laut.de-Kritik

Buttersäure in der Komfort-Zone und Pisse in deinem Mischbier.

Review von

Mit seiner "Handfesten EP" fügt Prezident seiner Free Download-Collection nicht nur einen weiteren Hochkaräter hinzu, sondern festigt nach dem herausragenden Album "Kunst Ist Eine Besitzergreifende Geliebte" seinen Status als Untergrund-Legende. Statt sich mit Label-Bossen und Promotern herumzuschlagen, zieht, verknotet und entwirrt der Wuppertaler sämtliche Fäden lieber selbst und rückt dabei stets das Wesentliche in den Fokus: die Musik. Auch wenn es sich um eine mehr oder weniger lose Zusammenstellung von acht Überbleibseln handelt und ungewöhnlich viele Feature-Gäste in Erscheinung treten, verpasst Release Nummer Zwölf in Sachen Stringenz so manchem krampfhaft zusammengeschusterten Konzept-Album einen handfesten Tritt in den Hintern.

Die reduzierten, größtenteils schleppenden Beats sorgen mit zahlreichen Cuts, Scratches und kurzen Film-Sequenzen für einen rundum gelungenen Sound, der dem Whiskey-Rapper genügend Raum lässt, sich des "Gerümpels" in seinem Oberstübchen zu entledigen. Prezidents lässig-schnodderige Delivery und Attitüde mag vielleicht den Eindruck von Beiläufigkeit erwecken: "Ich fress' Notizzettel, trink' 'n Kaffee, hau' 'ne Aspirin weg und kack' kurz 'n paar Klassiker nachm Frühstück" ("Ausm Funkloch"). Nebenbei braucht man sich den Texten aber gar nicht erst zu widmen. Um es mit seinen Worten auszudrücken: "Anstrengend zwar, doch gehaltvoll."

"Oswald Spengler" überzeugt nach düsterem Klavier-Intro als Representer der etwas anderen Art. Prezident inszeniert sich zum The Roots-Sample von "Don't Say Nuthin'" als "soziales Mängel-Exemplar", das gerne mal einen über den Durst trinkt und als Künstler stets im Untergrund agiert. Die Karikatur seiner selbst wirkt dabei aber nie zu überspitzt und läuft keine Gefahr, in Peinlichkeiten abzudriften. Mitleid ist ohnehin nicht angebracht: Auch wenn laut eigenen Aussagen noch kein Label an seine Tür geklopft hat, scheut Viktor Bertermann den großen Rummel um seine Person und zelebriert stattdessen seine kreative Unabhängigkeit.

Von den Feature-Gästen sticht insbesondere 58-Künstler R.U.F.F.K.I.D.D. mit seinem aggressiven Part auf "Barbecuesoße" hervor. Trotz der Kürze von zweieinhalb Minuten bleibt der Track auch wegen der als Hook fungierenden Kombination aus Cuts von Haftbefehl und The Prodigy im Gedächtnis. Dazu liefert Prezident wie immer keine "Texte nach Schablone", und doch sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle. Deren starke Bildhaftigkeit zieht den Hörer mitten ins Geschehen und rechtfertigt die gefühlten "EinsNeunzigAufBühnen" jederzeit:

"Das Küchenmesser liegt die Tat beschwörend in der Spüle,
Zieht Fäden zum Sipphon, es sind Stühle umgeworfen.
Kisten liegen ungeordnet unterm Licht des jungen Nordens
Zwischen einer Strähne Haar, einer Schlafanzughose
Und Flecken von etwas, das aussieht wie Barbecuesauce.
"

Auf "Mount Average" stimmt Prezident nachdenklichere Töne an, die immer wieder durchblitzenden Selbstzweifel gewinnen Überhand: "Mir ist immer noch so viel Menschliches fremd." Einer, der diesen Zustand sicher nur zu gut kannte, war NMZS: Gut zwei Jahre nach seinem Selbstmord tritt das Antilopen Gang-Mitglied auf dem finalen Track noch einmal in Erscheinung. "Brüder im Geiste" mag vielleicht übertrieben klingen, aber beide MCs verbindet ein Hang zum Pessimismus und die besondere Art, ihre Sichtweise mit der Welt zu teilen. Dass man so jemanden als "Ausnahme-Künstler" bezeichnen muss, ist fast schon schade. Inhalt und Form gehen auf der "Handfesten EP" einmal mehr friedlich Hand in Hand und machen Vorfreude auf alles, was da kommen mag.

Trackliste

  1. 1. Handfestes Intro
  2. 2. Ausm Funkloch
  3. 3. Oswald Spengler
  4. 4. EinsNeunzigAufBühnen
  5. 5. Barbecuesoße
  6. 6. Bonusstufe
  7. 7. Mount Average
  8. 8. Special Effects

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