laut.de-Kritik
Countryesker Singer/Songwriter-Blues vom Feinsten.
Review von Kai ButterweckDer Frust über die Tourabsage der Black Keys sitzt bei den Fans hierzulande noch immer tief. Drummer Patrick Carney hatte sich beim Wellenreiten eine Schulter ausgerenkt. Nichts ging mehr. Nun müssen die deutschen Anhänger noch eine Weile ausharren, ehe die beiden Grammy-prämierten Bluesrocker bei uns wieder ihre Zelte aufschlagen. Wer allerdings keine Lust hat, solange auf Neues von den Black Keys zu warten, dem sei das zweite Studioalbum der in Nashville ansässigen Nikki Lane ans Herz gelegt.
Nun fragen sich sicherlich viele, inwiefern die Platte einer ehemaligen Modedesignerin mit Hang zu countryesken Saloon-Sounds all die vielen noch bevorstehenden Monate bis zur Rückkehr der Black Keys erträglicher machen soll. Ein Blick auf die Rückseite des Albums bringt Licht ins Dunkel. Dort steht nämlich in großen Lettern geschrieben: Produced by Dan Auerbach.
Wer die bisherigen Produktionen des mittlerweile zum Top-Reglerdreher aufgestiegenen Auerbach kennt, weiß, dass der Gute kein Album auf die Reise schickt, das nicht wenigstens auch ein bisschen an den markanten Sound der Black Keys erinnert. So auch im Fall von "All Or Nothin'", einer durchweg erfrischenden Symbiose aus New-Country, Blues, Rock und Singer/Songwriter-Pop.
Es dauert keine sechzig Sekunden, da machen sich Auerbachs signifikante Trademarks bereits bemerkbar. Immer intensiver drängt sich eine mit Hall getränkte Gitarre in den Vordergrund. Leicht angezerrt verhilft sie dem eingängigen Mix aus Country und Blues zu einer eigenständigen Note. Hinzu gesellen sich voluminöse Handclaps und akzentuierte Pedal-Spielereien. Über allem thront das laszive Organ von Nikki Lane. Wow!
Doch es kommt noch besser. Songs, wie der feurige Tarantino-Trippler "Seein' Double" oder der tief in den Siebzigern verwurzelte Titeltrack, bringen die Gliedmaßen eines jeden in Schwung, der von Alben wie "El Camino" und "Turn Blue" nicht genug bekommen kann.
Dan Auerbach vertraut auf Altbewährtes. Dennoch klingt "All Or Nothin'" zu keinem Zeitpunkt wie ein von einer Frau eingesungenes The Black Keys-Album. Nikki Lane hat mehr drauf, als nur die Marionette zu mimen. Viel mehr. Vor allem weiß die Amerikanerin mit dem feinen Gespür für nachhaltige Harmonien, wie man dem altbackenen Country-Genre ordentlich Feuer unterm Hintern macht. Natürlich steht die Liebe dabei im Vordergrund. Aber auch inhaltlich setzt sich Nikki Lane von der Kitsch-Masse ab ("I Don't Care" , "You Can't Talk To Me Like That", "Out Of My Mind").
Letztlich schlägt die Sängerin mit ihrem zweiten Album jede Menge Fliegen mit einer Klappe. Zum einen spendet sie vielen dieser Tage leidenden Black Keys-Fans Trost. Zum anderen verpasst sie einer der wohl engstirnigsten Musik-Branchen einen facettenreichen, wilden, bisweilen gar schroffen Neuanstrich. Als würden Dolly Parton, Wanda Jackson und Sheryl Crow im Hause von Dan Auerbach zur Lasso-Weitwurf-Competition bitten. Großartig.
Noch keine Kommentare