laut.de-Kritik
Neuerfindung im Punk-Jahr '77.
Review von Michael SchuhQueen-Gitarrist Brian May ist ein Sammelnerd. Seine Faszination für 3-D-Fotografien führte vor kurzem zur Veröffentlichung eines Queen-Buchs, das eine Mischung aus Fotoalbum, Tour-Erinnerungen und Biografie darstellt. Der Süddeutschen Zeitung beichtete der 70-Jährige zu diesem Anlass, dass die Tage, in denen er ein Vermögen für historische 3-D-Aufnahmen ausgegeben habe, gezählt sind: "Jetzt bin ich glücklich, sie ab und zu anzusehen. Im Prinzip reicht mir ein Scan davon. Besitz fühlt sich plötzlich an wie eine Last. Er zieht mich zunehmend runter. Man kann den ganzen Kram ja eh nicht mitnehmen."
Ähnlich verhält es sich mit dieser neuerlichen Queen-Veröffentlichung: Man wird auch das gigantische LP/CD/DVD-Boxset des 1977er Albums "News Of The World" nicht mitnehmen können. Es wiegt über zwei Kilo, und für einen Moment ist es einfach nur schön, nicht Brian May zu sein. Denn dieses Boxset zieht einen nicht runter, sondern wirkt geradezu uplifting. Es ist keine Last, sondern reinste Lust. Galileo!
Für 114 Euro darf man sich einen laminierten Backstagepass der "Queen US Winter Tour 1977" anheften, das eigene Auto mit drei "News Of The World"-Aufklebern verzieren, Hochglanzfotos einzelner Bandmitglieder und Albumcover-Poster übers Bett pinnen (Freddie ohne Schnauzer), sich in Fanclub-Mitteilungen auf ökologisch naturfarbenem Papier oder in die "Letters to the Fans" im 60-seitigen Fotobuch vertiefen. Dazu die Original-LP, geremastert, und drei CDs mit Albumtracks und Outtakes. Schmankerl obendrauf: die Tourdokumentation "Queen: The American Dream".
Dort geht es selbstverständlich um die Entstehung dieses großen Albums, das - um ausnahmsweise Queen-Superfan Taylor Hawkins zu zitieren - "immer nur auf 'We Will Rock You' und 'We Are The Champions' reduziert wird". Bei der Fülle an Doku-Material über die Band muss man den DVD-Archivaren zugute halten, dass sie sich wirklich auf das Jahr 1977 konzentriert und somit erhellendes Filmmaterial zusammen getragen haben. Man sieht die Band beim Jammen, Herumalbern und Interviews-Geben, darunter unbezahlbare Szenen, etwa wenn sich Mercury seine Ballerinas von seinem Crew-Personal schnüren lässt.
Warum "News Of The World" so anders klang als seine Vorgänger, wird einem erst wieder bewusst, wenn man sich noch einmal in dieses Jahr 1977 zurück versetzt: Die britische Musikpresse als damals zentrales Meinungsmacherorgan hat den neuen Sound Punk für sich entdeckt, The Damned und die Sex Pistols versprechen Aufregung und Anarchie, gegen die Queen mit der auf ihrem Vorgängeralbum "A Day At The Races" zelebrierten Opulenz wie die perfekten Opfer wirken. Doch die Briten wählten einen anderen Weg.
Queen-Historiker sind sich seither uneins in der Frage, ob sich Queen 1977 bewusst entschieden haben, ein wenig mit der Zeit zu gehen und ihren Sound abzuspecken. In der Doku argumentiert May für meine Auffassung recht plausibel, die Band habe auf "A Night At The Opera" und dem genannten Nachfolgealbum die Operettennummer und die Endlos-Arrangements bereits derart in die Extreme ausgelotet, dass sich 1977 alle Mitglieder nach einer Veränderung sehnten. Back to basics: Schließlich starteten Queen ja auch als straighte Rock'n'Roll-Band.
Inhaltlich trumpft die Box vor allem mit Demos des Albums auf, die bisher maximal auf raren Bootlegs erhältlich waren. First Takes von "We Will Rock You" und "We Are The Champions" anhören zu dürfen, wo Mercury noch Melodien improvisiert, holen sogar diese übermenschlichen Rock-Klassiker wieder etwas in die Realität zurück. Auch Mays schiefes Solo am Ende von "Rock You" lässt erahnen, wie lange sich die Band Zeit nahm, um den Song perfekt auf Band zu bannen. Mays "All Dead, All Dead" singt in der Demoversion Mercury - absolut großartig. Man kann es nur als Freundschaftsdienst innerhalb der Band bewerten, dass bei der Albumversion der Komponist ans Mikro durfte.
