authentischen Raum geben.

Der Erfolg des Debüts ermutigt Weiss, das Projekt neben zahlreichen anderen Engagements 1972 mit dem Album "S.U.B." weiter zu führen.
Das Konzept wurde dafür geöffnet und erweitert.
Melodieinstrumente wie Gitarre, Saxophon, Trompete und Flöte halten Einzug und prägen das Gebräu nachhaltig. Psychedelischer Krautrock, Funk, Swing und Bebop tönen nunmehr gleichzeiig aus den Boxen.

Trotz dieser Öffnung bleibt Niagara auch beim dritten und finalen Album "Afire" das Kind von Klaus Weiss. Das bedeutet die Rückkehr zum fast rein percussiven Konzept, untermalt mit ein wenig Bass. Auf diesem letzten Niagara Werk trennt er sich auch von Lindenberg und Fichelscher.

Trotz ihres treibenden, lebendigen Charakters bleibt Niagara leider ein reines Studioprojekt. Nach dieser Erfahrung wendet er sich wieder dem Jazz zu. Klaus Weiss stirbt überraschend am 10. Dezember 2008 in Pfaffenhofen an der Ilm.

Die musikalische Bedeutung der Niagara-Songs kann musikhistorisch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Seine Pioniertätigkeit für Fusion vereint zu gleichen Teilen eine Art eingängige Miles Davis-Variante mit kraftvollem Sly Stone-Funk und dem ungestümen Psy-Rock teutonischer Prägung. Sein ganz persönlicher Hang zu Swing und authentisch afrikanischem Drumming geben der ohnehin bunten Mischung den letzten Schliff zu absoluter Einmaligkeit.

Alben

Niagara - Box Set: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2010 Box Set

Kritik von Ulf Kubanke

Großartiges Krautrock-Drumgewitter mit dem ganz jungen Udo Lindenberg. (0 Kommentare)

Surftipps

  • Jazz Records

    Weiss bei Jazz Records.

    http://www.jazzrecords.com/klausweiss/

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