laut.de-Kritik
Ein gutes Album der Wolfsburger, wenn auch nicht der erhoffte Überflieger.
Review von Alexander CordasDa sind sie wieder, die drei NDH-Chamäleons aus dem schönen VW-Heimatort Wolfsburg. In ihren zwölf Jahren Bandgeschichte haben sie sich vom EBM/Wave-Act über Crossoverspermien und unreinen NDH-Wunschkindern entwickelt zu – ja, was ist das eigentlich? Neuer deutscher Elektronikhärtepop wäre wohl eine der abwegigen Kategoriekonstrukte, die man für ihren letzten Output "Plastik" erfinden konnte. Allerdings quetschte und knarzte auch diese Schublade an allen Ecken und Enden, denn so richtig wollten sich Oomph! nicht in starre Begrenzungen einzäunen lassen.
Die vorausgeschickte Single "Supernova" macht deutlich, wohin sich Oomph! anno 2001 bewegen würden: Noch weiter weg von den Gitarren, noch mehr denn je werden die Synthesizer blank gewienert zum Einsatz gebracht. Wohl wissend, dass die Neue Deutsche Härte zur Zeit auf der Stelle tritt und geradewegs in das Nirwana der veralteten Musikstile zu marschieren droht, haben sie noch mal an ihrem neuen Sound gefeilt und die Musik nahezu perfektioniert. Die Gitarren genau auf den Punkt gespielt, die Keyboards wohl dosiert und der für das Genre erstaunlich gute Gesang von Dero machen den Eindruck, als könne man das, was Oomph! hier zelebrieren, nicht mehr verbessern.
Ein typisches Beispiel für "Ego" wäre "Kontrollverlust": Im einleitenden einminütigen Musikalintro verlegt vorerst nur die Elektronik des Dreigestirns die Soundfliesen, die Klampfen haben erst mal Mittagspause. Erst nach einer halben Minute setzen die noch sehr spärlich vertretenen Gitarren ein, die Synthies und Keyboards behalten aber klar die Oberhand. Auf den verlegten Instrumentalboden bettet Dero seine ruhigen, phrasenhaften Strophen, die auf diesem Album noch persönlicher sind als auf den vorigen Tonträgern. Im Refrain allerdings schrauben Oomph! die Regler hoch und die Gitarren brettern Riffs aus den Boxen, dass es eine helle Freude ist. Dazu noch eine geniale Keyboardmelodie im Hintergrund, fertig ist der Meistertrack.
Allerdings hat die Sache einen Haken: Sie hat keine Haken! "Ego" ist eingängig und entfaltet schnell seine volle Wirkung, aber das ist gleichzeitig auch sein Nachteil. Es fehlen die Ecken und Kanten, die das Album im Ohr festkrallen, anstatt es wieder rausglitschen zu lassen. Wo sind die zündstoffhaltigen Texte à la "Unsere Rettung" oder "Wunschkind"? Wo die Achterbahntracks der Sorte "My Hell"? Leider anscheinend im Sog des brennenden Plastiks zu braunem Klump geschmolzen und weggespült worden...
Zudem gibt es da noch etwas, was Oomph! gegenüber früher verlernt haben: Gute Instrumentals schreiben. "Serotonin" und "Dopamin" wirken leider ziemlich lustlos und sind lange nicht so intensiv wie frühere Glanztaten à la "Wälsungenblut". Auch wenn ich eines einräumen muss: Sollten die beiden Songs die Namen von Schlaftabletten darstellen, haben Oomph! mit ihren Nummern zumindest authentische Tracks geschaffen...
Dennoch, alles in allem ist "Ego" ein gutes Album, wenn auch nicht der erhoffte Überflieger geworden. Wer immer noch "Plastik" in seiner Anlage rotieren lässt, wird mit der neuen Platte sicher warm werden. Allerdings werden sich verschreckte Oomph!-Fans wohl weiter von ihren Helden abwenden können: Ein "Back To The Roots"-Album ist in Lichtjahre entfernte Weite gerückt...
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