Absoluter Höhepunkt: John Deacons Flamenco-Versuch "Who Needs You", das Freddie hier nur zur Akustischen mit zahlreichen "La-la-las" und "Yeah-yeah-yeahs" in Form zu gießen versucht. Hier erahnt man, wie legendär ein "MTV Unplugged" mit Queen hätte werden können. Von vielen (außer Trent Reznor) gerne übersehen ist auch "Get Down, Make Love", eine Art Proto-Funk, den Queen später auf "The Game" oder "Hot Space" noch weiter exerzierten, und ein sexbeladener Text Mercurys.
Von Roger Taylors Stücken ist ausgerechnet das auf Platte eher vernachlässigbare "Fight From The Inside" interessanter geraten, das in der abgespeckteren Demoversion ein paar neue Akzente setzt. "Sheer Heart Attack", Queens deutlichste Antwort auf Punkrock (obwohl schon Jahre vorher komponiert), liegt dagegen leider nur in einer Instrumentalversion vor.
Seltene Tracks wie "Feelings Feelings", Instrumentalversionen oder die tollen BBC-Sessions kennen Queen-Fans zwar schon (unter anderem von diversen Remasters-CD-Veröffentlichungen), gebündelt in einer "News Of The World"-Sammelbox ergeben sie jedoch durchaus Sinn. Weniger dagegen Livetracks von 1982 aus Milton Keynes, das darüber hinaus schon als "Live At The Bowl" erschienen ist.
Ob er nie neidisch auf Bühnenpfau Freddie gewesen sei, auf den die Band medial immer reduziert wurde, fragte die SZ Brian May noch. Antwort May: "Nein. Das ist wirklich kein Problem, wenn du so unterschiedlich bist. Jedes Bandmitglied bei Queen hatte als Songwriter Nummer-eins-Hits, das gab es in keiner anderen Band, bis heute. Es war einfach ein Riesenglück, dass wir uns gefunden haben."
"News Of The World" war vor 40 Jahren der notwendige wie brillante Schritt einer Hardrock-Band, sich neu zu erfinden. Im Gegensatz zum Cover-Roboter aus einem Science-Fiction-Comic der 1950er Jahre altern diese Songs hervorragend.
12 Kommentare mit 22 Antworten
Seit Stunden googel ich und finde keinen Freddie mit Schnauzer
http://www.holidogtimes.com/fr/wp-content/…
""News Of The World" war vor 40 Jahren der notwendige wie brillante Schritt einer Hardrock-Band, sich neu zu erfinden."
"Jazz" war vor 39 Jahren der notwendigere und brillantere Schritt! "We Will Rock You" u. besonders "We Are The Champions" (als Fussballhymne später) haben leider eine zu dominierende Rolle gespielt.
Aber nicht nur die beschriebene Dominanz der beiden Stücke lassen mich das schreiben, ich glaube in Interviews (kann ich nicht mehr belegen, reine Erinnerung) damals sagten Queenmember auch so was in die Richtung, das sie sich selbst neu erfinden mussten und mit Jazz hätten sie den Schritt getan.
Ausserdem sind bei "Spread Your Wings" und "It´s Late" noch viele Opera und Day Töne zu finden. Man muss sich aber vor Augen halten mit welchen Affenzahn die produziert haben, jedes Jahr ein neues Album und dann die Qualität, irre gut einfach!
Ansonsten drückt kein Schuh und somit danke für die Rezi Herr Schuh.
Gruß Speedi
Echt, "Jazz"? Klar, "Mustapha" bleibt ein unerreicht mutiger Opener, aber ansonsten sind da für Queen-Verhältnisse haufenweise Filler drauf. Allen voran die Taylor-Tracks aber auch Deacon enttäuscht ("If you can't beat 'em"). Die Weltballade "Jealousy" reißt natürlich alles raus, aber wann hat Fred schon mal enttäuscht? Auf der DVD reden die Queen-Leute auch von "News" als notwendiger Neuerfindung, aber gut, an ihrer Stelle würde ich das auch bei jedem neuen Rerelease erzählen
Ja Jazz, allerdings gibt es den Nebeneffekt, dass das mein erstes Album selbst gekauft, überhaupt war. Ich finde immer noch, besser kann man in eine Leidenschaft nicht einsteigen.
