laut.de-Kritik

Zeitgenössischer Dancehall-Rap: eine Ode an die Zweisamkeit.

Review von

Das Wort "Habibi" ist derzeit in aller Munde. Einerseits handelt es sich um das arabische Wort für "mein Schatz" oder "Liebling", andererseits um den Albumtitel des Ex-SXTN-Mitglieds Nura. Die heißt mit vollständigem bürgerlichen Namen Nura Habib Omer. Der Name ihres Vaters lautet ebenfalls Habib. Ihre Fans nennt sie natürlich "Habibis". Passt also, wenn ihre erste Solo-Platte den Titel "Habibi" trägt.

18 Songs liefert die Berlinerin, "Intro", "Interlude" und "Outro" inbegriffen. Den musikalischen Anfang macht "Chaya feat. Trettmann", ein stimmungsvoller, tanzbarer Liebessong der beiden Marihuanaverfechter. "Alles gut, will nur, dass dus weißt, jaja. Du und ich aufm Flur, Lava / Ein Lächeln von dir, unbezahlbar. Gehe nicht, bleib' bei mir, es ist wahr, ja." Ohrwurmgarantie und Hüftenwackelei für die traute Zweisamkeit.

Ähnlich klingt auch "Babebabe". Der Song mit dem verstorbenen Freund Samson Wieland sorgte schon letzten Sommer als Single für gute Laune. Freilich geht es auch im Titelsong "Habibi" um die Liebe: Dancehall-Rhythmen à la "Palmen aus Plastik" und eine eingängige Hook, nur eben als weibliches Pendant. Die Inspiration hört man auf dem ganzen Album klar heraus, jedoch individualisiert Nura die Musik und adaptiert sie in ihrem eigenen Stil.

Was die Ex-The Toten Crackhuren im Kofferaum-Tänzerin damit erreichen will? Zweifellos, sie will ins "Radio". Genau dieser Song klingt am ehesten so, als könne sie es damit schaffen. Für Hitgarantie sorgt auch Homie Bausa auf "Ohne Sinn". Allerdings hat Nura auch harte Rap-Songs wie "Was Ich Meine", "Keiner Hat Gefragt" und "Auf Der Kippe feat. AchtVier" im Gepäck. Die bilden zwar eine willkommene Abwechslung zum soften, hitlastigen Allerlei der restlichen Platte, aber das steht ihr trotzdem besser. Schon früher hatte ja eher Juju den Rap-Anteil von SXTN ausgemacht.

Die besoffene Autotune-Liebeserklärung an ihre Heimatstadt "Wuppertal" fällt erfrischend selbstironisch aus: "Denn wir haben die Schwebebahn, und es gab mal 'nen Elefant / und ihr denkt, er wär' jetzt tot, doch er ist nur im Zoo." Jedoch kann man diese 82 Sekunden eigentlich kaum als echten Song bezeichnen. Insgesamt fällt bei Nura das Konzept der kurzen Tracks auf. Das ist im Hip Hop in letzter Zeit immer häufiger zu sehen. Der Algorithmus soll das lieben, ich tu es nicht.

"Laut" wirds dann noch einmal kurz vor Ende der Platte. Anlässlich lästiger Nachbarn bei einer Haus-Party feuert Nura ein Bass-Elektro-Feuerwerk ab. "Juckt nicht, was mein Nachbar sagt: Ich dreh' jetzt auf / Juckt nicht, was mein Nachbar sagt: Ich mach jetzt laut!"

Im Kontrast dazu steht der letzte richtige Song der Scheibe. Der handelt mutmaßlich von ihrem verstorbenen Freund. Waren sie bei "Babebabe" noch zu zweit, ist Nura bei "Babe" nun alleine zurück geblieben: ein nachdenkliches und emotionales Ende des Albums, das dem Titel und auch den anderen Songs über die Liebe eine weitere Bedeutungsebene beisteuert.

Insgesamt treffen zeitgenössische, tanzbare Dancehall-Rhythmen auf catchy Hooks. Obendrauf gibts die notwendige Connection zu Berliner Straßenrap und tolle Featuregäste. Nura gelingt der Spagat zwischen aufmüpfiger Großstadtgöre und eleganter Sängerin. Mit ihrer ersten Platte zeichnet sie ein harmonisches, kurzweiliges Gesamtbild: eine Ode an die Dankbarkeit und die Zweisamkeit. "Habibi" könnte tatsächlich für viele zum Liebling werden.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Chaya feat. Trettmann
  3. 3. Fortnite
  4. 4. Babebabe feat. Sam Lavery
  5. 5. Sativa
  6. 6. Radio
  7. 7. Kein Bock
  8. 8. Interlude
  9. 9. Ohne Sinn feat. Bausa
  10. 10. Was Ich Meine
  11. 11. Habibi
  12. 12. Keiner Hat Gefragt
  13. 13. Wuppertal
  14. 14. Auf Der Kippe feat. AchtVier
  15. 15. SOS feat. Remoe
  16. 16. Laut
  17. 17. Babe
  18. 18. Outro

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