laut.de-Kritik

Zeugnis einer beständigen Weiterentwicklung.

Review von

"Nur hier kann ich mich ausheulen. Lass die Seele schreien auf paar Beats, weinen auf paar Beats. Ekho, das ist meine Therapie, mein Fluchtweg, mein Notausgang, mein Ausgleich." Hier steht er. Er kann nicht anders. Nachdem Nimo im vergangenen Jahr mit "Capimo" und "Nimoriginal" gleich zwei Projekte veröffentlichte, legt er nun mit dem als Mixtape deklarierten "Steinbock" nach. "Wir machen Hip Hop wieder Kult, Deutschrap wieder bunt, unsere Taschen voll und ich hör' nicht auf, bis ihr alle unsere Lieder pumpt", umreißt der Schützling von Celo & Abdi in "Traum Wahr" seine Agenda.

"Ich bin im Studio, mach' Krach, fast jede Nacht mach' ich paar Songs. Ich hab' die Scheiße hier im Blut, bin so auf die Welt gekomm'." Zum Einstieg liefert der umtriebige Rapper einen Einblick in seine "Realität". Statt im synthetischen Sumpf seiner Kollegen zu versinken, setzt Nimo schlicht auf angenehm hörbaren Pop-Rap, dessen Piano- und Streicher-Instrumentierung nicht sonderlich auf die Pathos-Drüse drückt. Dafür sorgt der iranischstämmige Hauptdarsteller mit seinen persönlichen Einblicken schon selbst: "Baba kam nie wieder zurück. Ich werde niemals meine Heimat sehen."

"Oh Babe, ich bin nicht einfach. Das muss dir bewusst sein. Ich hab' 'ne Vision im Kopf." Nachdem sich der Rapper zuletzt auf "Nimoriginal" von seiner reflektierten Seite zeigte, blickt er vor allem im Titelsong "Steinbock" auf den jähzornigen Anteil seiner Persönlichkeit. Zwar versichert er, die "Emotionen nicht stoppen" zu können, dafür allerdings umso geschickter kanalisieren. Wie ein Schauspieler verinnerlicht er die zu vermittelnden Stimmungen. So steigt er gereizt in die selbstgerechte erste Strophe ein, um sich auf dem Weg zum Refrain allmählich zu beruhigen.

Dass er auch nach Abzug des nie ganz verzichtbaren Autotunes eine mehr als brauchbare Gesangsstimme mitbringt, dürfte spätestens seit "K¡K¡" bekannt sein. Nimo spielt diesen Vorteil für sich aus: "Geh' alleine auf die Bühne. Ihr seid lost ohne Back-Up." Die stimmliche Unterstützung schadet dem Ergebnis allerdings auch nicht. Mit Remoe bildet er in "Geld Ist Dir Egal" ein veritables R'n'B-Duo, während er sich gemeinsam mit reezy oder Eno in wahre Pop-Hits hineinsteigert. Für eine amtliche Deutschrap-Boygroup fehlt da eigentlich nur noch das Goldkehlchen aus dem Treppenhaus.

Im letzten regulären Song fliegt Nimo mit der Liebsten den Gestirnen entgegen. Während PzY mit einem Disco-Instrumental für die nötige Schubkraft sorgt, nutzt der Rapper die Reise "To The Moon" für eine Hymne auf die romantische Zweisamkeit, die er nicht durch vulgäre Vokabeln abqualifizieren möchte: "Wir ficken nicht, wir machen Liebe." Das etwas gutgläubige, aber grundsympathische Video erhebt dann auch die Liebe zum Allheilmittel gegen Konflikte aller Couleur. Bemerkenswert für einen früheren Street-Rapper endet der Clip mit einer Texttafel, die zu Toleranz und Respekt aufruft.

Glaubwürdig verkörpert Nimo den Anspruch, sich beständig musikalisch wie charakterlich zu entwickeln. Dazu gehört eben auch, wie im "Outro" dargelegt, frühere Fehltritte selbstkritisch zu erkennen und sich davon zu distanzieren: "Vieles, was ich tat, war nicht richtig. Gar nicht männlich, eher kindisch." Zum Abschluss seines durchdachtesten und wohl gelungensten Album der letzten Jahre schreit der fleißige Sänger noch einmal sein Eingeständnis heraus: "Es ist alles, was ich hab'. Es ist alles, was ich kann. Und ich mach' das so lang', wie es geht." Das ist durchaus nicht wenig.

Trackliste

  1. 1. Realität (mit NGEE)
  2. 2. Heavy
  3. 3. Geld Ist Dir Egal (mit Remoe)
  4. 4. Trendsetter (mit Rina)
  5. 5. Steinbock
  6. 6. Alles Zu Viel (mit Ramo)
  7. 7. Lonely
  8. 8. Vertrauen (mit Eno)
  9. 9. Not Safe (mit reezy)
  10. 10. Nur Wegen Dir
  11. 11. Remember
  12. 12. Traum Wahr
  13. 13. To The Moon
  14. 14. Outro

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