laut.de-Kritik
Teer, Federn, Gänsehaut und Sand im Getriebe.
Review von Dani Fromm"I got what you need", versichert trällernd das "Bang Outro". "And I got what you want and you don't have to look no more, no." Wie fürsorglich, vielen Dank. Um so besser, weil es stimmt: Sobald Raekwon loslegt, bleiben halt einfach relativ wenige Wünsche unerfüllt.
Schade nur, dass der Chef auf "The Wild" darüber hinaus eine ganze Menge Mumpitz im Gepäck führt, den wirklich keine Sau gebraucht, geschweige denn vermisst hätte. Alle drei Tracks streuen nutz- wie witzlose Skits unnötig Sand ins Getriebe, denen höchstens die im Hintergrund giggelnden Kumpels irgendetwas Amüsantes abgewinnen können. (Die finden die Angelegenheit dafür offenbar um so lustiger. Immerhin.)
Nachvollziehbar, dass sich Raekwon für die Hook von "Visiting Hour" Andra Day ins Boot holt. Stevie Wonder vertraut schließlich nicht jeder dahergelaufenen Singtrulla, und Vergleiche mit Amy Winehouse und Billie Holiday fallen auch eher selten vom Himmel. Wer dann allerdings die Schnapsidee hatte, ihren Gesang derart mit überkandidelten Effekten zuzuklatschen, bis von ihrem Talent restlos nichts mehr durchscheint, gehörte eigentlich mindestens geteert und gefedert.
Wahnsinnig anstrengend wirkt auch die namenlose Lady, die die Vocals zu "Purple Blick Road" beisteuert. Ganz im Gegensatz zu "Visiting Hour" haben die Produzenten, in diesem Fall aus dem Reihen der J.U.S.T.I.C.E. League, hier allerdings alles richtig gemacht: Der kantige, kratzige, kein bisschen süßliche Gesang fährt scharf direkt ins Gebein und treibt die Nummer unbarmherzig voran wie ein Metronom. "Why hide sacrs? It's who we are." In Kombination mit den Streichern, die durch die dunkle Kulisse schillern, Drums, Bass und den Rap-Parts von Raekwon (topp) und G-Eazy (noch besser) bleibt nur Gänsehaut, vier verdammte Minuten lang.
Wer sich einen Fluss weinen möchte, lasse sich in "Marvin" Marvin Gayes Lebensgeschichte erzählen: "... but he was far from happy. He wore a smile just to hide it behind them them doors." CeeLo Green krönt den Track mit einer Hookline für die Ewigkeit, aus der das gleiche Verständnis für eine im tragischsten Sinne "Divided Soul" spricht, wie es schon auf "Heart Blanche" zum Ausdruck kam: "Reminds me of Robin Williams", auch diese Nummer. Wunderschön. Endlos traurig.
Rap-technische Sperenzchen auf M und N fährt (ja, genau!) "M & N" auf: Raekwon und P.U.R.E. schenken sich hier nichts, uns dafür "back to back rap" und obendrein den wohlmeinenden Rat: "Relax, you featherweight cats can catch this." In einer einzigen Disziplin lässt sich Raekwon schlagen: Abwechslung im Vortrag gehört nicht zu seinen allergrößten Stärken - was mich bei einem, in dessen Flow ich ohnehin baden will, tatsächlich aber bestenfalls rudimentär stört.
Was auf dieser Seite an Variantenreichtum fehlt, fährt "The Wild" im Hinblick auf die Produktionen auf: Die Wiederbelebung soulschwangerer, oldschooliger Wu-Tang-Vibes funktioniert in "Nothin'" prächtig. In "Can't You See" dagegen wirkt das Gesangssample ob des dumpfen, wie unter einer zentimeterdicken Staubschicht erstickten Klangs einfach altbacken.
Das durch und durch elektronisch-synthetische "My Corner" mit Stippvisite von Lil Wayne legt direkt danach eine Kehrtwende hin, ehe - das dämliche Skit außen vor gelassen - "M & N" wieder auf pompösen Orgelsound, Klingeling und sphärische Engelschöre baut, dabei aber einen so düsteren Grundton hält, dass sich eher Abgründe aufzutun scheinen als die Himmelspforte.
Sich so richtig auf eine Richtung, eine Stimmung einzuschießen, das lässt "The Wild", "the jungle with no rules", nicht zu. Das würde vermutlich aber auch nicht zum Konzept passen. Im Dschungel, egal ob concrete oder organisch, weiß man schließlich auch nie, was hinter der nächsten Ecke lauert - respektive im nächsten Gebüsch.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Na gut, Dani, wegen dir hoere ich mir das dann doch mal an.
Ich bin mir gerade nicht mehr sicher, ob ich das hier geaeussert hatte, oder IRL: ich war letztes Jahr zum ersten (und letzten) Mal im Kater Holzig und da lief auf dem Draussen-Floor Wu-Tang. Da dachte ich mir zum ersten (und nicht zum letzten) Mal "Welches Jahr haben wir eigentlich?" Sowas will dieser Tage doch keiner mehr im Club hoeren, noch dazu, weil der Clan inzwischen einfach played out und irrelevant ist.
Mir waren die schon damals größtenteils zu rumpelig, ehrlich gesagt
Du trägst Camp David.
Django also mehr shiny suit era, soso.
na, die welches-jahr-haben-wir-eigentlich-frage stell ich mir ja auch immer wieder. find tatsächlich auch meist bocklangweilig, wenn leute sich "auf ihre wurzeln besinnen" oder "zurück zum klassischen sound" gehen. alter, da hör' ich doch lieber weiter das alte zeug als neues, das klingt, als wärs alt.
aaaber manchmal kann man echt wenig machen. automatismen. wenn ich ghost höre, oder eben raekwon (oder masta killa, ewig unterschätzt!), dann kommt dieses hrrrr-gefühl halt oft von ganz allein - und dann verzeih' ich auch viel mittelgelungenes zeug.
hör' "purple brick road", das find' ich ganz groß, und "marvin", zum weinen.
Wudo aka Wutang-Udo gefällt das.
Das gefällt mir wesentlich besser als FILA. Auf so Beats kann sich Raekwon einfach am besten ausbreiten. Den "modernen" Sound können andere Leute besser, was soll er da dann auch mitmischen und halbgares Zeug abliefern.