laut.de-Kritik

Die Krone der 80er – Power! Force! Motion! Drive!

Review von

"Abba from hell" formulierte einst ein englischer Musikschreiber in einem ebenso einfallsreichen wie etwas hilflosen Versuch, den Sound von Propaganda zu klassifizieren, ihren Mix aus melodischer Opulenz und dunkel schwärendem Unterboden. Aus Düsseldorf hatten Claudia Brücken, Susanne Freytag, Michael Mertens und Ralf Dörper nach London rübergemacht, das ZTT-Label um Paul Morley und Trevor Horn fand Gefallen am Klangbild des Quartetts. Zu Beginn gehörte auch Andreas Thein zur Band, nach der Veröffentlichung der Debütsingle "Dr. Mabuse" jedoch stieg er aus.

Propagandas Pop-Philosophie passte perfekt in die Zeit. Bands wie ABC, The Human League und Heaven 17 hatten Anfang der 80er Post-Punk dekonstruiert und zu Glampop zwischen urbaner Kühle, Neo-Romantizismus und Sozialkritik neu zusammengesetzt. Die neuen Technologien, zuvorderst der unerschöpfliche Fundus an Zitaten und Sounds, der via Sample-Technik zugänglich wurde, boten eine Spielwiese für Innovatoren und Studio-Wizards.

Trevor Horn, mit den Buggles zuvor bereits zu kurzen Pop-Ehren gekommen, war der Mann an den Reglern, Journalist Paul Morley die publizistische Schaltstelle, wohlwissend, wie gut im Pop Legenden und Wahrheit, Konzeptwirbel und Kunst, griffige Sätze und grimmige Mimik zusammenpassen. Propaganda, allein der Name ein Geniestreich, brachten alles mit, um durchs Dach zu gehen. Dörper hatte zuvor schon mit den Krupps an metallischem Proto-Industrial gearbeitet, ihre Düsseldorfer Prägung zwischen Ratinger Hof und kraftwerklerischem Kling-Klang-Gloria ein solides Fundament, das alles abgeschmeckt mit Metropolis und Baader Meinhof, German Angst und Postmoderne, hineinkatapultiert in einen musikalischen Kosmos, in dem nun Feierbiester wie Frankie Goes To Hollywood und Grace Jones das Zepter führten.

Klanglich mäanderten Propaganda zwischen eben jenen Polen – verhangener Disco-Schwüle auf der einen, kompositorischem Größenwahn auf der anderen Seite. Den Clip zu "Dr. Mabuse" hatte der junge Anton Corbijn als Reminiszenz an Fritz Lang inszeniert. Was diese Single an Klassikerformat besaß, wurde auf Albumlänge konzeptionell und breitwandig ergänzt.

Wie Frankies "Pleasuredome"-Auftaktepos setzt hier "A Dream Within A Dream" ein überbordendes Ausrufezeichen zwischen Prog-Pop und Klangkino, abgeschmeckt mit Edgar Allan Poe und Spoken Word. Stilistisch gibt es fortan kein Halten mehr, Jazz-Bläser und Industrialsounds, Discogrooves, Maschinenraum-Atmo, dicke Beats, sirenengleiche Vocals, das alles genial verdrahtet von Produzent Stephen Lipson, der den vielbeschäftigten Trevor Horn im Studio ersetzte.

Der Mix aus Moods und kompakten Songs besticht bis zum heutigen Tag. Den ausufernden Spielereien steht perfektes Single-Material gegenüber, neben dem zeitüberdauernden Mabuse natürlich auch "p:Machinery" mit seinem epochalen Gebläse und das postromantische Doppel "Jewel/Duel". Mit "Sorry For Laughing", im Original von Josef K., huldigen Propaganda einer Postpunk-Legende, für deren Wiederentdeckung nachfolgende Generationen Dekaden brauchen würden, "The Chase" oszilliert zwischen ABC und Art Of Noise. Und wenn in "Strength To Dream", dem letzten Wort zum Abschluss, der Donner hallt und der Regen fällt, ist es fast ein wenig, als würde man neben Humphrey Bogart und Ingrid Bergman auf dem Flughafen stehen.

Die Zeichen stehen auf Abschied. Das hier wird für immer einzigartig bleiben, eine Referenz für die Ewigkeit. Unvergleichlich, aber eben auch nicht wiederbringlich. Um es mit Rick Blaine zu sagen: "We'll always have a secret wish". Seufz.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Dream Within A Dream
  2. 2. The Murder Of Love
  3. 3. Jewel
  4. 4. Duel
  5. 5. p:Machinery
  6. 6. Sorry For Laughing
  7. 7. Dr. Mabuse (First Life)
  8. 8. The Chase
  9. 9. The Last Word/Strength to Dream

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