Unerwähnt sollte nicht bleiben, auch ein ganz netter Effekt, war mein Dad. Das Doppelposter in der Albumhülle, wurde sofort vom damals 13 Jahre alten Speedi irgendwo in seinem Kinderzimmer versteckt (irgendeine Schublade). Mein Frauenbild war auf Jahre etwas lädiert, weil ca. 50 nackte Mädels auf Rennrädern, war für mich Tabubruch hoch zehn. Quark, hat mein Frauenbild bis heute geschärft (ich finde Mädels gehören immer nackt auf Poster, alles andere to much Aufwand).
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/…
Jedenfalls wurde das Poster relativ häufig beim lautem Hören von Jazz und natürlich bei "Bicycle Race" betrachtet. Da meinem Dad es immer zu laut war, stand er irgendwann in meinem Kinderzimmer und forderte das ich das doch leiser machen soll. Als ordentlicher Junge kam ich dem auch nach, musste dafür das Poster allerdings ablegen. Mein Dad fand das nicht so angemessen für einen 13 Jahre alten Speedi und zog es mir ab, um es in seinem Partykeller mit Tesa an die Wand zu pinnen. Tesa versaut jedes Poster, ich hasste meinen Dad, kurzzeitig.
Jahre später, nachdem der Partykeller nicht mehr mir verschlossen war (mein 18. Burzeltag?), wollte ich es mir wieder holen. Nichts da, das Poster war wohl entsorgt, welch eine Schande. Man kann von Denkmalschändung sprechen. Böser Dad!
Selbstverständlich wurde dieser harte Bruch, zum sonstigen Sound von Queen, in Freundeskreisen mehr als einmal, sehr kontrovers diskutiert. Stehe heute, unter anderem deswegen, auf nicht eindeutige Sachen/Dinge. Lieber einen leidenschaftlichen Diskurs, als Friede, Freude u. Eierkuchen. Ich vertrete seitdem die Meinung, Jazz ist das meist unterschätzte Album von allen, gewesen. Gerade die getadelten Songs "Dead On Time", "Fun It" u. das großartige "More Of That Jazz", sind keine Filler, never! Wahr ist, das deren kompromisslose Härte vom Instrumenteneinsatz oder dem fast Sampling bei "More Of That Jazz", sich einfach gewaltig vom Queensound, entfernt zeigten.
Die Hits "Bicycle Race" und "Don´t Stop Me Now" sind auch keine Filler. Bleiben das erwähnte "If You Can't Beat 'em", als ein! Filler? Kann ich mit leben, will das Poster zurück.
Dann wäre ja jetzt auch endlich geklärt, worauf der Meurer so ejakuliert.
Stephan behindert wie eh und je.
Als ob der alte Lustgreis sich das Poster nicht schon längst auf Ebay-Kleinanzeigen neu gekauft hätte. Und wenn die Frau dann mal wieder den Migräne-Joker zieht, geht's ab in den Keller zum Fünf-Finger-Fandango, bis auch das nächste Exemplar komplett verklebt ist.
Es ergeben sich nach über 7 Monaten nur zwei Möglichkeiten, entweder der Morphologe hat nix zu wichsen oder nix erlebt wovon er erzählen kann. Der deutschen Sprache nicht mächtig, schließe ich fast aus. Man weiß ja nie.....
Werden wohl auf Ewig zu den größten und besten Bands zählen. Immer wieder fantastisch zu hören und zu sehen.
....Im Gegensatz zum Cover-Roboter aus einem Science-Fiction-Comic der 1950er Jahre altern diese Songs hervorragend....
...Stewie Griffin ist durch die Zeit gereist um dieses Cover verschwinden zu lassen (weißmandoch)
Wusstet Ihr, dass man herausgefunden hat, dass bei Jungs eine Quecksilberbelastung im Körper zu einer erhöhten Homosexualitätsneigung führt. Da Quecksilber und Aluminium mittlerweile in günstigen Impfstoffen (zur Stabilisierung) bei den Kindern angewendet werden, ist die Tendenz in der Bevölkerung steigend. Quecksilber heißt übrigens Mercury auf englisch. Nur mal so als Querinfo.
Doc, geh sterben...
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.