laut.de-Kritik

Deutsch-Rap mit Tiefgang vom RAG-Emcee.

Review von

Deutsch-Rap versinkt momentan in Anglizismen und gibt sich nur noch für Clubsound und Gangstaattitüden her. Die Bushidos dieser Welt proklamieren Gewalt und reflektieren in den Texten ausschließlich ihre Aggressionen. Ein Mann bleibt jedoch dem altehrwürdigen Conscious Rap treu. Pahel, der Filo Joes Veteran des Hip Hop, ein Viertel der legendären Ruhrpöttler RAG, hat sich nach 12 Jahren im Rapgeschäft dazu entschlossen, Solo-Pfade zu beschreiten.

Das Ergebnis klingt ungewohnt. Keine RAG-Sounds, keine DJ Wiz-Produktionen pumpen aus den Speakern. Der bislang unbekannte deutsche Beatbastler Monroe ermöglicht ein Klangerlebnis, das sich wohltuend vom poppigen Clubsound abhebt, ohne sich in Experimenten zu verlaufen. Die fantastische Symbiose zwischen leichtfüßigen Flötenmelodien ("Katzensprung") und melancholischen Klavierklängen ("Seele auf Eis") lassen keine Monotonie aufkommen. Nur wenige Produktionen können nicht vollständig überzeugen. Schwächliche Beats wie "Wir telefonieren" oder "Wenn ich leer bin" bilden zum Glück die Ausnahme, auch wenn diese noch immer viele deutsche Rapproduzenten alt aussehen lassen.

Doch ein Rapalbum besteht nicht nur aus den Beats. Styles und Texte wissen in diesem Fall ebenfalls zu überzeugen. Pahel flowt entspannt Off-Beat, wie man es von ihm gewohnt ist. Dabei kann der Mann Texte zu Papier bringen, die sich fern ab der gewöhnlichen Rapresenting-Attitüde bewegen. Pahel rappt nicht um des Rappens willen, sondern um textlich etwas zu auszudrücken. Manchmal schießt er jedoch darüber hinaus.

Während "Wir telefonieren", "Lieg ich richtig" oder "Prismen" eine wirkliche Message besitzen und dem Hörer eine Geschichte erzählen, wirken "Lagebericht" oder "Ätiologie" streckenweise unmotiviert. Die Lyrics bestehen aus einer Aneinanderreihung von Aussagen, die keinem roten Faden folgen, sondern willkürlich zusammengesetzt sind. Allerdings sind selbst diese Einzelaussagen teilweise intelligenter als ein Großteil der deutschsprachigen Raps.

Die teilweise ironische Auseinandersetzung mit dem leidigen Thema "Handys und ihre Benutzer" bei "Wir telefonieren" wirkt erfrischend leichtfüßig und kommt ohne den obligatorischen Zeigefinger aus. Indem Pahel von sich selbst spricht, entschärft er die Kritik an dem kleinen Wunder der Kommunikation und verhindert so, dass der Text polemisch wirkt. Auch persönliche Lieder wie "Prismen" oder "Lieg ich richtig?" wissen voll und ganz zu überzeugen. Ähnlich wie Curse lädt Pahel dazu ein, seine persönliche Gedankenwelt mitzuerleben.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, das Pahel den deutschen Rap sicher nicht revolutioniert, allerdings die Messlatte für Niveau und anspruchsvollen Hip Hop ein gutes Stück erhöht. Kein Album für Battle-Rap- und Flowpuristen, sondern für alle, die mehr als nur unmotiviertes Haten oder Seitenhiebe gegen Rapkollegen von einem Album erwarten. Pahels Off Beat-Style mag nicht jedermanns Sache sein, aber diejenigen, die sich damit anfreunden können, erwartet ein fantastisches Album von einem talentierten MC mit Tiefgang.

Trackliste

  1. 1. Ätiologie
  2. 2. Skit
  3. 3. Katzensprung feat. Rheza
  4. 4. Wir telefonieren
  5. 5. Lagebericht feat. Requeijao und FLOEZ
  6. 6. ...Aus Bochum
  7. 7. Seele auf Eis feat. Lunafrow
  8. 8. Wenn ich Leer bin feat. Torch und Marius No.1
  9. 9. P.O.S.I.T.I.V.
  10. 10. Rawhill Skit
  11. 11. Sahara feat. Daddy Freddie
  12. 12. Skit
  13. 13. Prismen
  14. 14. Bilateral feat. Backdraft
  15. 15. Skit
  16. 16. Liege ich richtig?
  17. 17. Natur des Menschen feat. Crown Nubian
  18. 18. Apahelypse now feat. Funky Chris

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